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Pfarrerinnen- und Pfarrertag in Leipzig diskutierte das Thema "Ende der Sicherheit"

Leipzig (cf/epd). Drei Tage lang haben sich über 350 Pfarrerinnen und Pfarrer aus ganz Deutschland und einigen Nachbarländern über das Thema „Ender der Sicherheit“ ausgetauscht. im Eröffnungsgottesdienst forderte Sachsens Landesbischof Tobias Bilz dazu auf, angesichts wachsender Erwartungen und Herausforderungen mit Besonnenheit zu reagieren. 

Thomas de Maizière: Krisenzeiten als Chance zu verstehen

Am Dienstag stand der Vortrag von Kirchentagspräsident de Maizière im Mittelpunkt. Er plädierte dafür, Krisenzeiten als Chance zu verstehen. „Auch wenn es unsicher ist, es ist nicht das Ende, wir können losgehen“, sagte de Maizière. Christlicher Glaube sei mit einem Auftrag verbunden. Dieser laute: Verantwortung übernehmen.

„Wir als Christen müssen mit Unsicherheiten umgehen und in Chancen drehen und in Kreativität verwandeln“, sagte er. Es gehe nicht darum, „das Jammertal zu beschreiten“, sondern sich zuzumuten, etwas zu tun - beispielsweise dem Nächsten zu helfen, notwendige Veränderungen anzupacken oder klassische Strukturen aufzubrechen. „Freiheit führt zwingend zu Ungewissheit“, führte de Maizière weiter aus: „Wer Freiheit will, muss Unsicherheit wollen“. Sicherheiten und Gewissheiten seien dagegen Illusionen. „Wenn wir Freiheit ernst nehmen, dann ist Zukunft ungewiss“, betonte der CDU-Politiker. Was immer, aber besonders auch in Krisen helfe, seien Streit und Debatte.

Podiumsdiskussion: Sicherheit ist verloren gegangen 

Auf einem Podium diskutierten am Nachmittag Experten aus Polizei, Justiz, Pflege und Theologie zum Thema „Ende der Sicherheit“.

„Meine Sicherheit ist verloren gegangen“, sagte die Strafverteidigerin Seda Basay-Yildiz. „Wo soll ich hin gehen, wenn ich von denen, die mich schützen sollen, bedroht werde“, sagte die Anwältin aus Frankfurt am Main mit Blick auf in der Vergangenheit aufgetauchte rechtsextremistische Chats von Polizistinnen und Polizisten in Hessen. Basay-Yildiz wurde als Anwältin der Nebenklage im NSU-Prozess bekannt.

An dieser Thematik müsse intensiv gearbeitet werden, sagte Sachsens Landespolizeipräsident Jörg Kubiessa. Es sei nicht mit einer Ausbildung oder mit einem Schwur getan. Mit Blick auf den Rechtsextremismus innerhalb der Polizei sagte er: Es müsse immer wieder betont werden, was zur DNA der Sicherheitsbehörde gehört und was nicht.

Der frühere Magdeburger evangelische Bischof, Axel Noack, ging auf Unsicherheiten innerhalb der Kirche ein. „Dass die Kirche kleiner wird, macht viele unsicher“, sagte er. Es gelte zu überlegen: „Wie kann man fröhlich kleiner werden?“ Demokratie brauche den unbedingten Diskurs, das versuche die Kirche aufzugreifen, so Noack. Dabei sei es „eine ganz schwere Aufgabe, über den eigenen Tellerrand und Chatgruppenrand hinauszuschauen“.

Der Würzburger Theologieprofessor und Autor Klaas Huizing gab mit Blick auf Kirche und Religion zu bedenken, dass selbst in der Universität die Krise angekommen sei. Junge Leute wollten Ethik und Philosophie studieren, aber nicht Religion.
 


Mitgliederversammlung 2022 des Verbandes in Leipzig
Kahnt: Ukrainekrieg erfordert erneutes theologisches Nachdenken / Jahrzehntelanges Schweigen von Kirche und Diakonie bei sexualisierter Gewalt ist „einziges Versagen“

Leipzig, 26.9.2022. In seinem Vorstandsbericht vor der Mitgliederversammlung des Verbandes evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland e.V. am 26.9.2022 in Leipzig stellte der Vorsitzende des Verbandes, Pfarrer Andreas Kahnt (Westerstede), die Situation des pfarramtlichen Dienstes angesichts des Krieges in der Ukraine und der Corona-Pandemie sowie den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Kirche in den Vordergrund. 

Kahnt stellte fest, dass aufgrund der Corona-Pandemie regional und teilweise von Gemeinde zu Gemeinde, auch in Schulen, in Einrichtungen und Werken erhebliche Unterschiede in den Arbeitsbedingungen zu beobachten seien. „Während hier mit Maske und ohne Gesang Gottesdienst gefeiert wird, gibt es nebenan kaum sichtbare Einschränkungen,“ so Kahnt. Indem die Entscheidungen dazu in die Hände der vor Ort Verantwortlichen gelegt werden, würden die örtlichen Gegebenheiten ernst genommen. Dabei liege es auf der Hand, dass Pfarrerinnen und Pfarrer in ihren verschiedenen Aufgabenbereichen in Konflikt mit Erwartung und Wirklichkeit geraten würden: „Nicht alle sind gleichermaßen gesund, viele müssen auf Familie und Angehörige Rücksicht nehmen, Fragen rund um Post- oder Long-Covid sind noch immer nicht abschließend erforscht und als Krankheit anerkannt, und nicht alle Kirchen gehen gleichermaßen offensiv mit Infektionen um, die im Dienst erlitten wurden. Auch die Auseinandersetzung mit den teils staatlich verordneten, teils selbst auferlegten Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 in den Bereichen Gottesdienst und Seelsorge steht noch aus“, so Kahnt vor der Versammlung. 

Von vielen Maßnahmen sei zudem das berufliche Selbstverständnis von Pfarrerinnen und Pfarrern betroffen. Dazu gehöre unter anderem die Frage, inwieweit die Anstrengungen, Menschen an die Kirche zu binden, fruchten würden. Das gelte nicht zuletzt für die vielen kreativen Aktivitäten, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie entwickelt wurden, zumal im Internet. „Dass hier eine Chance für die Zukunft liegt, Mitglieder an die Kirche zu binden oder neu zu gewinnen, die Anstrengungen also dauerhafte missionarische Kraft entfalten, ist zu wünschen“, betonte Kahnt vor den Delegierten. Er zeigte sich erfreut, dass die öffentliche Wirksamkeit der kirchlichen Angebote „teils enorm“ gewesen sei. Daran lasse sich anknüpfen, und „die Kirchen sind gut beraten, die nötigen finanziellen und personellen Ressourcen dafür bereitzustellen“. Kahnt bilanzierte: „Pfarrerinnen und Pfarrer haben die sich ständig ändernden Bedingungen durch die Corona-Pandemie überwiegend schnell und konstruktiv angenommen.“

Krieg in der Ukraine: Aktiv in der Flüchtlingsbetreuung

Auch seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine hätten sich die Pfarrerinnen und Pfarrer ein weiteres Mal als verantwortliche Berufsgruppe in Gemeinden, Einrichtungen und Werken bewährt. Als Flüchtende verstärkt ankamen, wurden Pfarrerinnen und Pfarrer in und mit ihren Gemeinden aktiv in der Aufnahme und Betreuung der Menschen, so Kahnt. Im Laufe der Monate erstreckte sich diese Hilfe auch auf andere Gebiete, in denen Flüchtende vorübergehend oder dauerhaft untergebracht wurden. Die Frage, ob im Zuge der Aufnahme von Flüchtenden aus der Ukraine im Vergleich zu solchen aus anderen Ländern mit zweierlei Maß gemessen wird, sei virulent, so Kahnt, habe aber die Bereitschaft zur Hilfe in der konkreten Situation nicht geschmälert. Viele Pfarrerinnen und Pfarrer hätten bereits 2015 gemeinsam mit vielen ehrenamtlich Engagierten Erfahrungen in der Flüchtlingshilfe gesammelt.

Krieg stellt Haltung der Kirche und mancher Pfarrerinnen und Pfarrer zum Frieden infrage / Forderung nach erneutem theologischen Nachdenken

Kahnt ging in seinem Bericht auf die Bedenken vieler Pfarrerinnen und Pfarrer gegenüber dem Krieg in der Ukraine als solchem und den Reaktionen der westlichen Staatengemeinschaft ein. Nicht zuletzt ältere Pfarrerinnen und Pfarrer seien „Kinder“ der Friedensbewegung, nicht wenige aufgrund des bedrohten Friedens im kalten Krieg zur Theologie und ins Pfarramt gekommen. 

Nun scheint die Zeit martialischer Worte zurück, so Kahnt. „Was Reden, Berichte und Analysen zumeist vermissen ließen, drängte sich nicht nur, aber ganz bestimmt nicht zuletzt Pfarrerinnen und Pfarrern auf: dass Menschen in einem Krieg sterben. Der Krieg und die Folgen für die Menschen - ob Zivilisten oder Soldaten, ob Frau oder Mann, ob Greis oder Kind - mussten in Predigten, in der Seelsorge, im Unterricht und sonst in Gesprächen bedacht und benannt werden. Aus der persönlichen und theologisch geprägten Haltung zum Frieden und im Gedenken an das Leid und die Opfer der gewesenen Kriege musste alles darangesetzt werden, das neuerliche Sterben und den neuerlichen Schrecken über Generationen hinweg zu vermeiden“, resümierte Kahnt vor der Versammlung.

„Der Krieg in der Ukraine hat die Haltung der Kirche und mancher Pfarrerinnen und Pfarrer zum Frieden infrage gestellt. Die Weltordnung, in der es sich vermeintlich sicher leben und zum unbedingten Frieden bekennen ließ, hat sich verändert. Es geht nicht mehr um Fragen von Auf- oder Abrüstung oder von gegenseitiger Bedrohung, sondern um einen Angriffskrieg mitten in Europa“, sagte Kahnt. Die Voraussetzungen, unter denen die Friedensbewegung sich mit guten Gründen formierte, seien durch die bewusste Aggression Russlands gegen die Ukraine um Aspekte erweitert worden, die ein erneutes theologisches Nachdenken erfordern, so der Vorsitzende. „Nicht zuletzt die Haltung des Moskauer Patriarchen Kyrill, der den Angriffskrieg mit fragwürdigen theologischen Argumenten stützt und sich dabei nicht scheut, die Aggression als den unmittelbaren Willen Gottes zu bezeichnen, fordere ein klares Bekenntnis zu Frieden und Versöhnung zwischen Menschen und Völkern geradezu heraus“, unterstrich Kahnt.

Unlösbares Dilemma aushalten: Einerseits alles für den Frieden tun zu wollen, es aber ohne Waffen nicht zu können 

Kahnt setzte sich auch mit Aspekten einer angemessenen Friedensethik auseinander. „Pazifismus oder doch zumindest der unbedingte Wille zum Frieden ist eine Haltung, die Christinnen und Christen entspricht und im persönlichen Tun und Lassen sichtbar wird. Für diese Haltung darf mit dem eigenen Beispiel geworben werden. Sie anderen aufzuerlegen, verbietet die Haltung selbst“. Das gelte umso mehr, wenn das Leben, die Identität und die Integrität von Menschen oder eines ganzen Volkes angegriffen werden, wie jetzt in der Ukraine, so Kahnt.

Der Ukraine in dieser Situation Gewaltfreiheit abzuverlangen, sei zynisch. „Das Land in jeder Hinsicht, auch mit Waffen, zu unterstützen, ist eine Frage, deren Beantwortung vor dem Hintergrund eigener Friedensethik äußerst komplex ist und in das Dilemma führt, einerseits alles für den Frieden tun zu wollen, es aber ohne Waffen nicht zu können“, sagte er. Dieses Dilemma lasse sich nicht lösen. Aber es lasset sich aushalten, indem am eigenen, unbedingten Willen zum Frieden und zum Pazifismus festgehalten, der Ukraine aber die Nothilfe nicht verweigert werde, sich gegen einen Angriff auf Menschenleben, nationale Identität und staatliche Integrität zu wehren, sagte der Vorsitzende.

Nothilfe sei hier nicht präventive Aufrüstung, um anderen zu drohen, sondern „Unterstützung zu rechtserhaltender Gewalt in einer konkreten Ausnahmesituation“. In einer solchen Situation dürfe der Pazifismus eine Ausnahme machen, ohne sich selbst zu verleugnen. „Nichts zu tun, wäre eine Haltung, die den Pazifismus zu einer Sache privilegierter Menschen machte, die das Glück haben, in einem Land zu leben, in dem seit über 70 Jahren Rechtsstaatlichkeit und die Abwesenheit von Krieg den gesellschaftlichen Diskurs bestimmen“, unterstrich der Vorsitzende. 

Weniger Christinnen und Christen in Deutschland 

Angesichts der Tatsache, dass neuerdings die Zahl der einer der großen Kirchen angehörenden Christinnen und Christen in Deutschland unter die Marke von fünfzig Prozent gefallen ist, warb Kahnt dafür anzuerkennen, dass auch von einer Minderheit wesentliche Impulse in die Gesellschaft ausgehen können. Dies würde jedoch gute Arbeitsbedingungen voraussetzen: „Je schwerer die Kirchen ihren Mitarbeitenden und nicht zuletzt den Pfarrern und Pfarrerinnen die Arbeitsbedingungen gestalten, je weniger junge Menschen sich deshalb für den Pfarrberuf begeistern lassen, desto weniger Strahlkraft wird von ihnen ausgehen“. 

Eine Kirche in der Minderheit werde zudem das Verhältnis von Kirche und Staat verändern. Niemand wisse, wie lange die Theologie ihren Stellenwert an den Universitäten werde bewahren können. Immer häufiger werde auch die Abschaffung der Staatsleistungen diskutiert. Diakonie und Caritas würden als Anbieter unter vielen wahrgenommen. Kirche sei in einigen Teilen des Landes eine unbekannte Größe ohne Relevanz für die Bevölkerung. Kahnt forderte die Pfarrerinnen und Pfarrer auf, sich dieser Situation zu stellen und ihr eigenes berufliches Selbstverständnis daran zu schärfen. „Auch wenn zunehmend die Person das Amt tragen muss, darf das Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten und Stärken nicht das Vertrauen in Gott unterminieren. Und vielleicht kann die Sache auch mal so gesehen werden: Knapp fünfzig Prozent der Bevölkerung ist Mitglied einer der großen Kirchen? Das ist ja richtig viel!“ so Kahnt vor den Delegierten.

Sexualisierte Gewalt in den Kirchen 

Zum Umgang mit dem Thema sexualisierte Gewalt in den Kirchen der EKD begrüßt der Verbandsvorstand die Entscheidung, das Thema wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen und die Untersuchung nicht selbst durchzuführen, sondern in die Verantwortung von Instituten und Universitäten zu geben, so Kahnt. Zugleich verwies er darauf, „dass mit der Aufarbeitung die Verletzungen von sexualisierter Gewalt Betroffener nicht aus der Welt sind“.
An die eigene Berufsgruppe gewandt sagte Kahnt: „Auch Pfarrer und möglicherweise Pfarrerinnen haben sich sexualisierter Gewalt schuldig gemacht. Unter Ausnutzung von Abhängigkeit, Seelsorgesituationen oder psychischem Druck haben sie Grenzen überschritten, die für alle Menschen gelten, besonders aber für die, die sich beruflich der Nachfolge Jesu und der Predigt des Evangeliums verschrieben haben“. Die Überschreitung dieser Grenzen sei mit nichts zu entschuldigen, so der Vorsitzende. Die Erinnerung an erlittene Gewalt bleibe lebenslang. Das Eingeständnis von Schuld seitens der Täter könne aber helfen, dass Betroffene ins Recht gesetzt werden.
Jahrzehntelanges Schweigen von Kirche und Diakonie einziges Versagen / Auch Verband hat sich Thema nie gestellt 

Das jahrzehntelange Schweigen von Kirche und Diakonie sei ein einziges Versagen, so der Vorsitzende in Leipzig. „Auch der Verband hat sich dem Thema wider besseres Wissen nie gestellt, allenfalls bei der Bewertung dienstrechtlicher Konsequenzen. Insofern hat der Verband die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt in seiner Berufsgruppe nicht erkannt und die Not der Betroffenen nicht ernstgenommen“ beklagte Kahnt. Er unterstrich: „Auch wenn die Pfarrer und möglicherweise Pfarrerinnen, die sich sexualisierter Gewalt schuldig gemacht haben, nicht alle Mitglied eines Pfarrvereins waren, so ist doch in jedem Einzelfall unser Berufsstand betroffen. Dem dürfen sich Verband und Vereine nicht verschließen. Darum steht außer Frage, dass Fälle sexualisierter Gewalt vor Gericht gehören und disziplinarisch verfolgt werden“, so Kahnt. Es sei zudem wichtig, Sexualität in der Ausbildung und der Supervision zu thematisieren, sexuelle Vielfalt nicht auszublenden, vor allem aber für sexuelle Integrität sensibel zu machen, so der Vorsitzende. 

(Christian Fischer, Pressesprecher)   
 


Evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer beraten das Thema: „Ende der Sicherheit“
76. Deutscher Pfarrerinnen- und Pfarrertag in Leipzig

Leipzig, 22.9.2022. Rund 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden von Montag, 26. bis Mittwoch, 28. September zum 76. Deutschen Pfarrerinnen und Pfarrertag in Leipzig erwartet. Zum ersten Mal seit hundert Jahren tagen die evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer aus ganz Deutschland und einigen europäischen Partnerkirchen in Leipzig.  Der Kongress steht unter dem Thema: "Ende der Sicherheit". Tagungsort ist das Pentahotel Leipzig. 

Das Thema „Ende der Sicherheit“ rückt die Debatte um die aktuellen Veränderungen in Kirche und Gesellschaft in den Mittelpunk und wird sich mit der Frage beschäftigen, wie tatsächliche und vermeintliche Veränderungen in der Gesellschaft in Deutschland von der Bevölkerung wahrgenommen werden. Hintergrund sind der Krieg in Europa, die Corona-Pandemie, die Rettung und Integration Schutzsuchender oder die Veränderung des Klimas. Darüber hinaus driftet die deutsche Gesellschaft zwischen „Arm“ und „Reich“ zusehends auseinander, und Digitalisierung und künstliche Intelligenz werden zwar als zukunftsweisende Technologien gepriesen, aber vielfach als bedrohlich empfunden, so der Vorsitzende des Verbandes, Pfarrer Andreas Kahnt, im Vorfeld des Pfarrertages. Leipzig als Stadt biete aus historischer Sicht wie durch ihre aktuelle politische, akademische und wirtschaftliche Lage einen mehr als geeigneten Ort, das Thema „Ende der Sicherheit“ zu bedenken. Hauptreferent des Pfarrerinnen- und Pfarrertages am 27.9. um 10 Uhr wird Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister a. D. und Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages, sein. 


Für die Podiumsdiskussion, die am Dienstag, 27.9.2022, um 15:00 Uhr in der Propsteikirche St. Trinitatis stattfinden wird, liegen unter anderem Zusagen von Prof. Dr. Dr. Klaas Huizing, Professor für Systematische Theologie, Landespolizeipräsident Jörg Kubiessa, Prof. Dr. Axel Noack, Landesbischof i. R. und von Reinhardt Schink, Geschäftsführer der Deutschen Evangelischen Allianz, vor. Der Deutsche Pfarrerinnen- und Pfarrertag beginnt am Montag, 27.9., um 16:00 Uhr mit einem festlichen Gottesdienst in der Thomaskirche. Landesbischof Tobias Bilz wird predigen und der Thomanerchor Leipzig unter der Leitung von Thomaskantor Andreas Reize wird singen. Interessierte sind herzlich eingeladen den öffentlichen Gottesdienst mitzufeiern. 

Um die Tagung herum finden Versammlungen der Gremien des Verbandes, unter anderem die Mitgliederversammlung (Montag, ab 9 Uhr) statt. Auch das Präsidium der KEP, der Konferenz Europäischer Pfarrverbände, tritt zusammen.

Hintergrund:

Zum Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrertag kommen alle zwei Jahre Pfarrerinnen und Pfarrer aus Deutschland und europäischen Nachbarländern zusammen. Die letzte Tagung fand im Jahr 2018 in Augsburg statt, der nächste Kongress ist für 2024 geplant. Im Jahr 2020 musste die Veranstaltung wegen der Pandemie ausfallen. Veranstaltet wird der Deutsche Pfarrerinnen- und Pfarrertag vom Verband evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland e.V., in dem 20 Einzelvereine mit etwa 20.000 Pfarrerinnen und Pfarrern in den evangelischen Kirchen in Deutschland organisiert sind. 

Das ausführliche Programm finden sie unter www.pfarrertag.de

(Christian Fischer)
 


Thema: Ende der Sicherheit
76. Deutscher Pfarrerinnen und Pfarrertag 2022 in Leipzig

In diesem Jahr ist es wieder soweit: von Montag, 26. bis Mittwoch, 28. September treffen sich Pfarrerinnen und Pfarrer aus ganz Deutschland in Leipzig zum Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrertag. Das Thema Ende der Sicherheit rückt die Debatte um die aktuellen Veränderungen in Kirche und Gesellschaft in den Mittelpunkt.

Veränderungen in Politik und Gesellschaft werden oft als bedrohlich empfunden.

Der Pfarrerinnen- und Pfarrertag 2022 in Leipzig wird sich mit der Frage beschäftigen, wie tatsächliche und vermeintliche Veränderungen in der Gesellschaft in Deutschland von der Bevölkerung wahrgenommen werden. Hintergrund sind die Fragen um die Zukunft der Europäischen Union, die Kriegsgefahr in Europa, die Rettung und Integration Schutzsuchender oder die Veränderung des Klimas und die Bewegung „Fridays for future“. Darüber hinaus driftet die deutsche Gesellschaft zwischen „Arm“ und „Reich“ zusehends auseinander, und Digitalisierung und künstliche Intelligenz werden zwar als zukunftsweisende Technologien gepriesen, aber vielfach als bedrohlich empfunden.

Haben alte Modelle ausgedient?

Soziale Marktwirtschaft, Demokratie im Sinne der Mütter und Väter des Grundgesetzes, Sicherheit durch die Einbindung in die Europäische Union und die NATO, scheinen ausgedient zu haben. Aufgegeben zugunsten einer Flexibilisierung der Arbeitswelt und eines globalen Kapitalismus, der keine Rücksicht auf klimatische Veränderungen nimmt, erschwert durch Konflikte innerhalb europäischer Staaten und mit Russland, gefährdet durch Demokratiemüdigkeit und mangelnde Bereitschaft zu geordnetem Konflikt und ehrlichem Kompromiss. Die Debatten in Parlamenten, im Fernsehen und im Internet zeugen von einer gewissen Verwahrlosung. „Alternativen Fakten“ wird eher geglaubt als gründlich recherchierter Wirklichkeit. Die Kirchen als lange integrierende und Werte prägende Institutionen haben ihre Bedeutung teils mutwillig verspielt, teils in einer pluralistischen Gesellschaft verloren. Die Corona-Pandemie hat Regierungen und Bevölkerung weltweit vor ungeahnte Herausforderungen gestellt und wie ein Brennglas bestehende Probleme und Konflikte befeuert.

Die Bevölkerung reagiert unterschiedlich auf diese Veränderungen, teils besonnen, teils hysterisch, teils mit dem Kopf im Sand, teils aber auch gewaltbereit. Manche suchen Lösungen in besserer Bildung, andere wollen die Demokratie westlicher Art abschaffen. Dazwischen gibt es viel Verwirrung und Ratlosigkeit. Das Thema der Tagung Ende der Sicherheit bringt diese Beobachtungen auf den Punkt.

Und was hat all das mit Pfarrerinnen und Pfarrern zu tun?

Pfarrerinnen und Pfarrer sehen sich in Predigt, Seelsorge und Unterricht, aber auch in der politischen Diskussion vor Ort in den Gemeinden mit den beschriebenen tatsächlichen und „gefühlten“ Veränderungen konfrontiert. Sie müssen Stellung beziehen und dabei zugleich den Zusammenhalt in der Gesellschaft im Blick behalten.
Beim Pfarrerinnen- und Pfarrertag soll die Situation analysiert werden und die Teilnehmenden zugleich ermutig werden, nicht aufzugeben im täglichen Bemühen um Verständnis, Einsicht, kluge Entscheidung, tatkräftige Hilfe und Zeichen christlicher Zuversicht und Nächstenliebe. Gemeinsam wollen wir überlegen, was wir dafür bereit sein müssen zu tun, wie wir uns als Christinnen und Christen und als Kirche selber verändern müssen und was unser Glaube dazu beitragen kann. Wenn das Ende der Sicherheit gekommen ist, nützen keine Beschwichtigungen. Stattdessen bedarf es eines nüchternen Blicks und einer erhellenden Analyse.

Das Programm

Der 76. Deutsche Pfarrerinnen- und Pfarrertag findet vom 26.-28. September 2022 in Leipzig statt. Er beginnt mit einem Gottesdienst am Nachmittag und einem festlichen Abend und wird mit dem Hauptvortrag zum Tagungsthema am Folgetag fortgesetzt. Am Nachmittag des zweiten Tages wird in einer Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener politischer, akademischer und kirchlicher Gruppen unter Einbeziehung des Plenums das Thema vertieft werden. Am Abend ist ein kulturelles Programm vorgesehen. Die Tagung endet mit Besichtigungen und Führungen in Leipzig am 28. September gegen Mittag.
Leipzig als Stadt bietet aus historischer Sicht wie durch ihre aktuelle politische, akademische und wirtschaftliche Lage einen mehr als geeigneten Ort, das Thema Ende der Sicherheit zu bedenken.
Der Verband evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland und der Sächsische Pfarrverein freuen sich darauf, viele Interessierte in Leipzig willkommen heißen zu dürfen! Anmeldungen zum Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrertag sind ab Mai auf der Internetseite des Verbandes und über ein Formular im Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt möglich.

Andreas Kahnt
Verbandsvorsitzender