Der Beitrag von Wichard von Heyden „Nie wieder ein neues Normal“ in DPfBl 1/2025 hat ein heftiges und kontroverses Echo, vor allem in der Kommentarspalte der Online-Fassung des Artikels ausgelöst. Einmal mehr ist zu sehen: Das Thema der Aufarbeitung politischer und kirchlicher Maßnahmen während der Corona-Pandemie ist brisant und wirkt polarisierend. Das ist verständlich, wenn man sich klarmacht, wie tief die Folgen dieser Erkrankung einerseits und die Maßnahmen zum Gesundheitsschutz andererseits in unser alltägliches Leben eingegriffen haben und es bis heute verändern. Dennoch muss eine Aufarbeitung geschehen. Diese kann freilich nur von den maßgeblichen Stellen geleistet werden, d.h. von den politischen Gremien selbst sowie von Kirchenleitungen und wissenschaftlichen Institutionen.

Der Beitrag von Heydens kann für sich gewiss nicht beanspruchen, diese Aufarbeitung zu leisten; er kann lediglich die Fragen nennen, die in diesem Zusammenhang zu stellen sind. Der Autor wirft vor allem die verantwortungsethische Frage auf, nach welchen Kriterien politisches und kirchliches Handeln während der Pandemiezeit beurteilt werden soll und kann. Dass es dabei Fehlentscheidungen gegeben hat, ist angesichts der Herausforderungen, vor denen Medizin und Politik damals standen, und angesichts des Handlungsdrucks weniger ein Problem als die Frage, wie wir heute mit möglichen Fehlentscheidungen von damals umgehen, wie wir sie heute bewerten und welche Lehren für künftige vergleichbare Situationen daraus zu ziehen sind.

Ob Wichard von Heyden seiner selbst gestellten Aufgabe in ausreichendem Maß nachgekommen ist, ob er dabei Hilfreiches zutage gebracht hat oder eher weniger hilfreich war, ob sein Beitrag zu sehr durch eine bestimmte Sichtweise eingefärbt ist und andere Aspekte unberücksichtigt lässt, ob er seine Hermeneutik des Verdachts berechtigt oder überzogen angewandt hat, wurde in den Kommentaren und Reaktionen unterschiedlich bewertet. Das ist der natürliche Verlauf eines offenen Diskussionsprozesses, der hier weniger um die Sache selbst als um die Frage nach dem richtigen Umgang mit ihr geführt wurde. Das Risiko einer solchen, online zum Teil ja auch nicht mit Klarnamen ausgetragenen Debatte ist immer wieder das Niveau, auf dem sie geführt wird, bzw. die Gefahr despektierlicher Äußerungen. Die Redaktion hat deshalb besonders konsequent auf die Einhaltung unserer Kommunikationsregeln geachtet und Beiträge auch wieder gelöscht, wenn sie diesen nicht ent­sprochen haben.

Alle Diskutanden sollten genügend Selbstdistanz haben, um zu wissen, dass sie nicht über „die ultimative Wahrheit“ in der Sache verfügen. Genau diese fehlende Selbstdistanz ist übrigens oft genug der Grund gewesen (und ist es bis heute), dass bestimmte Positionierungen als „verschwörungstheoretisch“ oder „verschwörungsmythisch“ bezeichnet wurden und auch werden müssen! Wer in einem Diskussionsforum zu diesem Thema (wie zu vielen anderen auch) mit dem absoluten Anspruch auftritt, die letzte Wahrheit zu kennen, und dabei noch andere abkanzelt, hat eigentlich das Recht, gehört zu werden, schon verwirkt. Wir verfügen alle nur über eine begrenzte Einsicht in das zur Verfügung stehende Wissensmaterial, haben alle nur individuell gewichtete Argumente und persönliche Einschätzungen vorzubringen. Und sofern es etwas einzuklagen gibt, müssen am Ende im Zweifels- und Konfliktfall die Gerichte entscheiden.

Die Diskussion ist sicherlich noch nicht zu Ende. Ich persönlich habe in den zurückliegenden Wochen mit vielen Parteien in dieser Debatte gesprochen, und gewiss werden weitere Beiträge zum Themenfeld „Kirche und Corona“ folgen, ganz unterschiedlicher Provenienz – wie es übrigens auch bereits in den vergangenen vier Jahren eine ganze Reihe von Beiträgen im Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt hierzu gegeben hat. Es lohnt sich, das einmal nachzublättern …

Seien Sie für heute herzlich gegrüßt

Peter Haigis.

 

Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 2/2025

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