»Natürlich ist die sprachlose Kirche keine stumme Kirche. Waren Protestanten je wortseliger, plappersüchtiger? (…) Doch weder im Denken noch im Benennen entfernen die Evangelischen sich hier um einen Zentimeter von der Losung der gegenwärtigen Tage. Politiker reden so, Lobbyisten und Werbefachleute und Menschen in Stiftungen und Vereinen und Unternehmen. Wenn auch die Kirchen so reden, liefern sie der Welt nicht, was die Welt nicht zu geben vermag, sondern nur, was die Welt schon ist. Kirchen sind dann keine Verkünder mehr, sondern verstärken das allgemeine weltanschauliche Grundrauschen. Kein Kompass sind sie, sondern Echo, immer nur Echo.«1
Protestantische Kirche und Theologie in Deutschland sind immer wieder der Versuchung erlegen, ihre eigene Sprache beiseite zu lassen, um dem Duktus fremder Erzählungen zu folgen. So wurde auch der Liberalismus, die Erzählung vom »Markt als einer Institution, die individuelle Freiheit so verwirklicht, dass sie mit der Freiheit aller anderen zusammenpasst und die gemeinsame Wohlfahrt steigert«2, in weiten Teilen der Evangelischen Kirche Deutschlands erfolgreich. So erfolgreich, dass das theoretische Konzept der Sozialen Marktwirtschaft aus der Feder des deutschen Neoliberalismus (der als »Ordoliberalismus« bezeichnet wird) mitunter sogar als ausdrücklich protestantisch empfunden wird. Jedoch, selbst wenn sich dessen protestantische Wurzeln milieusoziologisch3 bestätigen lassen: Wie protestantisch kann ein Wirtschafts- und Denksystem sein, das von einer weltweiten protestantischen Ökumene wegen seiner Grundstruktur als »institutionalisierte Habgier« kritisiert und abgelehnt wird?4»Doch statt diese Anstöße aus der Ökumene aufzunehmen«, so Franz Segbers und Simon Wiesgickl, »reagieren die deutschen Kirchen erschreckend provinziell: Nur wenige Monate nach Busan5 und dem Papstwort6 veröffentlichten sie eine Ökumenische Sozialinitiative, die so tut, als gäbe es die große ökumenische Übereinstimmung auf Weltebene nicht. (…) Die Sozialinitiative hält Langzeitarbeitslosen, Alleinerziehenden und prekär Beschäftigten ökonomische Lehrbuchweisheiten über eine Soziale Marktwirtschaft vor und segnet die Agenda der Großen Koalition ab. Die Marktwirtschaft wird als ›bestmögliches System‹ gefeiert. Dabei wird unter der Hand die Soziale Marktwirtschaft im Einklang mit dem neoliberalen Mainstream geschmeidig umgedeutet.«7
Protestantismus und Soziale Marktwirtschaft
Stellungnahmen der EKD bringen immer wieder die Überzeugung zum Ausdruck, dass es durch die Soziale Marktwirtschaft in Deutschland beispielhaft gelungen sei, die Effizienz einer konkurrenz- und kapitalgetriebenen Wirtschaft mit der Verwirklichung von Gerechtigkeit und sozialem Zusammenhalt zu verknüpfen. Mit anderen Worten: Der Kapitalismus in Deutschland ist eigentlich gar kein richtiger Kapitalismus und die Kapitalismuskritik der Ökumene ist folglich für Deutschland nicht zutreffend.
Doch ist dies tatsächlich so? Die »Soziale Marktwirtschaft« ist ein überaus schillernder Begriff. Er ist unabhängig von seiner wirtschaftswissenschaftlichen Substanz zur Chiffre für einen erfolgreichen »Dritten Weg« jenseits von Kapitalismus und Sozialismus geworden. Aufgrund seiner Stellung als staatstragendes Narrativ ist er zudem einer kritischen Auseinandersetzung weitgehend entzogen.8
Überzeugende Hinweise und Erklärungen dafür, wie das durch die ordoliberale Theorie untersetzte Narrativ der Sozialen Marktwirtschaft im Nachkriegsdeutschland zur Staatsräson wurde und warum das Bekenntnis zu ihm auch für die Evangelische Kirche in Deutschland unausweichlich wurde, liefert die Analyse des deutschen Ordoliberalismus durch Michel Foucault.9 Im Folgenden soll zunächst nachgezeichnet werden, wie und warum der Ordoliberalismus nach der Deutung Foucaults im Nachkriegsdeutschland staatstragend wurde und für weite Teile des deutschen Protestantismus ein Angebot war, das sie nicht ablehnen konnten.
Ordoliberalismus – ein problematisches Konzept
Allerdings bezieht sich die Deutung des Ordoliberalismus durch Foucault nicht nur auf die Situation im Nachkriegsdeutschland, sie wirft auch ein Schlaglicht auf die Gegenwart. Denn die Hochphase der Sozialen Marktwirtschaft, der sog. »Rheinische Kapitalismus«, endete spätestens in den 1990er Jahren. Mit dem Wirksam-Werden eines erneuerten neoliberalen Zeitgeistes wurden Wirtschaft und Gesellschaft radikal umgebaut. Die Folgen sind bekannt. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2017 bringt angesichts der gravierenden Veränderungen zwei Optionen ins Spiel: »In der ersten verabschiedet man sich gleich vom Leitbild der sozialen Marktwirtschaft, denn nichts erzeugt mehr Politikverdruss als die Beschwörung von Leerformeln. Die zweite Option verlangt eine grundlegende Wiederbelebung der sozialen Marktwirtschaft, die diesem Namen auch gerecht wird. Bislang ist der Zuspruch zur zweiten Option über die politischen Lager hinweg ungebrochen groß – aber eine konkrete Umsetzung ist noch nicht erkennbar.«10
Auch in der Kirche wünscht man sich offenkundig eine Rückkehr zur alten Sozialen Marktwirtschaft. Moralische Appelle werden allerdings nicht weiterhelfen und eine Umkehr in alte Zeiten wird ohnehin nicht möglich sein. Denn Foucaults Analyse des Ordoliberalismus lässt erkennen, dass die Veränderungen und Krisen der Gegenwart keine Betriebsunfälle sind und auch nicht allein durch die Gier und Verantwortungslosigkeit einzelner Wirtschaftssubjekte verursacht wurden, sondern dass sie der Sozialen Marktwirtschaft bereits in ihre ordoliberale DNA eingeschrieben waren: Der marktkonforme Umbau nicht nur der Sozialpolitik, sondern auch des Staates, die neoliberale Subjektivierungsfigur des »unternehmerischen Selbst«, die Durchdringung der Gesellschaft mit dem Marktprinzip, die forcierten Deregulierungen und Privatisierungen – all dies ist zwar erst durch den Einfluss des amerikanischen Neoliberalismus in Deutschland wirkmächtig geworden, es war jedoch bereits im deutschen Ordoliberalismus angelegt und durch ihn vorbereitet.
Nach der Lektüre Foucaults wird das Festhalten am Ordoliberalismus – nicht nur der Evangelischen Kirche – zwar nachvollziehbar, aber für die notwendigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformationsprozesse ist diese Festlegung auf ein problematisches Konzept wenig hilfreich. Denn Probleme können bekanntlich nicht mit denselben Methoden gelöst werden, durch die sie entstanden sind.
Freiheit, die ich meine: Wirtschaftsliberalismus
Was bedeutet die »Freiheit« des Liberalismus? Ist sie tatsächlich deckungsgleich mit Martin Luthers »Freiheit eines Christenmenschen« oder der Freiheit, von der im Galaterbrief die Rede ist? – Wohl kaum. Vom Blick auf seine Ursprünge her gesehen gibt es keinen Zweifel: Liberalismus bezieht sich primär immer auf die Freiheit von Wirtschaftssubjekten. Die Maxime des Wirtschaftsliberalismus verbindet sich ausgerechnet mit jenem Jean-Baptiste Colbert, der als Finanzminister des Sonnenkönigs zugleich Begründer des dirigistischen Merkantilismus war. Auf einer Sitzung der Lyoner Handelskammer um 1680 soll einer der Ältesten der dortigen Kaufmannschaft auf die Frage Colberts, was die königliche Regierung tun solle, um ihnen zu helfen, geantwortet haben: »Laissez-nous faire!«11
Das Schlagwort des Liberalismus bringt seinen tief sitzenden Generalverdacht gegenüber dem Staat auf den Punkt: Es wird zu viel regiert! In Foucaults Perspektive ist der Liberalismus in all seinen Spielarten daher zuallererst ein kritisches Projekt – und zwar mit historisch neuen Maßstäben. Der Staat wird nicht beurteilt nach seiner göttlichen oder demokratischen Legitimation, sondern nach den wirtschaftlichen Wirkungen seines Tuns. Die Wahrheit über den Staat, so Foucaults Analyse, entscheidet sich für den Liberalismus auf dem Markt.
Die Freiheit der Wirtschaftssubjekte kann durchaus auch andere Freiheiten befördern, wie z.B. die Freizügigkeit, das Versammlungs- und Vereinigungsrecht, Presse- und Redefreiheit. Dass dies jedoch nicht zwingend so sein muss und eine Marktwirtschaft auch ohne bzw. mit eingeschränkten bürgerlichen Freiheiten funktionieren kann, dafür gibt es derzeit mehr als genug Beispiele. Wie wir heute wissen, geht die simple Gleichung Marktwirtschaft = Freiheit = Demokratie nicht auf. Marktwirtschaft funktioniert auch in Diktaturen und Oligarchien.12 Kern des Liberalismus ist die Freiheit der Wirtschaftssubjekte, ein Garant für allgemeine Freiheit und Demokratie ist er jedoch nicht – auch wenn dies lange Zeit leidenschaftlich geglaubt wurde.
»… die Wahrheit wird euch frei machen« – der Markt als Ort der Wahrheit
Die liberale Theorie des Marktes: ein »prophetisch-aktivistisches Erlösungswissen«13. Noch in Martin Luthers Verständnis war der Markt ein Ort der Gerechtigkeit und der Rechtsprechung. Regulierungen galten nicht nur für die Zugänge und für den Schutz vor Betrug, sondern auch für die Feststellung der Preise, die einen sinnvollen Ausgleich zwischen geleisteter Arbeit, den Bedürfnissen der Kaufleute sowie den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Konsumenten gewährleisten sollten.14 Seit dem 18. Jh. hat sich jedoch ein Paradigmenwechsel vollzogen: Der Markt braucht kein Ort der Gerechtigkeit und der Reglementierung zu sein, so das moderne Vorurteil, denn er gehorcht selbstregulierenden Mechanismen. Wenn diesen Gesetzen durch die Regierungspraxis freier Lauf gelassen wird, dann bilden sich auf dem Markt automatisch die wahren, weil natürlichen (gleichgewichtigen) Preise. Der Markt wird somit zum Ort der Wahrheitsfindung über das Regierungshandeln wie auch in Bezug auf die Preise.
Die Euphorie, die die Entdeckung und Beschreibung eines »freien Marktes« durch den schottischen Moralphilosophen Adam Smith bei seinen Zeitgenossen auslöste, war gewaltig. Unter den verschiedenen Aufklärungsutopien ist der Marktliberalismus ganz offensichtlich die erfolgreichste. Alexander Rüstow bringt Aufstieg und Niedergang des Liberalismus auf den Punkt: »Selten ist wohl eine Bewegung mit so viel Schwung und so hochgespannten Hoffnungen ins Leben getreten wie der Liberalismus im 18. Jahrhundert. Man war tief überzeugt: Die Durchführung der Freiheit, insbesondere auf dem Gebiete der Wirtschaft, würde einerseits einen ungeheuren Aufschwung der Wirtschaft, andererseits eine allgemeine Harmonie der Interessen und Gesinnungen herbeiführen. Die erste dieser beiden Hoffnungen hat sich in überschwänglicher und beispielloser Weise erfüllt, die zweite jedoch umso weniger (…) sodass liberal heute (d.h. 1945, J.K.) vielfach zu einem Schimpfwort geworden ist, jedenfalls zur Bezeichnung von etwas völlig Erledigtem und nicht mehr Diskutablen.«15 Umso erstaunlicher ist der Wiederaufstieg eben jenes Liberalismus in Deutschland nach 1945.
Markt macht Staat – das deutsche Modell
»Anders ausgedrückt, es soll sich vielmehr um einen Staat unter der Aufsicht des Marktes handeln als um einen Markt unter der Aufsicht des Staates.«16 Da der Wirtschaftsliberalismus nach dem Krieg auch aus der Sicht der Westalliierten zu etwas völlig Erledigtem und nicht mehr Diskutablen geworden war, präferierten sie zum Aufbau Deutschlands und Europas eine auf wirtschaftspolitische Interventionen gestützte Marktwirtschaft, wie sie etwa in der Politik des New Deal von Roosevelt und den keynesianischen Programmen der britischen Labourparty zum Ausdruck kam.
Es kam im Falle Deutschlands jedoch anders.17 Der Wissenschaftliche Beirat bei der deutschen Wirtschaftsverwaltung gab im April 1948 die Empfehlung ab: »Der Rat ist der Ansicht, dass die Steuerungsfunktion des Wirtschaftsprozesses so weit wie möglich durch den Mechanismus der Preise gewährleistet werden soll.«18 Dem Beirat gehörten zur Hälfte dem Protestantismus nahe stehende Ordoliberale an. Seine Empfehlung war eine klare Absage an jede Plan- oder Lenkungswirtschaft und brachte den Wirtschaftsliberalismus in Deutschland wieder auf die Tagesordnung. Mit ihrer auslegungsbedürftigen Formulierung »so weit wie möglich« war die Empfehlung unbestimmt genug, um beispielsweise auch die Zustimmung eines maßgeblichen Vertreters der katholischen Soziallehre wie Oswald von Nell-Breuning gewinnen zu können. Bereits wenige Tage später, auf einer Vollversammlung des Wirtschaftsrates am 21. April 1948 in Frankfurt, griff deren Leiter Ludwig Erhard in einer viel beachteten Rede die Empfehlung seines Beirates auf: »Nur wo Freiheit und Bindung zum verpflichtenden Gesetz werden, findet der Staat die sittliche Rechtfertigung im Namen des Volkes zu sprechen und zu handeln.«19
Erhard ruft damit zunächst die bekannte Grundfigur des Wirtschaftsliberalismus auf: Die Wahrheit über den Staat erweist sich am Markt. Nur ein Staat, der die wirtschaftliche Freiheit anerkennt und Platz lässt für die Freiheit und Verantwortlichkeit der Individuen, hat das sittliche Recht, im Namen des Volkes zu sprechen. Foucault weist auf die weitreichenden Zweideutigkeiten hin, die in diesen schlichten Satz stecken und ihn wie die Gründungs- bzw. Legitimationsurkunde Nachkriegs(west)deutschlands aussehen lassen. Wohlgemerkt spricht Erhard vom sittlichen Recht, im Namen des Volkes zu agieren, nicht etwa vom juristischen. Darin steckt gleich eine zweifache »Erlaubnis des Vergessens«20. Denn die Anordnungen, Gesetze und Regelungen, die das Naziregime der deutschen Bevölkerung auferlegt hatte, waren juristisch sehr wohl als gültig anzusehen. Das bedeutet, man kann die Deutschen nicht dafür verantwortlich machen, was sie innerhalb dieses legislativen Rahmens getan haben. Andererseits hat der Nationalsozialismus jedoch rückblickend die sittlichen Rechte auf die Vertretung des Volkes verloren, da er ihm keine (wirtschaftliche) Freiheit ermöglicht hat. Folglich, so der zwingende Schluss: was im Nazismus getan wurde, »kann nicht als im Namen des deutschen Volkes geschehen betrachtet werden.«21
Ein Konsens für die Zukunft
Nur wo Freiheit und Bindung zum verpflichtenden Gesetz werden, findet der Staat die sittliche Rechtfertigung, im Namen des Volkes zu sprechen und zu handeln. Als Erhard dies proklamierte, im April 1948, gab es gar keinen deutschen Staat! Es gab nur ein besetztes und geteiltes Land ohne historische Rechte, ohne juridische Legitimität und ohne rechtmäßige Institutionen, um überhaupt einen neuen Staat zu gründen. So steckt in dem programmatischen Satz Erhards nicht nur der Dispens für die jüngste Vergangenheit, sondern auch der Konsens für die Zukunft: So wie eine Regierung ihr sittliches Recht zur Vertretung des Volkes verlieren kann, wenn sie die Freiheit verweigert, so erwirbt sie dieses Recht, wenn sie wirtschaftliche Freiheit und Verantwortlichkeit ermöglicht.
Foucault untersucht in seiner »Geburt der Biopolitik« die Regierungskunst, also das, was er »Gouvernementalität« nennt, die Art, wie regiert wird – oder besser: wie Menschen dazu gebracht werden, sich selber zu regieren. Für Nachkriegsdeutschland war dies die Idee, dass man die Legitimität des Staates auf die garantierte Ausübung einer wirtschaftlichen Freiheit gründen kann.22
Selbstverständlich waren zunächst auch taktische und strategische Überlegungen gegenüber Amerika und den europäischen Nachbarn im Spiel, die in Bezug auf einen künftigen deutschen Staat beruhigt werden mussten. Dennoch spiegelt sich jenseits aller Taktik in dem programmatischen Satz Erhards schon etwas von dem wider, was über die unmittelbare Situation von 1948 hinaus einer der Grundzüge der deutschen Gouvernementalität bleiben sollte. Das Ziel westdeutscher Wirtschaftspolitik war von Anfang an weitaus mehr, als »Wohlstand für alle« zu sichern.
Im zeitgenössischen Deutschland, so Foucault (1979), erzeugt die Wirtschaft die politische Souveränität. »Die Wirtschaft erzeugt Legitimität für den Staat, der ihr Garant ist.«23 Das ist aus historischer Perspektive ein neuer Typ liberaler Gouvernementalität, anders als im klassischen Liberalismus beispielsweise eines Adam Smith. Dieser fand einen Staat vor, dessen Legitimität nicht zu hinterfragen war. Seine Fragestellung war, wie der Staat begrenzt werden muss, um einen freien Markt zu ermöglichen. Im Nachkriegsdeutschland stellte sich die Aufgabe genau umgekehrt, nämlich den Staat von der Freiheit der Wirtschaftssubjekte her zu begründen.
Somit erzeugt und begründet die Wirtschaft in Westdeutschland noch etwas anderes als den Staat und das öffentliche Recht: »Sie erzeugt einen permanenten Konsens, einen permanenten Konsens all derer, die als Handelnde innerhalb der Wirtschaftsprozesse auftreten können. Handelnde, die Investoren, Arbeiter, Arbeitgeber und Gewerkschaften sind. Alle diese Wirtschaftspartner erzeugen, insofern sie dieses wirtschaftliche Spiel der Freiheit akzeptieren, einen Konsens, der ein politischer Konsens ist.«24
Kirche im »Konsens«
Damit wird deutlich, dass sich in Deutschland letztlich niemand, auch die Evangelische Kirche nicht, diesem Konsens zum neuen Wirtschaftsliberalismus entziehen konnte. Wer in dem neu gegründeten Staat künftig mit gestalten wollte, musste dessen Konsens akzeptieren. Zu diesem Konsens gehörte die ritualisierte Ablehnung jeder Form von wirtschaftlicher Regulierung mit starken Eingriffen in den Markt ebenso wie die Ablehnung eines punktuellen und interessengeleiteten Interventionismus, für den die Weimarer Republik als Negativreferenz galt.
Die Entschlossenheit der Evangelischen Kirche, sich daran zu beteiligen und auf diese Weise gesellschaftliche Relevanz zu erlangen, manifestierte sich schon vorab im August 1945 auf der »Kirchenführerkonferenz« von Treysa, die dann schließlich zur Gründung der EKD führte: »Unbedingt erforderlich sei, hieß es da, dass die evangelische Kirche in Deutschland anfinge ›weit stärker als bisher auf die Gestaltung des öffentlichen Lebens und insbesondere der politischen Gemeinschaft einzuwirken‹.«25 Dies konnte sie aber in den Folgejahren nur, indem sie in den liberalen gesellschaftlichen Konsens mit einstimmte26 oder aber gegen ihn opponierte. Für beides bot die Evangelische Kirche Raum – immer jedoch im Rahmen des liberalen Konsensus.
Protestantische Vorbehalte gegenüber der »Welt«?
Die Alternative wäre gewesen, als Kirche eigene Maßstäbe zu entfalten. Auch dafür bot der Protestantismus Raum. Theologisch möglicherweise im Gefolge der Dialektischen Theologie Karl Barths mit ihrem grundsätzlichen Vorbehalt gegenüber der »Welt« und ihren Idealen und Heilsbotschaften. Barths Ansatz hatte jedoch seine Grenze in der harschen Ablehnung jeder Erfahrungs- und Kulturtheologie und wurde (in Westdeutschland) nie zum Mainstream. – Das sollte diese Theologie nach dem Willen z.B. von Alfred Müller-Armack, dem Protagonisten der ordoliberal geprägten Sozialen Marktwirtschaft in den späten 1940er-Jahren, auch nicht werden. Dieser versprach sich zwar aus dem Protestantismus eine besondere moralische Unterstützung bei der Umsetzung des neuen Liberalismus, aber die Theologie Karl Barths nahm er (in späteren Jahren)27 davon ausdrücklich aus, da sie aus einer »grundsätzlichen Weltablehnung« heraus agiere und auch Begriffe wie das »christliche Abendland« oder eine »christliche Politik« »von vornherein als Widersinn« empfinde. Zudem setze sie »dem Anschluss nach links wenig Hemmungen« entgegen. Bezüglich dieser Theologie bestehe kaum Aussicht auf ein »irenisches Zusammenwirken«.28
Aber nicht nur die Evangelische Kirche, nicht nur die Wohlfahrtsverbände, auch die SPD und schließlich die Gewerkschaften stimmten früher oder später dem staatstragenden, ordoliberalen Konsens zu. Als Belohnung durfte die SPD einige Jahre nach Godesberg und dem Bekenntnis Karl Schillers zur Synthese von Ordoliberalismus und Keynsianismus verbunden mit der Absage an jedwede geplante Wirtschaft die Regierung bilden.29
Der Evangelischen Kirche in Deutschland wurde die Zustimmung zum staatlichen Gründungskonsens in Westdeutschland auch deshalb erleichtert, weil sie sich – anders als die katholische Konfession oder die Freikirchen – nie als klares Gegenüber des Staates wahrgenommen hatte. Sie blickte auf eine lange Tradition landesherrlicher Regimenter zurück: Der »Protestantismus« nahm seinen Anfang bekanntlich durch eine Protestation »von oben«, nämlich der evangelischen Fürsten und Stände auf dem Reichstag zu Speyer. Diese Tradition der Verflechtung von Staat und Kirche setzte sich letztendlich fort bis 1918.
Was weite Teile des deutschen Protestantismus dann später nach der Machtergreifung der Nazis ansprach, »war die Zuversicht auf die Wiederherstellung des vertrauten Modells eines starken Staates, der in der Zusammenarbeit mit einer angesehenen und einflussreichen evangelischen Kirche die Untertanen leitet.«30 Genau dies war es auch, was das ordoliberale Konzept erwarten ließ: einen starken Staat, in dem die evangelische Kirche eine angesehene und einflussreiche Stellung einnehmen würde.
In West und Ost: auf der Suche nach einer »übergreifenden Sozialidee«
Wie kann eine auf den Wettbewerb gegründete Gesellschaft zusammengehalten werden? Die deutschen Ordoliberalen hatten – anders als ihre angelsächsischen Kollegen – durch ihre kritische Auseinandersetzung mit dem klassischen Liberalismus ein Verständnis für das gravierende Problem des Wettbewerbsprinzips entwickelt. Wettbewerb ist nach ihrer Auffassung zwar das einzig taugliche Ordnungsprinzip, aber es hat eine unerwünschte Nebenwirkung: Wettbewerb zersetzt die Gesellschaft, er fördert letztlich nicht ihre Bindungskräfte, sondern zerstört sie. Damit die Gesellschaft also nicht in »hungrige Interessenhaufen« zerfällt, braucht sie nach ordoliberaler Auffassung kompensatorische Ordnungen aus anderen Bereichen des Sozialen.
Genau für diese Aufgabe, die Sicherstellung einer »übergreifenden Sozialidee« der Wettbewerbswirtschaft möchte Alfred Müller-Armack auch den deutschen Protestantismus aktivieren: Religion soll mithelfen, die von ihren Voraussetzungen her instabile Wettbewerbswirtschaft zu stabilisieren. Es sei daran erinnert, dass Müller-Armack das »sozial« in seiner später so erfolgreichen Wortprägung der »sozialen Marktwirtschaft« ursprünglich genau in diesem Sinne versteht. Es ging ihm zunächst keineswegs um eine sozialstaatlich abgefederte Wettbewerbswirtschaft, sondern um eine »bewusst sozial gesteuerte«, d.h. durch einen klug organisierten politisch-moralischen »Support« getragene Marktwirtschaft.31
Bemerkenswerterweise unterschieden sich die Ordoliberalen im Westen hinsichtlich einer so verstandenen »sozialen Steuerung« nicht wesentlich von den Ideologen im Osten Deutschlands, obwohl sie ganz unterschiedliche Wirtschaftssysteme präferierten. Auch in der ehemaligen DDR war die »Partei- und Staatsführung« ständig und mit allen Mitteln bemüht, eine übergreifende Sozialidee zu installieren. Der Sozialismus, so die Grundüberzeugung seiner Theoretiker, stellt sich – genau wie das Wettbewerbsprinzip für die Ordoliberalen – nicht von alleine ein, sondern benötigt ein unentwegtes Regierungshandeln und zudem die Unterstützung »aller gesellschaftlichen Kräfte« bis hinunter auf die Ebene der menschlichen Subjekte: Der Sozialismus, damit es ihn geben könne, so hieß es, erfordere einen Menschen neuen Typs, nämlich die »sozialistische Persönlichkeit«. Ganz analog dazu bildet die Figur des »unternehmerische Selbst« seit den 1990er Jahren ebenfalls die Forderung nach einem »Menschen neuen Typs« ab – nur eben mit umgekehrtem Vorzeichen.
Letztlich produzierte der Ordoliberalismus im Westen Deutschlands somit eine vergleichbare Unausweichlichkeit wie die von ihr verfemte Planwirtschaft im Osten. Ein Ausweg, ein eigener Weg scheint für die Evangelische Kirche auch im wiedervereinigten Deutschland schlichtweg undenkbar zu sein: there ist no alternative. Spielte diese Tatsache bei der Aufarbeitung der Geschichte der Evangelischen Kirche in den beiden deutschen Staaten je eine Rolle?
Neue Herausforderungen für die Kirchen im vereinigten Deutschland ergeben sich, nachdem der beinahe selber schon wieder »klassisch« zu nennende deutsche Ordoliberalismus – wie auch die Gesellschaft insgesamt – der Wirkmächtigkeit des US-amerikanischen Neoliberalismus erlag.
Die konsequent marktkonforme Gesellschaft der 1990er Jahre und ihre Folgen
Schon die ordoliberalen Theoretiker der Sozialen Marktwirtschaft strebten eine marktkonforme Gesellschaft an, »einen Staat unter der Aufsicht des Marktes«, wie aus der Analyse Foucaults deutlich wird. Sie blieben jedoch in der Doppeldeutigkeit stecken, dass der Wettbewerb ihrer Auffassung nach als Ordnungsprinzip zwar perfekt ist, letztlich aber die Gesellschaft auseinander sprengt. Um den notwendigen Rahmen zu geben, ist politisch ein starker und neutraler Staat erforderlich, der eine »übergreifende Sozialidee« der Marktgesellschaft durchsetzen kann.
Der amerikanische Neoliberalismus, der in den 1990er Jahren auch in Deutschland wirksam wurde, vermeidet diese – aus seiner Sicht – Inkonsequenz. Er erreicht dies, indem er seinen Unternehmensbegriff bis auf die Ebene des Individuums ausweitet. In der konsequent marktförmigen Gesellschaft ist das Individuum die kleineste Wirtschaftseinheit und der Wirtschaftsliberalismus »allgemeiner Stil des Denkens«32. Die Frage nach einer »übergreifenden Sozialidee« stellt sich in diesem Denksystem nicht mehr. Der Wettbewerb selber ist zum allgemeingültigen Prinzip und Beschreibungsmodell für alles menschliche Handeln geworden. Für jede Ebene der Gesellschaft gilt der Imperativ Handle unternehmerisch! Was vielfach als Neuerung der 1990er Jahre empfunden wird, ist im Grunde jedoch nichts weiter als die konsequente Weiterführung und Umsetzung des ordoliberalen Programms.
Der moderne homo oeconomicus
Der amerikanische Neoliberalismus, so Foucault, hat eine Idee »auf die Spitze getrieben«, die bereits im deutschen Ordoliberalismus vorhanden war: »Eine Wirtschaft, die aus Unternehmenseinheiten besteht, eine Gesellschaft aus Unternehmenseinheiten.«33 Es ist dies, so Foucault, eine Weiterentwicklung des klassischen homo oeconomicus, der aus seiner Rolle des Konsumenten herauswächst und zum »Unternehmer seiner selbst« wird: »der für sich selbst sein eigenes Kapital ist, sein eigener Produzent, seine eigene Einkommensquelle.«34 Alle Konsumentscheidungen, die der Mensch trifft, sind zugleich Investitionen in sein »Humankapital«.
Der »Unternehmensbereich« jeden Individuums betrifft nicht nur seine wirtschaftliche, sondern buchstäblich seine gesamte Existenz. So auch die komplette Daseinsvorsorge von der Altersvorsorge bis hin zur persönlichen Gesundheit. Auch die Investitionen in den Nachwuchs werden zur Unternehmensentscheidung nach Rentabilitätsgesichtspunkten ebenso wie die Entscheidung über Investitionen in Coaching, Kosmetik und Kleidung.
Die Forderung, die eigene Existenz wie ein Wirtschaftsunternehmen zu organisieren, setzt voraus, dass ökonomische Deutungsmuster auch auf Lebensbereiche ausgedehnt werden, die traditionell aus gutem Grund nicht der Ökonomie zugerechnet werden. Garry S. Becker, einer der Begründer der Humankapitaltheorie, hat deren, wie er selber sagt, »ökonomischen Imperialismus« auf den Punkt gebracht: »Ökonomen können nicht nur über den Bedarf an Autos sprechen, sondern auch über Themen wie Familie, Diskriminierung und Religion, über Vorurteile, Schuld und Liebe.«35
Das Wettbewerbsprinzip, das nach ordoliberaler Auffassung die Kultur und Gesellschaft zersetzt und daher »eingerahmt« werden muss, ist im angelsächsischen Liberalismus, der sich auch in Deutschland durchgesetzt hat, zum universellen Prinzip geworden: Es gibt keine Gesellschaft, es gibt nur Individuen. Die Vorlage für dieses Umdenken gab August von Hayek. Dieser deutete den Wettbewerbsmechanismus positiv als evolutionären Prozess, der sich auch unabhängig vom Willen der Akteure seinen Weg bahnt.
Der christlichen Botschaft wesensfremd
Die Evangelische Kirche in Deutschland bindet sich in ihren offiziellen Verlautbarungen zwar immer noch an den klassischen Ordoliberalismus. Tatsächlich aber hat auch hier, in der Kirche selbst, unübersehbar bereits ein neues Denken Raum gegriffen und die allgegenwärtige Subjektivierungsfigur des »unternehmerischen Selbst« ist in der Kirche präsent, wie die gründliche Diskursanalyse von Birgit Klostermeier zeigt.36 Die Übernahme dieses für die christliche Botschaft vollkommen wesensfremden Narrativs trägt zweifellos mit zu dem Eindruck bei, dass Kirche nur ein »weltanschauliches Grundrauschen« verstärkt, nur ein Echo ist und keine Orientierung.
So ist es der universalistische Hayek’sche Liberalismus, der in Deutschland heute tonangebend geworden ist, nicht der traditionell immer noch beschworene Ordoliberalismus.37 Gleichzeitig ist der neue Liberalismus aber durchaus schon im Ordoliberalismus angelegt. Ein kritischer Umgang mit dieser Situation ist dringend notwendig. Denn es zeigt sich, dass das zum universalen Prinzip erhobene und gleichzeitig auf die Subjektebene heruntergebrochene Wettbewerbsprinzip genau die verheerenden Folgen hat, wie sie die klassischen Ordoliberalen durchaus noch im Blick hatten: Er zersetzt die Kultur und sprengt die Gesellschaft in »hungrige Interessenhaufen« auseinander.
Doch dabei bleibt es nicht! Denn ohne wie auch immer geartete Gruppenbildungen, ohne die Klammer gemeinsamer Ideale können auch moderne neoliberale Staaten auf Dauer nicht funktionieren. Wie schon lange vorhergesagt38 provoziert die neoliberale Zerstörung bewährter Formen von Solidarität neue Sammlungsbewegungen und »übergreifende Sozialideen«, die Einfallstore sind für das Wiederaufleben offen autoritärer, gewalttätiger und nationalistischer Ideologie und Politik – auch in Ländern, die bisher als Garanten für Freiheit und Demokratie galten.
Literatur
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Bröckling, Ulrich (2017): Gute Hirten führen sanft. Über Menschenregierungskünste, Berlin
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Anmerkungen:
* Dies ist der vom Autor stark gekürzte und überarbeitete Artikel Kehnscherper (2018).
1 Kissler (2015).
2 Deutschmann (2018), 5.
3 Reuter (2010), 74.
4 Z.B. in der Sao-Paulo-Erklärung von 2012, vgl. Segbers/Wiesgickl (2015), 10ff.
5 ÖRK-Vollversammlung in Busan, Südkorea 2013.
6 Gemeint ist das päpstliche Schreiben »Evangelii gaudium« von 2013 mit dem Satz: »Diese Wirtschaft tötet.«
7 Segbers Segbers/Wiesgickl (2015), 12.f
8 Ptak (2018), 21ff.
9 Die Vorlesungen Foucaults am Collège de France von 1978/79 haben in diesem Zusammenhang bisher nicht ausreichend Beachtung gefunden. Dies mag auch daran liegen, dass die entsprechenden Texte in Frankreich erst seit 2004, in Deutschland erst seit 2006 unter dem Titel »Die Geschichte der Biopolitik« veröffentlicht sind.
10 Jürgens/Hoffmann/Schildmann (2017), 204 (Hervorhebung im Original).
11 »Lasst uns machen!«, Rüstow (2001), 165ff; Foucault (2006), 40.
12 Vgl. dazu ausführlicher Harvey (2007). Harvey weist u.a. darauf hin, dass ein erstes Experimentierfeld zur Installation eines konsequent neoliberalen Staates 1973 Chile nach dem Militärputsch von General Pinochet war. (15ff).
13 Rüstow (2001), 78.
14 Vgl. Luther (1524); Foucault (2017), 53f; Über das Marktverständnis im Spätmittelalter und über dessen Depersonalisierung zu einem anonymen Mechanismus s. ausführlich Fleischmann (2018), 63ff.
15 Rüstow (2001), 25.
16 Foucault (2017), 168.
17 Ptak (2004), 233ff.
18 Zitat nach Foucault (2017), 119.
19 Zit. a.a.O., Anm. S. 143.
20 A.a.O., 126.
21 A.a.O., 121.
22 A.a.O., 122.
23 A.a.O., 124.
24 Ebd.
25 Greschat (2010), 15.
26 Auch 2008 noch, etliche Jahre nach dem Ende der real existierenden Planwirtschaft, funktionieren in der EKD-Denkschrift »Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive« (13) immer noch die inzwischen ritualisierten alten Schablonen: »Die in Deutschland entwickelte gesellschaftspolitische Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft als Gegenentwurf sowohl zu planwirtschaftlichen als auch zu rein wirtschaftsliberalen Vorstellungen …«.
27 Anders noch zwei Jahre zuvor im »Jahrhundert ohne Gott« (1948), 172: dort würdigt Müller-Armack namentlich die Theologie Karl Barths, Friedrich Gogartens und Emil Brunners als positive Beispiele einer Theologie, »die primär dies, und nicht allgemeine Kulturwissenschaft sein will« und daher in der Lage sei, den geistigen Rahmen für eine liberale Wirtschaftsform abzugeben.
28 Müller-Armack: Soziale Irenik (1950) in: Müller-Armack 1968, 569f.
29 Vgl. zu Gewerkschaften und SPD ausführlich Foucault (2017), 128ff.
30 Greschat (1994), 99.
31 Ptak (2004), (2018); auch Wehler (2014), 26f.
32 Foucault (2017), 305.
33 Ebd.
34 Ebd.
35 Zit. bei Bröckling (2013), 86, Anm.
36 Klostermeier (2011).
37 Deutschmann (2018), 8.
38 Als Beispiele nennt Harvey (2007) u.a. Karl Polanyi 1944 (49ff), die Organisatoren des Weltwirtschaftsforums in Davos (!) 1996 (103); 2004 warnt David Harvey selber eindringlich, »dass diese Entwicklung konkurrierende und vielleicht sogar kriegsbereite Nationalismen hervorbringt.« (110) – Möge er in diesem Punkt irren!
Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 6/2019