Fulda, 25.9.2006. In seinem Vorstandsbericht vor der Mitgliederversammlung des Verbandes evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland e.V. am 25.9.2006 in Fulda stellte der Vorsitzende des Verbandes, Pfarrer Klaus Weber (Altenkunstadt), die gegenwärtige Situation der evangelischen Kirche und die Lage der Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland in den Mittelpunkt.

Das Plakat zum Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrtag 2006 in Fulda (Gestaltung: www.michal-spielhagen.de).

Das gute Image der evangelischen Kirche habe sich in den letzten Jahren nicht verändert. Die Kirche habe trotz empfindlicher Austritte eine hohe Stabilität, sagte Weber unter Verweis auf die 4. Mitgliedschaftsuntersuchung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die im Februar 2006 veröffentlicht wurde. Ein hohes Wachstumspotential sieht Weber in den fünf Millionen Menschen, die aus der evangelischen Kirche in den letzten 25 Jahren ausgetreten sind. Die meisten der heute Konfesssionslosen hätten durch Taufe und Konfirmation noch einen lebensgeschichtlichen Bezug zur Kirche. Der Vorsitzende forderte dazu auf, die kirchliche Arbeit neu auf die Menschen auszurichten, die nach ihrer eigenen Identität und Halt suchen. Ihnen gelte es in der Kirche eine Heimat zu geben.

 

 

 

EKD-Perspektivpapier gibt wichtige Anstöße zum "Wachsen gegen den Trend"

Eingehend setzte sich der Vorsitzende in seinem Bericht vor der Mitgliederversammlung mit dem Impulspapier des Rates der EKD "Kirche der Freiheit - Perspektiven für die Evangelische Kirche im 21. Jahrhundert" auseinander. Weber begrüßte ausdrücklich die Anerkennung der "Schlüsselpositionen der Pfarrerinnen und Pfarrer für die kirchliche Arbeit und für das Bild der Kirche in der Öffentlichkeit". Die von Pfarrern geleistete Arbeit werde in dem Papier weitgehend positiv gewürdigt. Konsequent und folgerichtig werde dort auch eine unterproportionale Kürzung der Pfarrstellen im Verhältnis zur Mitgliederzahl vorgeschlagen.
Auch die Hervorhebung der kirchlichen Kernangebote, vor allem der Kasualien wie Taufe, Trauung, Bestattung, etc. finde die uneingeschränkte Zustimmung der deutschen Pfarrerschaft. Bei den kirchlichen Amtshandlungen könnten Menschen mit unterschiedlicher Nähe zur Kirche sehr gut erreicht werden, so Weber. Insgesamt sei sehr erfreulich, dass die EKD zu einem "Wachsen gegen den Trend" ermutige und damit einen überfälligen Mentalitäts- und Richtungswechsel anstoße.

Gegen Rückzug aus Gemeinden vor Ort / Ehrenamtliche können kein billiger Ersatz für Hauptamtliche sein

Deutliche Kritik übte Weber an manchen "Ungereimtheiten" des Perspektivpapiers: So werde einerseits ein "Wachsen gegen den Trend" propagiert, andererseits "eher ein Abschied von der Volkskirche" beschrieben, so der Vorsitzende. Weber wandte sich gegen einen Rückzug aus den Gemeinden vor Ort und forderte die EKD auf, stärker die regionalen Besonderheiten wahrzunehmen: "Vielleicht fällt es aus dem Blickwinkel der EKD schwer, die Besonderheiten der einzelnen Landeskirchen und Regionen noch wahrzunehmen, aber dieser differenzierte Blickwinkel ist nötig, wenn man tatsächlich die richtigen Perspektiven für die evangelische Kirche im 21. Jahrhundert, die sich - noch immer und sicher auch weiterhin - in unterschiedlichen Landeskirchen darstellt, entwickeln und Leuchtfeuer auf dem Weg in die Zukunft anzünden möchte", sagte Weber wörtlich.
Überrascht zeigte sich Weber von der Forderung nach mehr Qualitätskontrollen für die Arbeit der Pfarrerinnen und Pfarrer. Es sei doch bekannt, so Weber, dass deren Tätigkeit sich nicht mit betriebswirtschaftlichen Qualitätsstandards vollständig ausdrücken und beschreiben lasse. Zu den Ungereimtheiten des EKD-Papiers gehöre auch, dass auf der einen Seite Qualitätsstandards für die Arbeit der Pfarrer gefordert, an anderer Stelle aber die Ausweitung der ehrenamtlichen Prädikanten- und Lektorendienste empfohlen werde. "Ehrenamtliche können und dürfen aber kein billiger Ersatz für Hauptamtliche sein, für die in den kirchlichen Haushalten das Geld fehlt. Wer Ehrenamtliche für Aufgaben meint einsetzen zu können, für die sie nicht ausreichend ausgebildet sind, der nimmt auf der einen Seite die Ehrenamtlichen nicht ernst und diskreditiert auf der anderen Seite den Berufsstand, den sie ersetzen sollen", betonte Weber.

Zukunft der Kirche ist ökumenisch

Mit Blick auf die zeitgleich in Fulda tagende Herbstvollversammlung der Deutschen Katholischen Bischofskonferenz kritisierte Weber, dass die ökumenische Perspektive im Perspektivpapier der EKD zu kurz komme: "Konfessionsverschiedene Ehepaare verstehen immer weniger, dass sie nicht gemeinsam zur Kommunion gehen können. Wie wollen wir Menschen auf der Suche Heimat in der Kirche geben, wenn wir sie auf getrennte Wege führen?" fragte Weber. Angesichts der globalen Herausforderungen sei der Zusammenhalt der Christen von existenzieller Bedeutung. "Nur wenn wir mit einer Stimme sprechen, werden wir Gehör finden", unterstrich der Verbandsvorsitzende in Fulda. Vor dem Hintergrund, dass die Deutsche Katholische Bischofskonferenz und der Deutsche Pfarrertag in einer Stadt zur gleichen Zeit tagen, ohne sich zu begegnen und wahrzunehmen, sagte Weber: "Es bleibt ein Stachel, der uns nicht zur Ruhe kommen lassen darf: Die Zukunft der Kirche ist ökumenisch!"

Neue Lösungen bei Konflikten zwischen Pfarrer und Gemeinde angemahnt

Im Blick auf die in vielen Landeskirchen zunehmende Zahl von "Nichtgedeihlichkeitsverfahren", in deren Verlauf Pfarrer häufig in den Wartestand versetzt würden, mahnte Weber andere Konzepte der Krisenbewältigung an: "Es muss alles versucht werden, um diese Verfahren zu vermeiden oder abzuwenden. Wir brauchen hierfür ein Konzept für eine frühzeitige Krisenintervention", sagte Weber. Wichtige Elemente seien neben den Jahresgesprächen die Supervision, Mediation und Gemeindeberatung. Den Superintendentinnen und Superintendenten, den Dekaninnen und Dekanen komme dabei eine besondere Verantwortung zu. Sie müssten früher als bisher auf sich entwickelnde Konflikte zwischen Pfarrerinnen und Pfarrern und Kirchenvorständen in einer Gemeinde Einfluss nehmen und hierfür ausgebildet werden. Zudem sollte bei Ablehnung einer Konflikt bereinigenden Maßnahme durch den Kirchenvorstand  bzw. das Presbyterium durch gesetzliche Regelung auch die Abberufung und die Neuwahl von Kirchenvorstand / Presbyterium eröffnet werden. Ein Nichtgedeihlichkeitsverfahren dürfe - weil dabei keine Schuld, sondern nur eine Zerrüttung festgestellt wird - nicht in den Wartestand, sondern müsse immer in eine neue Stelle führen, forderte der Vorsitzende.

Thesen zur Ordination / Evangelische Partnerhilfe in neuer Organisationsform

Weber legte der Mitgliederversammlung auch die vom Verbandsvorstand beschlossenen Thesen zur Ordination vor, die den hohen Stellenwert der "theologischen Kompetenz" für den Beruf der Pfarrerin und des Pfarrers unterstreichen. "Es kann nicht darum gehen, durch die Vorstellung einer ‚gemeinsamen Ordination' alle kirchlichen Berufe auf vordergründige und unsachgemäße Weise gleichzustellen" zitierte Weber aus den einführenden Bemerkungen zu den Thesen. "Vielmehr ergänzen sich diese in den unterschiedlichen Bereichen der kirchlichen Arbeit mit je spezifischem, und deshalb klar unterscheidbarem Profil. Die für die zukünftige Arbeit nötige stärkere Profilierung der einzelnen kirchlichen Berufe kann somit gerade nicht über die Ordination als Beauftragung zum Verkündigungsamt sichtbar gemacht werden, sondern verlangt nach anderen Formen" heißt es dort weiter.

Abschließend berichtete Weber, dass die Aktion "Evangelische Partnerhilfe", die bisher unter der Geschäftsführung des Diakonischen Werkes der EKD arbeitete, seit Dezember 2005 in der Rechtsform eines eigenständigen Vereins organisiert sei.
Die Evangelische Partnerhilfe wolle auch weiterhin eine individuelle Hilfsaktion von Mensch zu Mensch sein, die ohne großen organisatorischen und finanziellen Aufwand die eingegangenen Spenden an die Partnerkirchen in Mittel- und Osteuropa weiterreicht.

(Christian Fischer, Pressereferat)