Dessau, 29.9.09 (cf). Der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Vereine evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland e.V., Pfarrer Klaus Weber (Altenkunstadt), hat vor der Mitgliederversammlung des Verbandes in Dessau eindringlich eine Verbesserung der Rahmenbedingungen im pfarramtlichen Dienst gefordert. "Die Anforderungen an die Pfarrerinnen und Pfarrer wurden in den letzten Jahren immer höher geschraubt, die Einkommen sind aber im gleichen Zeitraum gesunken", sagte Weber. Mit Blick auf die Zahl der Theologiestudierenden fügte er hinzu: "Wenn sich die Stimmung und die Rahmenbedingungen nicht ändern, wird der Nachwuchs weiter ausbleiben."

Veranstaltungsort der Mitgliederver-
sammlung: Dessau in Sachsen-Anhalt. (Foto: Stadtarchiv Dessau-Roßlau)

Der Vorsitzende referierte vor der Mitgliederversammlung, dass sich heute bundesweit nur noch 2.180 Studierende auf den Pfarrberuf vorbereiten - gegenüber 11.000 in den 80er Jahren. Demgegenüber ständen enorme Ruhestandsversetzungen in den Jahren ab 2020. So würden allein in Bayern zwischen den Jahren 2020 und 2030 über 1.000 der 2.500 aktiven Pfarrerinnen und Pfarrer aus dem aktiven Dienst ausscheiden. "Wie sollen dann die noch verbliebenen Pfarrerinnen und Pfarrer die ganze Arbeit leisten können, die heute schon erdrückend und unüberschaubar geworden ist?" fragte Weber. Er kritisierte in diesem Zusammenhang auch die Praxis mancher Landeskirchen, nur noch einen Teil der examinierten Theologiestudierenden in den Dienst zu übernehmen und durch restriktive Aufnahmepolitik den Eindruck zu erwecken, als sei man am Nachwuchs nicht besonders interessiert.

Alltag der Pfarrerinnen und Pfarrer: Immer neue und höhere Anforderungen führen zu Stress

Ausführlich ging Weber auf die schwierigen Rahmenbedingungen ein, unter denen Pfarrerinnen und Pfarrer heute ihren Dienst gestalten müssen. So habe die Bandbreite des Dienstes ständig zugenommen, neue Formen der Verkündigung erforderten viel Zeit, die abnehmende religiöse und kirchliche Sozialisation verlange zeitaufwendigere Vorbereitungen von Konfirmanden- und Religionsunterricht. Die Verwaltungsaufgaben nehmen, so Weber, einen immer breiteren Raum ein, häufig müsse über zwanzig Prozent der Arbeitskraft hierfür eingesetzt werden. Durch den Pfarrstellenabbau müssten die Pfarrerinnen und Pfarrer in den Gemeinden längere Wege zurücklegen und mit immer mehr Gremien zusammenarbeiten. Hinzu komme, dass von den Pfarrerinnen und Pfarrern zunehmend erwartet werde, dass sie den Trend des Mitgliederverlustes umkehren und neue Einnahmequellen für die Kirche erschließen. Weber machte sich in diesem Zusammenhang Kritik an dem Reformpapier der Evangelischen Kirche in Deutschland zu eigen: Dieses Papier sei von einem "Innovations- und Steigerungsstress" gekennzeichnet, der auf Dauer auslaugt, erschöpft und frustriert, betonte der Vorsitzende.

Hohe Arbeitszeit – Konflikte mit Kirchenvorstand und Kollegen

Eine deutliche Diskrepanz sieht Weber zwischen der durchschnittlichen Arbeitszeit im pfarramtlichen Dienst von 55 bis 65 Stunden einerseits und der Bezahlung andererseits. "Wir mögen wohl von der Funktion und der Arbeitszeit her leitende geistliche Mitarbeitende sein. Wenn es um das Gehalt geht, dann aber wohl eher nicht. Da liegen wir um ein Vielfaches unter dem Gehalt von leitenden Angestellten", sagte Weber. Er forderte die Kirchenleitungen auf, Kürzungen der Gehälter wieder rückgängig zu machen, beispielsweise die Absenkung der Eingangsbesoldung, das Hinausschieben von Höhergruppierungen und das Streichen von Sonderzuwendungen.

Sorge bereite auch, dass die Zusammenarbeit von Pfarrerinnen und Pfarrern untereinander und mit Mitarbeitenden in Gemeinden zum Teil große Probleme bereite und es zu Konflikten komme. Der Verband werde sich dieses Themas stärker annehmen. Ziel müsse sein, Konflikte frühzeitig zu erkennen und zu bearbeiten. Wenn sich ein Konflikt in der Gemeinde nicht lösen lasse, dürfe dies nicht nur zu Lasten des Pfarrers oder der Pfarrerin gehen, forderte Weber. Es gelte, gesetzliche Regelungen zu schaffen, "die es ermöglichen, dass auch einzelne Mitglieder des Leitungsgremiums oder der gesamte Kirchenvorstand zurücktreten müssen", so Weber vor der Versammlung. Er begrüßte in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass der umstrittene Begriff der  "Nichtgedeihlichkeit" im Entwurf des neuen EKD-Pfarrerdienstgesetzes nicht mehr verwendet wird.

Neues Pfarrerdienstgesetz der EKD: Lob für Zusammenarbeit mit EKD, Kritik an starren Regelungen zu Präsenzpflicht und Stellenwechsel

Lobend äußerte sich der Vorsitzende über die gute Zusammenarbeit in der Dienstrechtlichen Kommission der EKD bei den Beratungen des neuen EKD-Pfarrerdienstgesetzes. Auch wenn das neue Dienstgesetz nicht alle begeistere, so sei es doch lohnender Versuch, den Dienst weitgehend einheitlich zu regeln und zu gestalten. Der Verband sei mit den Gliedkirchen aufgefordert, bis zum 15. April 2010 Stellungnahmen, Vorschläge und Anregungen an das Kirchenamt der EKD zu senden.

Bezüglich des Themas "Präsenzpflicht" im neuen Pfarrerdienstgesetz warnte Weber davor, zu starre Gesetzesformulierungen zu verwenden, die kreative und effektive praxisbezogene Regelungen verhindern oder einschränken. Im Kern gehe es darum, dass die Menschen in der Gemeinde wissen, wo man einen Pfarrer erreicht und wie die Vertretung geregelt ist, so Weber. Wichtig sei auch, dass in Notsituationen immer ein Ansprechpartner zur Verfügung stehe. Modelle der Rufbereitschaft wie etwa bei Ärzten hätten hier schon in einigen Regionen mit Erfolg praktiziert werden können. Überzogene Anforderungen an die Präsenzpflicht seien hier nicht angebracht.

Beim neuen Dienstrecht stehe auch die Entscheidung an, ob es im kirchlichen Interesse sei, eine Versetzungsmöglichkeit für Pfarrerinnen und Pfarrer nach 10 bis 15 Jahren in einer Gemeinde vorzusehen. Weber lehnte hier eine klare Fristenregelung ab, da der Verbandsvorstand ein kirchliches Interesse an einer Versetzung nicht sehe. Zwar könne ein solcher Wechsel durchaus sinnvoll sein, die Frage sollte jedoch ihren Ort in den Bereichen der Personalführung und der Visitation haben.

Neues Erscheinungsbild des Verbandes – Einladung zum Pfarrertag nach Rostock

Zufrieden zeigte sich Weber mit der Neustrukturierung des Verbandes. Die Arbeiten an der neuen Satzung konnten abgeschlossen werden, die Aufstockung der Stelle des Schriftleiters des Deutschen Pfarrerblattes habe sich bewährt und der "Corporate-Design-Prozess" konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Der Verband sei jetzt mit einem neuen und einheitlichen Erscheinungsbild im Deutschen Pfarrerblatt, im Pfarramtskalender, im Internet sowie auf Ausstellungen und Messen präsent.

Weber lud die Delegierten zum nächsten Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrertag ein, den der Verband für 2010 vorbereitet. Das Motto "Die evangelische Kirche und die soziale Frage" nehme die Probleme der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise auf. Der Pfarrerinnen- und Pfarrertag soll vom 19. bis 22. September 2010 in Rostock stattfinden und in einem Gebiet mit hoher Arbeitslosigkeit nach den Chancen und Schwerpunkten kirchlicher Arbeit in dieser Situation fragen und kirchliche Angebote vor Ort kennenlernen.