Hannover, 17.9.2012. In seinem Vorstandsbericht vor der Mitgliederversammlung des Verbandes evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland e.V. am 17.9.2012 in Hannover stellte der Vorsitzende des Verbandes, Pfarrer Thomas Jakubowski (Schifferstadt), das in der Entwicklung befindliche neue Berufsbild für Pfarrerinnen und Pfarrer in den Mittelpunkt.

Pfarrerverbandsvorsitzender Thomas Jakubowski vor der Mitgliederversammlung in Hannover. (Foto: Schauderna)

"Pfarrerinnen und Pfarrer brauchen Freiheit und Begrenzung in ihrem Dienst, damit die Hingabe im Dienst nicht die Substanz verzehrt", sagte Jakubowski vor den 100 Delegierten aus den Mitgliedsvereinen. Der Pfarrdienst müsse "interessant für die Zukunft, erträglich für die Gegenwart und erfolgreich im Rückblick" sein, forderte Jakubowski und fügte hinzu: "Ich warne aus eigener Erfahrung vor einer ständigen Unterordnung der eigenen Bedürfnisse unter die Notwendigkeiten des Pfarrdienstes. Ich warne aber auch vor einer Funktionalisierung und zeitlichen Eingrenzung des Dienstes". Jakubowski rief demgegenüber dazu auf, die Balance zwischen Arbeit und Leben in aller protestantischen Freiheit zu finden. Ziel müsse eine stärkere Berufszufriedenheit sein.

Berufsbild "Pfarrerin und Pfarrer" gibt Anstoß zur Diskussion in Vereinen

Der Pfarrdienst benötige eine "positive Definition", so der Vorsitzende in Hannover. Es könne nicht darum gehen, die eigene Kraft in der Hingabe zu verbrauchen, sondern nötig seien "sowohl innere als auch äußere Kräftigung". Auch Pfarrerinnen und Pfarrer hätten ein Anrecht auf "Berufszufriedenheit". Aus diesen Gründen hätte der Vorstand auch das Thema des "Berufsbildes" aufgegriffen und den Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrertag in Hannover unter das Motto: "Welche Pfarrerinnen und Pfarrer braucht das Land?" gestellt.

Ganz bewusst habe sich der Verband gegen ein Leitbild für den Pfarrberuf entschieden. Ein Leitbild werde "von einer Unternehmensführung vorgegeben, als Vorgabe kommuniziert und dann unter Androhung von Sanktionen eingefordert", so Jakubowski. Demgegenüber entstehe ein Berufsbild "diskursiv in der Beschreibung von Situationen und Problemen" und werde somit der Wirklichkeit gerechter. Der Verband werde eine Diskussion zum Berufsbild anregen. Dieses Berufsbild solle zunächst in den Vereinen beraten und dann zu einer Vorlage des Verbandes weiterentwickelt werden. Mit dieser Vorlage wolle man dann mit den Kirchenleitungen ins Gespräch kommen, sagte der Vorsitzende.

"Pflichtenraum", "Bildungsraum" und "Freiraum" als Bedingungen für Gelingen des Dienstes

In der gegenwärtigen Diskussion um das Berufsbild werden im Verband "drei Räume" der Existenz eines Pfarrers und einer Pfarrerin unterschieden, erläuterte Jakubowski. Neben dem "Pflichtenraum" werde vom einem "Bildungsraum" und einem "Freiraum" gesprochen.

Der "Pflichtenraum" erinnere an die konstitutiven Elemente des Pfarrdienstes, die in den unterschiedlichen Arbeitsfeldern immer ein zentrales Ziel hätten, nämlich die Kommunikation des Evangeliums in Wort und Tat, referierte der Vorsitzende.

Der "Bildungsraum" stehe für die Möglichkeit und zugleich Notwendigkeit der persönlichen Schwerpunktsetzung, der Fort- und Weiterbildung sowie der Spezialisierung. Dieser zweite Raum benötige Absprachen und Vereinbarungen mit Vorgesetzten bzw. Kirchenleitungen, erläuterte er.

Der "Freiraum" schließlich thematisiere die "Notwendigkeit, Freiräume zu erleben, Zeit und Möglichkeiten zu haben, um als (Christen-)Mensch ganzheitlich verantwortlich für Familie und Gesellschaft in Beziehungen leben zu können". Die drei Räume ordneten sich nicht einander unter, sondern bedingten sich gegenseitig, erklärte Jakubowski.

Gelingende Bedingungen für den Pfarrerdienst

Zusammenfassend sagte Jakubowski, ein solches Berufsbild trage der Erkenntnis Rechnung, dass die Zeit- und Kraftressourcen der Pfarrerinnen und Pfarrer begrenzt seien. Es gelte, die Pfarrerinnen und Pfarrer vor unmenschlicher Arbeitsverdichtung aufgrund fortschreitender Reduzierung von Pfarrstellen zu schützen und zugleich die Konzentration auf die Kernaufgaben des kirchlichen Dienstes zu erleichtern, so Jakubowski. Nur so könne die geistliche Dimension des Pfarrdienstes erhalten und gestärkt werden. Durch das Berufsbild sollten unterschiedliche Arbeitsbereiche und Arbeitsstile im Pfarrdienst ermöglicht werden. In der Zukunft würde damit der Pfarrberuf für die aktiven Pfarrerinnen und Pfarrer so gestaltbar, "dass möglichst niemand am Amt bzw. im Dienst zerbricht oder ausbrennt!" sagte der Vorsitzende.

Der Pfarrdienst könne dann gelingen, wenn Pfarrbezirke und Arbeitsbereiche von Pfarrerinnen und Pfarrern einen zumutbaren Umfang hätten, die gestiegenen Anforderungen an Pfarrerinnen und Pfarrer anerkannt und gewürdigt würden und  Pfarrerinnen und Pfarrer von der Kirchenleitung vor übersteigerten Erwartungen im Dienst in Schutz genommen werden, so der Vorsitzende. Er forderte dazu auf, Freiräume zu gewährleisten, damit Pfarrerinnen und Pfarrer sich von den Folgen des Dienstes erholen und gestärkt den Dienst bis zur Pension ausfüllen können und wollen. Pfarrstellenstreichungen und Pfarrstellenkürzungen dürften nicht länger zur Konsolidierung kirchlicher Haushalte eingesetzt werden. Mehreinnahmen durch Kirchensteuern sollten "zur (Wieder-)Einrichtung von Pfarrstellen" verwendet werden, so Jakubowski.

Pfarrerdienstgesetz der EKD: Ziel der Vereinheitlichung steht auf dem Spiel

Jakubowski würdigte das Pfarrdienstgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) als "großes Werk", äußerte aber zugleich die Befürchtung, dass aufgrund sehr langer Ausführungsgesetze in einzelnen Gliedkirchen der EKD schließlich doch keine Vereinheitlichung stattfinde und das eigentliche Ziel daher nicht erreicht werde. "Es ist bedauerlich, dass sowohl die theologische Klärung, was eigentlich der Pfarrberuf sei, als auch die Reduzierung auf die wesentlichen Punkte eines Minimalkonsenses nicht angestrebt und erst recht nicht erreicht wurden", bilanzierte der Vorsitzende. Er äußerte aber zugleich die Hoffnung, dass dies doch noch möglich sei. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste allerdings in den Gliedkirchen mehr auf die Gemeinsamkeiten geschaut werden als auf die Unterschiede, so der Vorsitzende in Hannover.

Es gelte beim Pfarrdienstgesetz der EKD daran zu arbeiten, dass das Gesetz und die Ausführungsbestimmungen "entschlackt werden": "Es kann nicht sein, dass Landeskirchen mehr Bestimmungen brauchen, um das Pfarrdienstgesetz zu implementieren, als andere, die mit weniger Paragraphen das Pfarrdienstgesetz aus grundsätzlichen Erwägungen zwar ablehnen, aber insgesamt sogar gesetzestreuer sind", sagte Jakubowski.

Auch bei der Diskussion um die Zulassung von eingetragenen Lebenspartnerschaften als Ausnahmeregelung im Pfarrhaus zeige sich, dass der Dissens gepflegt werde anstatt den Konsens zu suchen. "Lebensordnungen sind nicht dazu geeignet, die Krise der Kirche zu bearbeiten, geschweige denn zu lösen", sagte der Vorsitzende. Insbesondere die bewusste Zuspitzung der Diskussion um eingetragene Lebenspartnerschaften im Pfarrhaus in der Landeskirche von Sachsen zeige die Konfliktlinien. Die Krise der Institution Kirche, die auch das Pfarramt in den Strudel der vielfältigen Reformen mit hineinziehe, werde nicht im Pfarrhaus gelöst, sondern durch Menschen, die bereit sind, gemeinsam die Herausforderungen anzunehmen, betonte der Vorsitzende vor der Mitgliederversammlung.

20 Jahre Evangelische Partnerhilfe: Spenden gezielter verteilen

In seinem Bericht würdigte Jakubowski auch die Arbeit der Evangelischen Partnerhilfe, die 2013 zwanzig Jahre alt wird. Hervorgegangen aus der 1957 ins Leben gerufenen Spendenaktion "Kirchlicher Bruderdienst", wurde sie nach der "Wiedervereinigung" unter dem Namen "Evangelische Partnerhilfe" tätig und konnte mit inzwischen über 60 Millionen Euro Pfarrerinnen und Pfarrer sowie kirchliche Mitarbeitende und deren Familien in protestantischen Minderheitskirchen in Mittel- und Osteuropa wirksam und ohne großen bürokratischen Aufwand direkt von Mensch zu Mensch unterstützen, so der Vorsitzende. Zum Kreis der Trägerorganisationen gehörte von Anfang an der Deutsche Pfarrerverband.

Zur aktuellen Situation erläuterte Jakubowski, dass sich mittlerweile die Lebenssituation in manchen Partnerkirchen spürbar verbessere, in anderen Kirchen jedoch nicht. Steigenden Lebenshaltungskosten ständen stagnierende, teilweise – wie in Rumänien – sogar sinkende Einkommen gegenüber. Deshalb sehe die Partnerhilfe eine ihrer aktuell wichtigsten Aufgaben darin, die Spenden gezielter zu verteilen. Bei einem Treffen mit vierzehn Partnerkirchen im Oktober in Wien solle das neue Verteilsystem erörtert werden, erklärte der Vorsitzende, der angesichts zurückgehender Spenden darum bat, die Brüder und Schwestern in Mittel- und Osteuropa nicht zu vergessen.