Die Geschichte zwischen Christen und Juden ist historisch belastet. Es ist eine alte Erblast, die die christlichen Kirchen gegenüber den Juden abzutragen haben; nochmals schwerer wiegt diese Bürde durch das mehrheitliche Schweigen und Wegsehen der christlichen Kirchen in Deutschland angesichts der Ermordung von Millionen Juden in der Zeit der NS-Terrorherrschaft.

Nach 1945 brauchte es lange Zeit, bis über dieses Unrecht und über das Versagen der Kirchen offen gesprochen werden konnte. Das »Stuttgarter Schuldbekenntnis« klammert den Holocaust aus. Allerdings erhoben sich schon früh kritische Stimmen gegen diese Form theologischer Einäugigkeit. Am 9. April 1946 verabschiedete die »Kirchlich-Theologische Sozietät in Württemberg« eine Erklärung, in der zugestanden wird: »Wir sind mutlos und tatenlos zurückgewichen, als die Glieder des Volkes Israel unter uns entehrt, beraubt, gepeinigt und getötet worden sind.«

Zahlreiche Verlautbarungen seitens der EKD und einzelner Gliedkirchen haben seither dazu verholfen, das Verhältnis von Christen und Juden (in Deutschland) auf eine solide Grundlage zu stellen. An vielen Orten sind fruchtbare Kontakte christlich-jüdischer Zusammenarbeit entstanden. Auch das Deutsche Pfarrerblatt hat in den vergangenen Jahren etliche Beiträge veröffentlicht, in denen diese Verbundenheit gewürdigt wurde (z.B. in 2/2008 sowie in 7/2010). Manche dieser Beiträge haben unter der Leserschaft kontroverse Reaktionen ausgelöst, sofern es um die Frage des Maßes der Solidarität mit dem heutigen Staat Israel und seiner Politik sowie um die aktuelle Einschätzung des Konflikts mit den Palästinensern geht. Auch diesen Stimmen hat das Deutsche Pfarrerblatt Raum gegeben.

Für heftige Kontroversen hat nun der Beitrag »Vom Nationalgott Jahwe zum Herrn der Welt und aller Völker« von Jochen Vollmer in der Augustausgabe gesorgt. Das Deutsche Pfarrerblatt sieht es als selbstverständlich an, dass über Vollmers provokante Thesen diskutiert wird, und räumt der Debatte ausreichend Platz in dieser Ausgabe ein. Zugleich ist es der Schriftleitung wie dem Verband evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland als Herausgeber des Deutschen Pfarrerblatts wichtig, hier nicht als »antisemitisch« oder »israel­feindlich« missverstanden zu werden. Deshalb hat der Verbandsvorstand in einer Sondersitzung am 1.9.2011 in Hannover nachstehende Erklärung beschlossen.

Herzlich grüßt Sie
Ihr Peter Haigis.

Der Verbandsvorstand betont nachdrücklich, dass alle im Deutschen Pfarrerblatt veröffentlichten Artikel ausschließlich die Meinung des jeweiligen Verfassers wiedergeben und weist alle Versuche zurück, den Verband auf die inhaltliche Position des in der Öffentlichkeit und in den Medien heftig diskutierten Artikels von Jochen Vollmer festzulegen. Das Deutsche Pfarrerblatt soll ein offenes und freies Forum von Pfarrerinnen und Pfarrern für Pfarrerinnen und Pfarrer sein und bleiben und auch weiterhin Raum bieten für unbequeme Positionen. Die heftigen Reaktionen auf den Artikel von Jochen Vollmer zeigen uns aber, dass viele, die sich um den christlich-jüdischen Dialog und um die Verständigung im israelisch-palästinensischen Konflikt bemühen, durch diese Veröffentlichung verärgert sind und sich verletzt fühlen. Wir werden die eingegangenen Rückmeldungen mit großer Sorgfalt prüfen und bewerten. Selbstverständlich werden auch in diesem Fall kontroverse Leserreaktionen im Deutschen Pfarrerblatt veröffentlicht.

Der Verband evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland steht unmissverständlich auf der Linie der Studien des Rates der EKD »Christen und Juden« I-III (1975-2000) sowie der Synodalerklärungen zahlreicher Gliedkirchen zur Neubestimmung ihres Verhältnisses zu Israel und zum Judentum aus dem Jahr 1998 und den folgenden Jahren.

Als Verbandsvorstand stellen wir uns mit Nachdruck hinter die Erklärung der Bayerischen Landessynode von 1998: »Christen unterstützen das Bestreben des jüdischen Volkes nach einer gesicherten Existenz in einem eigenen Staat.«

Viele Menschen in unseren Gemeinden bewegt aber auch die Frage, wie Israel zu einem dauerhaften Frieden mit seinen nichtjüdischen Bürgerinnen und Bürgern und mit seinen Nachbarn finden kann. Als Verband schließen wir uns auch hier der Erklärung der Bayerischen Landessynode von 1998: »Zugleich sorgen sie [die Christen] sich um eine Friedenslösung im Nahen Osten, die die Rechte auch der Palästinenser und insbesondere der Christen unter ihnen einschließt und Sicherheit für alle dort lebenden Menschen gewährleistet.«

Mit der Synode der EKD sehen wir die »Bemühungen um ein geschwisterliches Verhältnis von Christen und Juden« als »eine für die Kirche und Theologie zentrale Herausforderung und bleibende Aufgabe.« (»50 Jahre Erklärung von Weißensee«, EKD-Synode 2000)

Wir unterstützen die Gemeinden in ihrem Bestreben, alle ernsthaften Friedensaktivitäten, die auf eine Versöhnung aller betroffenen Bevölkerungsgruppen zielen, nach ihren Möglichkeiten zu fördern, und wir ermutigen sie, diese mit ihren Gebeten zu begleiten.

Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 9/2011

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