Mich packt die Wut, wenn ich solche Klagen lese.

Mein erster Eindruck: Dieser Pfarrer ist mit seinem Bestatter nicht im Gespräch, hat sich nie für ihn interessiert. Dieser Pfarrer tut so, als sei sein mit zwischen A 12 und A 14 besoldeter Dienst auf dem Friedhof und bei den Angehörigen umsonst, während der Bestatter vor allem abkassieren möchte. Offenbar hat der Pfarrer in seinem Trauergespräch die äußeren Bedingungen der Trauerfeier in keiner Weise thematisiert und er hat es nicht für nötig gehalten, die Einzelheiten mit dem Bestatter abzusprechen (Liedzettel, Gesangbuch, Organist, Platzangebot…): Der Bestatter wird nur wahrgenommen als notwendiger aber lästiger Dienstleister, der dem Pfarrer die unausgesprochenen Wünsche von den Lippen abzulesen und zu erfüllen hat.

Mein zweiter Eindruck: Viel zu viele der kirchlichen oder öffentlichen Kapellen und vor allem der Trauermöglichkeiten sind zum Weglaufen. Als Angehöriger, der am offenen Sarg vom Toten Abschied nehmen möchte, hält man es angesichts der »Ausstattung« dort und/oder wegen des trauerfeindlichen Ablaufes kaum länger als 10 Minuten aus, wenn überhaupt.

Die Kirche und mit ihr die Mehrheit der Pfarrerinnen und Pfarrer hat es geduldet und ertragen, dass die Leichen bis zur Beerdigung quasi »entsorgt« werden. Setzen sich genug Pfarrer dafür ein, dass in ihrer Gemeinde über eine Aufbahrung zu Hause im Sterbehaus nachgedacht wird? Ich finde es hochpeinlich, dass Ulrich Rottschäfer bei all den außerhalb einer Kapelle »erlaubten« Andachten wie Haustrauungen oder Haustaufen gerade die Aussegnungsfeier unerwähnt lässt. Unsere Kirchenmitglieder erwarten offenbar gar nicht mehr von uns, dass wir vor dem Bestatter zu solch einem liturgischen Dienst gerufen werden können. Wer setzt sich dafür ein, dass in seiner Gemeinde Abschiedsräume vorhanden sind, die den Trauerprozess unterstützen können, in denen man sich auch länger aufhalten kann zu Zeiten, die nicht durch die Bürozeiten eines Gemeindeamtes oder einer kommunalen Verwaltung begrenzt werden? In denen man sich am offenen oder geschlossenen Sarg mit dem alten Familienalbum hinsetzen und zurückdenken kann, was man miteinander erlebt hat?

Immerhin können Trauerfeiern mit Sarg oder Urne immer öfter auch dort stattfinden, wo die Menschen getauft, konfirmiert und getraut wurden: In ihrer eigenen Kirche. Das Gespräch mit den örtlichen Bestattern hat bewirkt, dass sie die Verstorbenen auf diese Möglichkeit hinweisen.

Die Trauerarbeit der Gemeindeglieder wurde in den letzten Jahren von der Kirche zu oft schlicht verschlafen. Viele Bestatter halten diesen Zustand nicht mehr aus und entwickeln eigenes Engagement, investieren zum Teil hohe Summen in die Ausstattung eigener Räume und Materialien, um angemessenes Trauern wieder möglich zu machen und Kirche hat nichts besseres zu tun, als die eigenen Versäumnisse mit Bestatter-Schelte zu kaschieren. Kaum jemand druckt seine Einladungen noch mit dem Spiritusdrucker. Heute nutzt man zurecht modernen Computersatz. Zu viele der Aufbahrungsräume auf den Friedhöfen sind noch auf dem Stand von Spiritusdruckern. Wer sich für ein Verbot in der Kirchenordnung gegen kommerzielle Trauerkapellen bei Bestattern ausspricht, sollte zunächst einmal das Geld bereitstellen oder sich dafür einsetzen, dass auch die Trauerräume der kirchlichen oder kommunalen Friedhöfe den seelsorglichen Standards der Trauerarbeit in der Gegenwart entsprechen.

Ich habe noch den Unglücksfalls eines 12jährigen Jungen vor Augen, bei dem Eltern und Geschwister im Institut des Bestatters genau so viel Zeit am Sarg des Jungen verbringen konnten, wie sie wollten. Ihre Trauerarbeit begann nicht zuletzt damit, dass sie einen ganzen Vormittag lang die private Trauerhalle des Bestatters mit Erinnerungsstücken ihres Sohnes für die Trauerfeier dekorierten. Genau dieser Bestatter dringt darauf, kommunale und kirchliche Angebote zu entwickeln, die etwa den grassierenden anonymen Beisetzungen entgegen wirken (z. B. mit Baumbestattungen auf dem Friedhof, Bestattungen »in der grünen Reihe«, teilanonyme Beisetzungen, bei denen der Sarg von Pfarrer und Angehörigen bis zur letzten Ruhe begleitet werden kann): Die öffentlichen Friedhöfe dürfen als Ort des Trauern nicht aussterben.
Zur Frage nach Gesangbüchern in der Trauerkapelle ein kleines Detail aus meiner eigenen Praxis: Für mich ist es selbstverständlich, dass ich als Dienst an den Angehörigen zumeist ein Liedblatt mit Namen, Geburts- und Sterbedatum, manchmal mit einem eingescannten Bild, evt. einem zusätzlichen meditativen Text und den Liedern für diese Trauerfeier mitbringe. Auf einem geeigneten Laserdrucker kostet mich das maximal 3 Cent pro Liedblatt, und selbst bei einer Trauergemeinde von mehr als 100 Anwesenden sind das nicht mehr als 3 Euro für diesen bescheidenen aber effektiven Service. Das schafft mir zusätzliche Möglichkeiten: Ich kann auf zusätzliche Lieder zurückgreifen mit neueren Texten zu bekannten Melodien, die dem Sprachgefühl heutiger Menschen entsprechen, (vgl. Spangenberg, Das andere Gesangbuch) oder auf Lieder, die dem Verstorbenen oder ihren Angehörigen wichtig waren und nicht im Gesangbuch stehen. Und es bleibt den Angehörigen die peinliche Erfahrung erspart, dass in einer Kapelle drei verschiedene Auflagen eines Liederbuches mit unterschiedlicher Seitenzählung existieren, bei denen zudem die Mittelseiten verloren gegangen sind – und keinem Pfarrer fällt auf, dass dieser Umstand dringend abgestellt werden müsste.

Bestatter-Schelte wie im letzten Pfarrerblatt ist der verkehrte Weg. Wie wäre es z. B. mit einem Tag des Friedhofs, bei dem sich alle Betroffenen eines Ortes an einen Tisch setzen? Angehörige und Trauernde brauchen die offene und ehrliche Zusammenarbeit von PfarrerInnen, BestatterInnen und den Kommunen.


Abgedruckt im Deutschen Pfarrerblatt 01/2007 S. 42 f.

Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 1/2007

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