Die Auferstehungsbotschaft ist nicht nur zentral für das Neue Testament, sie ist auch der Dreh- und Angelpunkt des christlichen Glaubens. Umfragen belegen jedoch, dass mit dessen Inhalten in unserer Zeit nicht mehr viele etwas anzufangen wissen. Dazu passt der wissenschaftlich-technische Versuch, den Tod aus dem Leben zu verbannen und Unsterblichkeit zu erlangen. Mit der Substanz biblisch-christlichen Auferstehungsglaubens hat das allerdings nichts mehr zu tun, wie Elisabeth Hurth zeigt.

 

Ostern ist wie Weihnachten zu einem Familienfest mutiert. Das zentrale Hoffnungsbild des Christentums, die biblisch bezeugte Wahrheit von Jesus Christus als dem Auferstandenen, versinkt dabei zunehmend in die Bedeutungslosigkeit. Selbst diejenigen, die von sich sagen, dass sie an die Auferstehung glauben, hängen oft Vorstellungen an, die mit dem biblischen Zeugnis nicht vereinbar sind. So bedeutet Auferstehung für viele eine Fortexistenz des irdischen Lebens nach dem Tod, eine Wiedergeburt im Sinne einer ständigen Läuterung oder eine Unsterblichkeit der vom Körper befreiten Seele.

 

Glaube an die Auferstehung?

Auferstehung christlich verstanden ist die wichtigste Aussage des Glaubens über die Heilstat Gottes, über sein Handeln an dem gekreuzigten Sohn. Glaube ist deshalb möglich, weil Jesus von Gott auferweckt wurde. Ohne dieses Fundament fällt der christliche Glaube in sich zusammen. „Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig“ (1. Kor. 15,17).

Man kann nicht an das Heilshandeln Gottes glauben, ohne an die Auferstehung zu glauben. Umfragen zum Thema Auferstehung liefern dagegen aus kirchlicher Sicht mehr als ernüchternde Ergebnisse. Danach glauben nur noch „23 Prozent der evangelischen Befragten“ an die Auferstehung.1 Dieses Umfrageergebnis bestätigt die rasant fortschreitende Erosion zentraler christlicher Glaubensinhalte und offenbart zugleich, dass sich das Verständnis der Auferstehung grundlegend verändert hat.

Dass Jesus „wahrhaftig auferstanden ist“, gehört zur Heilsgeschichte Gottes mit dem Menschen (Lk. 24,34). Dort, wo Heilsgeschichte zur Geschichte des Menschen und seiner technisch-medizinisch beförderten Selbstverbesserung wird, gilt die Auferstehung nicht nur als Wunschtraum oder Mythos. Der Auferstehungsglaube wird vielmehr nahezu vollständig verkehrt. An die Stelle von Gottes Heilstat tritt eine Auferstehung, die der Mensch selbst bewerkstelligen will, indem er den Tod des Todes herbeiführt. So glauben laut einer Umfrage, die anlässlich der Ausstellung „(Un)endlich – das Leben mit dem Tod“ im Berliner Humboldt-Forum durchgeführt wurde, mittlerweile 29% der Befragten, dass es „eines Tages möglich sein [wird], den Tod medizinisch zu überwinden“.2

 

 

Zeugnis ablegen

Die biblischen Texte enthalten keine wissenschaftlich nachprüfbaren Beweise für die Auferstehung. Das ist das Einfallstor für Kritiker, die die Historizität der Auferstehung in Frage stellen.3 Die Auferstehung ist nach biblischem Zeugnis ein Glaubensereignis und ein Glaubensgeheimnis. Entsprechend steht in der Osterbotschaft nicht der historische Nachweis im Vordergrund, dass Christus auferstanden ist, sondern das Werk Gottes. Das, was sich in der Auferstehung ereignet, übersteigt unser Erkennen und Begreifenwollen. „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht“ (1. Kor. 13,12).

Dieses eschatologische „Dann“ kann nicht objektiv verifiziert werden. In einer wissenschaftlich hochgerüsteten Zeit halten viele das endzeitliche Ereignis der Auferstehung daher für unwahrscheinlich. Man will und kann offensichtlich nur dann an die Auferstehung glauben, wenn sie sich als einsichtig und nachprüfbar erweist.

Der Auferstehungsglaube wurzelt in den Zeugnissen von Menschen, denen der Auferstandene erschienen ist. „Jesus ist begraben worden“, heißt es im 1. Korintherbrief (1. Kor. 15,4). Er ist gestorben, aber er ist nicht für immer im Tod geblieben. Der Auferstandene ist von Paulus „gesehen worden“ – so wie „von Kephas“, den „Zwölfen“ und „danach von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal“ (1. Kor. 15,5-6.8).

Der Glaube, dass Christus auferweckt wurde, ist somit verbürgt in den Worten von Zeugen, die von der Zuversicht getragen sind, dass sie mit Christus auferstehen werden. Dieses Ereignis ist größer als all unsere Erwartungen. „Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben“ (1. Kor. 2,9). Wir wissen daher letztlich nicht, wie wir auferstehen werden und wann es zur Auferstehung kommt. Wir kennen weder „Zeit“ noch „Stunde, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat“ (Apg. 1,7). Aber wir dürfen im Glauben gewiss sein, dass sich die Auferstehung am „Jüngsten Tag“ ereignet (Joh. 6,39).

Heute wird diese Gewissheit brüchig. Die Auferstehung gilt nunmehr vielfach als ein Versprechen für eine Welt nach dem Tod, in der es dem Menschen besser gehen wird als zu Lebzeiten. Ein solches Versprechen ist eine Vertröstung auf eine ferne Zukunft. Die biblischen Zeugnisse dagegen sagen aus, dass mit der Auferstehung Christi eine neue Schöpfung in der vergänglichen Welt beginnt, eine Heilszeit, die bereits gegenwärtig ist. Entsprechend künden die biblischen Texte von einer Auferstehung am Jüngsten Tag, aber auch von einem Aufstehen, einer Auferstehung ins Leben, die uns dazu auffordert, Zeugnis abzulegen von der österlichen Wirklichkeit, damit sie anderen „durchs Herz geht“ und ihnen Trost und Freude ist (Apg. 2,37).

 

Christus angehören

Die Gläubigen „gehören“ schon jetzt „Christus an“ (1. Kor. 15,23). Sie haben Anteil an seiner Auferstehung und seinem himmlischen Leben. Dieses Leben bleibt jedoch „verborgen mit Christus in Gott“ (Kol. 3,3). In Zeiten, in denen der „Sofortismus“ regiert, können viele mit diesem eschatologischen Vorbehalt nichts mehr anfangen und assoziieren ihn mit dem Jenseitigen. Auferstehung muss sich jedoch, so eine gängige Meinung, im Diesseits ereignen, damit die Welt nicht so bleibt, wie sie ist. Die Eschatologie wird dabei durch das Handeln eines selbstbestimmten Menschen außer Kraft gesetzt, der auch für alles die Verantwortung zu übernehmen hat.

Diese bedingungslose Eigenverantwortung lässt den Menschen zusehends „erschöpft“ zurück.4 Sören Kierkegaard spricht nicht von Erschöpfung, sondern von einer Angst, die der Mensch nicht ablegen kann – einer Urangst des auf sich zurückgeworfenen Menschen, der „verzweifelt er selbst sein [will]“ und mit dem Dunklen, Finsteren in ihm nicht fertig wird.5 Diese Verzweiflung liegt nach Kierkegaard der „Krankheit zum Tode“ zugrunde, die auf die Entfremdung des Menschen von Gott zurückzuführen ist.6

Nach biblischem Zeugnis wird die Finsternis in uns und in der Welt durch den Tod Jesu Christi überwunden. Unser Leben kommt in der Gemeinschaft mit Gott zu seiner Vollendung. Es wird in der Auferstehung auf eine Weise verwandelt, die den „ersten Tag“ überbietet (1. Mos. 1,5). Das „Licht des Antlitzes Gottes wird über uns leuchten“ (Ps. 4,7). Wir werden im göttlichen Licht strahlen.

 

 

Von den Toten erwecken

Mit der Auferstehung steht und fällt alles, was den Glauben ausmacht. An der Wirklichkeit des Auferstehungsereignisses entscheidet sich unser Leben und Sterben. An ihr entscheidet sich unsere eigene Auferstehung.

In einer aufgeklärten Postmoderne wollen Menschen nicht nur über ihr Leben, sondern auch über ihren Tod Regie führen. Die Technologien hierfür sind ebenso vielfältig wie vielversprechend. Seit Jahrzehnten machen vor allem in den USA Organisationen wie Alcor Life Extension Foundation einträgliche Geschäfte mit der kryostatischen Einlagerung menschlicher Körper, die so lange konserviert werden, bis es medizinisch möglich ist, die Verstorbenen wieder zum Leben zu erwecken.7 Diese Totenerweckung gilt einer Zukunft ohne Krankheit und Leid.

Ähnliche Versprechen macht die Gentechnik und Zellforschung. Durch Zellprogrammierungstechnologien rückt nicht nur die Verjüngung des Menschen in greifbare Nähe, vielmehr wächst auch der Glaube daran, dass man in der Lage sein wird, sich über die Grenze des Todes hinwegzusetzen. So sollen aus DNA-Proben gewonnenen Genen Verstorbene wieder ins Leben zurückgeholt werden.8

Im biblischen Kontext sind solche Totenerweckungen nicht mit der Auferstehung gleichzusetzen. Totenerweckung bedeutet, dass Verstorbene wie die Tochter des Jairus ins irdische Leben zurückkehren, der Tod aber das Leben beenden wird. Die biblischen Texte zeigen, dass auch die Apostel Verstorbene ins Leben zurückrufen. Aber Petrus, der die Jüngerin Tabita wieder zum Leben erweckt, kann sich zum Vollbringen dieser Totenerweckung nicht selbst ermächtigen. Die Totenerweckung geschieht im Namen des Herrn, ihm zur Ehre, nicht aber um des „Ansehens“ willen (Röm. 2,11). Dieser Tage gewinnt man mit Blick auf den Wissenschaftsbetrieb den Eindruck, dass es hier nicht zuletzt auch um jenes Ansehen geht, dass aus der Verfügungsgewalt über den Tod erwächst.

 

Nicht sterben

Die christliche Botschaft vom ewigen Leben hat ihren Anhalt im Tod. Sie ergibt sich aus dem Kreuzestod Jesu. Dem Glauben, dass von hier aus allein die gottgewirkte Auferweckung Jesu Voraussetzung für ein Leben ist, in dem der Tod „nicht mehr sein wird“, stehen heute zahlreiche Technologien der Unsterblichkeit gegenüber (Offb. 21,4). Folgt man dem Silicon-Valley-Millionär Bryan Johnson, dann sollten wir uns mit einer Medizin, die Alterungsprozesse verlangsamen und den Tod hinauszögern kann, nicht zufriedengeben. Wir können uns vielmehr, so Johnson, durch eine rigorose Arbeit am eigenen Körper ein Leben verschaffen, der Altern und Verfall nicht mehr ausgesetzt ist. Entsprechend gilt nach Johnson für unsere Zeit eine Lebensphilosophie, die jeden Menschen dazu aufruft: „Stirb nicht!“9

 

 

Wenn man wie Johnson mit einem unglaublichen Aufwand am eigenen Körper arbeitet, um ewig jung zu bleiben, läuft man Gefahr, das Dorian-Gray-Syndrom zu entwickeln, das zum Krankheitsbild des Narzissmus gehört. Man kreist um den Körper mit der Erwartung, dass man über dessen Unversehrtheit dem Leben zu einer irdischen Ewigkeit verhelfen kann. Nach dem Zeugnis der Bibel erhält der Mensch in der Auferstehung eine neue Leiblichkeit. „Unser geringer Leib wird dem verherrlichten Leib Jesu Christi gleich“ (Phil. 3,21). Im narzisstisch geprägten Körperkult dagegen geht es nicht um eine „Verwandlung“ des Leibes auf Christus hin, sondern um die Unvergänglichkeit des Leibes im Zeichen der technisch-medizinischen Möglichkeiten des Menschen (Phil. 3,21).

Durch diese Möglichkeiten können wir, so der Physiker Michio Kaku, bereits „gegen Ende des 21. Jahrhunderts“ ohne den vorherigen Tod selbst Leben „schaffen“.10 Dieses Leben gründet nicht in der Auferstehung Jesu Christi, sondern im „Wunder der Biotechnologie“.11 Das mag utopisch anmuten, entspricht ­jedoch der urmenschlichen Sehnsucht, dem Tod zu ­entkommen.

Diese Sehnsucht wird heute am effektivsten von Propheten des Transhumanismus bedient, die den Menschen vollständig von seiner analogen Last befreien wollen, damit er ein Software-Dasein annehmen kann. Es ermöglicht uns, so die optimistische Annahme, eine körperlose, ewige Existenz, die den Tod nicht mehr voraussetzt. Wir können, folgt man Hans Moravec, „den Geist in einen unsterblichen Roboterkörper übertragen, während wir bei vollem Bewusstsein sind“.12 Man muss somit nicht erst sterben, um zu einem ewigen Leben zu gelangen.

Sei es der unvergängliche Körper oder die Software-Daseinsform – das erklärte Ziel ist jeweils das Ende des Todes. Der Tod wird als absolut negatives Ereignis erfahren, das unser Leben jäh abbricht und sinnlos macht. Die biblischen Texte stellen sich dieser Sinnlosigkeit. In seiner Auseinandersetzung mit den Auferstehungskritikern in Korinth beschönigt Paulus den Tod nicht, er weist aber auch darauf hin, dass der Tod nicht nur etwas Furchtbares, Vernichtendes ist. „Was du säst“, so Paulus, „wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt“ (1. Kor. 15,36). Der Tod ist somit notwendig. Wir müssen durch den Tod hindurchgehen, um zu einem „neuen Leben“ zu kommen (Röm. 6,4).

Dort, wo diese Notwendigkeit entfällt, ist die biblisch bezeugte Auferstehung nicht mehr plausibel. Paulus kennt keine Technologien, durch die der Auferstehungsglaube letztlich obsolet wird. Aber Paulus betont eindringlich, was ein Leben ohne Auferstehungshoffnung bedeutet. Man wird „verführt“ zu einem Leben, aus dem man alles herausholen und von dem man nichts verpassen will (1. Kor. 15,33). Das Leben muss dabei mehr ­hergeben, als es kann. Wer ein solches Leben führt, überfordert das Leben, aber auch sich selbst.

 

Lebendig gemacht werden

Wenn man wie die Propheten des Transhumanismus’ erfolgreich gegen den Tod zu Felde ziehen will, ist jede Form der Begrenzung des Lebens kategorisch abzulehnen. Wie konkret diese Ablehnung sich heute ausnehmen kann, zeigt die Populärkultur. In der unverwüstlichen Telenovela Sturm der Liebe wird über mehrere Folgen hinweg von der großen Trauer des Schwarzbach-Clans um die verstorbene Tochter Vroni erzählt. In Träumen, aber auch in konkreten Alltagssituationen erscheint die Verstorbene den Trauernden leibhaftig, so als wäre sie ins Leben zurückgekehrt und, wie Vronis Halbschwester Eleni betont, immer „irgendwie dabei“. In dieser populärkulturellen Form der Auferstehung sind die Verstorbenen dem Leben näher als dem Tod.

Dazu fügt sich die Egalisierung des Todes. Donald Duck erlebt ein großartiges Abenteuer nach dem anderen, ohne sterben zu müssen. In der Animationsserie South Park dagegen stirbt die Hauptfigur Kenny zwar jeweils am Ende mehrerer Folgen, steht aber in der nächsten Folge wieder quicklebendig vor Freunden, die sich das Trauern abgewöhnt haben.13 Patrick Duffy wiederum, Star in Dallas, einer der erfolgreichsten Seifenopern der Fernsehgeschichte, stirbt den Serientod und steht nach Protesten der Zuschauer vom Tod auf, so als wäre nichts gewesen.

Der Glaube, dass Gott den Menschen zu einem neuen ewigen Leben auferstehen lässt, schwindet hier ebenso wie die eschatologische Dimension der Auferstehung, die nunmehr dem Gesetz der „Verjetzigung“ unterliegt. Bei der Wiederkunft Christi „werden in ihm alle lebendig gemacht werden“ (1. Kor. 15,22). Auf diese Wiederkunft will heute keiner mehr warten. Es muss alles hier und jetzt wieder lebendig und heil werden.

 

Dem Tod die Macht nehmen

Im AT ist die Auseinandersetzung mit dem Tod ein Ringen mit Gott und der Frage nach seiner Gerechtigkeit. Gerade angesichts der Unberechenbarkeit des Todes, der auch offenkundig unschuldige Menschen unvermittelt trifft, die zudem einfach „vergessen werden“, wächst der Glaube daran, dass der Tod nicht Gottes Wille und letztes Wort ist (Pred. 8,10). Er hat die Macht, den Tod endgültig zu überwinden. Dieser Tage will man sich diese Macht über den Tod selbst aneignen.

Dem entspricht die Auferstehung im digitalen Raum, in dem durch KI-Anwendungen „kein Stein auf dem andern bleibt“ (Mt. 24,2). In Todesanzeigen verweisen Angehörige oft darauf, dass Verstorbene in ihren Erinnerungen und in ihren Herzen weiterleben. Heute leben immer mehr Verstorbene in der digitalen Welt weiter, ohne dass es den Anschein hat, dass sie tot sind. Von jedem, der im Netz unterwegs ist, lässt sich ein digitaler Doppelgänger erstellen, mit dem Angehörige auch nach dem physischen Tod des Betroffenen Kontakt haben können. Man erreicht nunmehr allein durch menschengemachte Technologien ein „Fortleben als digitales Selbst“.14 So erfüllt sich der einst utopisch wirkende „Traum vom Erhalt des Daseins im Angesicht des Vergehens“.15

Ähnlich verhält es sich in der Popmusik. KI macht es möglich, dass – siehe den neuen Beatles-Hit – Tote so singen, als wären sie nie gestorben. Damit wird zugleich suggeriert: Wir können „dem Tod die Macht nehmen“, wir bedürfen der Auferstehung Jesu Christi nicht, um zu unserer eigenen Auferstehung vom Tod zu kommen (2. Tim. 1,10).

Am deutlichsten wird dies in der Onlinespiele-Welt, in der der Tod wie im Abenteuerspiel Assassin’s Creed nichts Endgültiges mehr an sich hat. Es geht im wahrsten Sinne des Wortes darum, nur zu spielen – auch mit dem Tod. So werden in Ego-Shooter-Spielen tote Spieler an sogenannten „Spawnpoints“ wieder auferweckt.16 Der Tod verliert dabei seine existentielle Bedeutung und wird in einer „tiktokisierten“ Form als „Challenge“ dargeboten.

 

Vergeblich predigen

In religiösen Krisenzeiten ist viel die Rede davon, dass der Glaube digitaler wird und werden muss. Roboter, die Menschen segnen, Youtuber, deren Lobpreis fetzig rüberkommt, Pfarrer und Pfarrerinnen, die als Influencer zahlreiche Follower um sich scharen – all das kann den Glauben näher an digitale Lebenswelten heranrücken. Doch wenn davon die Auferstehung abgespalten wird, ist der Glaube – ob digital oder analog – wirkungslos.

Ohne den Glauben an die Auferstehung ist aber auch die „Predigt vergeblich“ (1. Kor. 15,14). Es spricht heute vieles dafür, dass die christliche Hoffnungsbotschaft von der Auferstehung immer seltener geglaubt und gelebt wird, weil man nicht von ihr kündet oder weil man sie entkernt, indem man sie als Mutmacher für Herausforderungen des Lebens darstellt. Die Krise des Glaubens ist somit auch darauf zurückzuführen, dass die Auferstehung nicht mehr als Kernaussage des Evangeliums im Mittelpunkt kirchlicher Verkündigung steht. Der Fokus liegt zunehmend im gesellschaftspolitischen Bereich, von dem man meint, die Kirche sei hier relevant und nötig.

Die aktuelle Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung bestätigt, dass Erwartungen an die Kirche in diese Richtung gehen. Die Untersuchung zeigt aber auch, dass der Glaube an Gott unaufhaltsam verdunstet.17 Ohne den Glauben an Gott und die biblisch bezeugte Auferstehung mag Kirche im Gleichklang mit Politik und Gesellschaft agieren, aber ihre Wirkmächtigkeit erschöpft sich letztlich in einem religiös eingekleideten Sozialarbeitertum.

 

 

In der Sünde sein

Der Auferstehung Jesu Christi kommt eine Heilsbedeutung zu. Nach Paulus ist Christus als „Erstling“ der Entschlafenen bereits auferstanden (1. Kor. 15,20). Wenn man diese Auferstehung leugnet, ist nicht nur der Glaube nutzlos, auch eine Vergebung der Sünden ist nicht möglich. „Wir sind immer noch in unseren Sünden“ (1. Kor. 15,17). Durch die Sünde können wir nicht zum neuen Leben kommen. Die Sünde verwehrt uns die Teilhabe an der Auferstehung Jesu Christi.

Auferstehung bedeutet von hier aus auch, dass „alle vor den Richterstuhl Gottes gestellt werden“ (Röm. 14,10). Das NT spricht vom Gericht im Blick auf die Wiederkunft Jesu Christi. Dann wird jedem entsprechend „seinem Tun vergolten“ (Mt. 16,27). Wer sein irdisches Leben „in Christus“ lebt und ihn im Glauben ergreift, wird zum ewigen Leben auferstehen (2. Kor. 5,17). Wer aber sein Leben an Jesus Christus vorbeilebt, wird zum „zweiten Tod“ auferstehen (Offb. 20,14).

Wir können alles daransetzen, den Tod zu überwinden. Aber das, was er anzeigt, das, was er über uns aussagt – unseren Hang zum Bösen, unsere Abgründigkeit – vermögen wir mit dem Tod des Todes nicht zu beenden. Die Auferstehung Jesu Christi ist Angeld für unsere eigene Auferstehung und den endgültigen Sieg über den Tod. „Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod“ (1. Kor. 15,26). Am „Ende“ wird seine Macht für immer gebrochen sein (1. Kor. 15,24).

Der Tod ist somit kein rein biologisches Ereignis, sondern etwas zutiefst Feindliches, Gottwidriges. Er steht im Kontext der Abkehr des Menschen von Gott. Von diesem religiösen Kontext ist heute lediglich der Gedanke übriggeblieben, dass der Tod ein Todfeind ist, den es zu bekämpfen und letztlich abzuschaffen gilt.

Wir können gegen den Tod vorgehen, um alle Grenzen des Lebens aufzuheben, aber unsere Verlorenheit bleibt. Wir leben ewig weiter als „Knechte“ der Sünde (Joh. 8,34). Ein ewig fortwährendes Leben ohne Errettung ist ein Leben in ewiger Ferne von Gott – die Hölle. Es gibt somit die schlimme Möglichkeit, dass man seine Bestimmung für immer verfehlt und „lebendig tot ist“ (1. Tim. 5,6).

 

Anmerkungen

1 Susanne Haverkamp, Sicher, lieber Paulus?, in: Der Sonntag 13.2.2022, 7. Vgl. auch https://www.sonntagsblatt.de/artikel/glaube/umfrage-wie-viele-deutsche-glauben-ein-leben-nach-dem-tod, 25.11.2022.

2 Dana Hajek, Wer arm ist, stirbt früher, in: FAZ 4.12.2023, 22.

3 Vgl. Johannes Fried, Kein Tod auf Golgatha. 3. Aufl. München 2019.

4 Vgl. Alain Ehrenberg, Das erschöpfte Selbst. Depression und Gesellschaft in der Gegenwart. Frankfurt/M. 2004, 277.

5 Sören Kierkegaard, Der Begriff der Angst. Philosophische Schriften 2. Frankfurt a.M. 2009, 671.

6 Ebd., 666.

7 Vgl. Mark O’Connell, Unsterblich sein. Reise in die Zukunft des Menschen. München 2017, 46.

8 Vgl. Ray Kurzweil, Menschheit 2.0. Die Singularität naht. 2. Aufl. Berlin 2014, 328. Vgl. auch Michio Kaku, Die Physik des Bewusstseins. Über die Zukunft des Geistes. Reinbek bei Hamburg 2014, 394.

9 https://www.welt.de/iconmagazine/icons/article248285866/Bryan-Johnson-Taeglich-111-Pillen-Der-Tod-ist-ein-technisches-Problem-das-sich-loesen-laesst.html, 2.2.2024.

10 Michio Kaku, Die Physik der Zukunft. Unser Leben in 100 Jahren. 2. Aufl. Reinbek bei Hamburg 2013, 188.

11 Ebd.

12 Zit. nach Kaku, Die Physik des Bewusstseins, 404.

13 Vgl. Jörg Thomann, Durch die Drehtür, in: FAS 17.4.2022, 16.

14 Thorsten Benkel, Dynamiken der Delokalisierung. Körper, Tod und Digitalität, in: Dorothee Arnold-Krüger/Sven Schwabe (Hg.), Sterbebilder. Vorstellungen und Konzepte im Wandel. Stuttgart 2023, 103.

15 Ebd., 88.

16 Annika Schreiter, Ein bisschen Gott spielen, in: Publik Forum 20 (2023), 52.

17 Vgl. Reinhard Bingener, Kirchen an historischem Kipppunkt, in: FAZ 15.11.2023, 8.

 

Über die Autorin / den Autor:

Dr. phil. Elisabeth Hurth, Jahrgang 1961, Medienwissenschaftlerin, Publizistin und Dozentin in Wiesbaden.

Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 3/2024

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