Die Michaelskirche in Fulda mit dem Motto des Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrertages 2006. (Plakatausschnitt)

Fulda, 26.09.2006 (cf/epd). Fulda war für drei Tage die Stadt, in der sich evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer aus ganz Deutschland und dem benachbarten europäischen Ausland zu einem ihrer größten Kongresse trafen. Am Ende war klar: Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck und der Pfarrerinnen- und Pfarrerverein in Kurhessen-Waldeck hatten es auf beeindruckende Weise verstanden, herzliche Gastfreundschaft mit intellektuellem Diskurs und spirituellen Impulsen zu verbinden.

Zu den Höhepunkten gehörten der musikalische Vespergottesdienst zur Eröffnung in der Christuskirche Fulda (Predigt: Bischof Prof. Dr. Martin Hein) und das Hauptreferat von Prof. Dr. Christian Möller im Kongreßzentrum. Zentrale Themen des dreitägigen 69. Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrertages waren neben dem EKD-Perspektivpapier das Amtsverständnis der Pfarrer und die unterschiedliche Praxis der Ordination in den einzelnen Landeskirchen.

Bischof Hein: Gegen «Krisengerede in der Kirche»

Im Eröffnungsgottesdienst kritisierte der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, die andauernde Diskussion über eine Krise der Kirche: «Wann gab es jemals Zeiten, die nicht kritisch waren?», sagte er in seiner Predigt am Montagabend. «Es ist höchst bedauerlich, dass die meisten von uns die evangelische Forderung, die Kirche müsse immer wieder reformiert werden, wie eine Fahne vor sich hertragen, aber sobald damit Ernst gemacht wird, sie schnell einrollen und sich nichts lieber wünschen, als dass alles so bliebe, wie es war», so Hein.
Was gegenwärtig an strukturellen Anpassungsmaßnahmen in den Landeskirchen laufe, könne die Bezeichnung «Krise» kaum verdienen, erklärte Hein. Um aus der vermeintlichen Krise herauszukommen, sei es nötig, beim Glauben zu beginnen. Auch Pfarrer bräuchten immer wieder eine «Konfirmation», eine Bestätigung und Vergewisserung im Glauben. Wen die Gewissheit des Glaubens erfülle, dem würden die Augen nicht mehr durch Furcht und Ängstlichkeit verschlossen. «Wir werden Überraschungen erleben - mehr, als wir ahnen oder uns lieb ist», zeigte Hein eine Zukunftsperspektive auf, die aus dem Vertrauen auf Gott erwachse.

Theologieprofessor Möller: EKD-Perspektivpapier zu betriebswirtschaftlich

Der Heidelberger Theologieprofessor Christian Möller griff in einem Hauptreferat am Dienstvormittag die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hart an für ihr Impulspapier «Kirche der Freiheit». Das Vokabular sei «betriebswirtschaftlich», sagte Möller auf dem Evangelischen Pfarrertag in Fulda. An dem Impulspapier, das die EKD im Juli vorgelegte, hatten PR- und Unternehmensberater mitgeschrieben. Der Theologe kritisierte, die Kirche erscheine darin als Konzern, als «Firma EKD». Möller wörtlich: «Mir wurde immer schwindliger bei der permanenten Forderung nach Qualität, Qualitätskontrolle, Qualitätsstandards, Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung, ohne dass ich irgendwo herausfinden konnte, um welche Qualität es denn nun eigentlich geht.» Positiv würdigte Möller, dass Bewerbungen von Pfarrern in Zukunft über die Grenzen der Landeskirchen möglich sein sollen. Es sei gut für die Landeskirchen, «wenn jeder Art von landeskirchlicher Inzucht gewehrt wird», sagte Möller in seinem Vortrag zum Thema «Ich weiß, woran ich glaube - Halt und Perspektive in der Krise».

Kontroverse Podiumsdiskussion: Neu lernen, von Gott zu reden

In der auf den Vortrag folgenden Podiumsdiskussion forderte der Bischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Mecklenburgs, Hermann Beste, die Pfarrer auf, sie müssten neu lernen, von Gott zu reden. «Gott ist nicht nur der gute Gott.» Der Trend der Zeit lasse keinen Zweifel an Gott bei Pastoren zu. Diese Fragen müssten unabhängig von Strategiepapieren theologisch geklärt werden. Die stellvertretende Chefredakteurin der Zeitschrift Chrismon, Ursula Ott, ging hart mit der auf dem Pfarrertag öffentlich geäußerten Klage wegen Arbeitsüberlastung ins Gericht. «In der Außenwirkung ist es verheerend, wenn die Pfarrer immer nur sagen, wie schlecht es ihnen geht», kritisierte sie. Der Beruf des Pfarrers sei vielmehr ein «wunderbarer» Beruf, in dem viel Selbstbestimmung möglich sei. Die hessische Kultusministerin Karin Wolff (CDU) forderte ein stärkeres Selbstbewusstsein des evangelischen Glaubens ein. «Wir müssen den Menschen anderen Glaubens, die unter uns leben, eine Antwort auf die Frage geben: Was glaubt denn ihr?», sagte Wolff.

Mitgliederversammlung: Gegen Ordination von Laien

Im Rahmen des Pfarrertages war am Montag auch die Mitgliederversammlung des Verbandes der Vereine evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer e.V. zusammen gekommen. Hier kritisierte der Vorsitzende des Verbandes, Pfarrer Klaus Weber ebenfalls die EKD für ihr Perspektivpapier «Kirche der Freiheit»: «Auch wenn das Impulspapier für ein 'Wachsen gegen den Trend' plädiert, beschreibt es eher einen Abschied von der Volkskirche», sagte Weber auf der Mitgliederversammlung.

Die EKD setze in ihrem im Juli vorgelegten Impulspapier in Zukunft mehr auf so genannte Profilgemeinden wie Citykirchen und Netzwerk-Angebote. Die traditionellen Gemeinden vor Ort sollten demzufolge dagegen weniger werden. Weber mahnte, dabei nicht die Besonderheit der einzelnen Landeskirchen aus dem Blick zu verlieren. Er bezweifelte, dass das Konzept für alle Regionen gleichermaßen der richtige Weg sei.

Als widersprüchlich bezeichnete Weber, dass die EKD einerseits verbesserte Qualitätsstandards bei den Pfarrern fordere, sie aber gleichzeitig vermehrt aus Kostengründen durch Prädikanten und Lektoren ersetzen wolle. «Ehrenamtliche können und dürfen aber kein billiger Ersatz für Hauptamtliche sein, für die in den kirchlichen Haushalten das Geld fehlt», betonte Weber vor 94 Delegierten. Die Mitgliederversammlung sprach sich gegen die Ordination von Laien aus, wie sie bereits in einigen Landeskirchen praktiziert wird. «Es kann nicht darum gehen, durch die Vorstellung einer gemeinsamen Ordination alle kirchlichen Berufe auf vordergründige und unsachgemäße Weise gleichzustellen», sagte Weber.

Unterstützung bekam der Pfarrerverband vom Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, der selbst nicht am Pfarrertag teilnahm, sich aber fast zeitgleich in einem Interview äußerte. Er sprach sich darin ebenfalls gegen eine Ordination von Laien aus. Die Ordination solle beschränkt bleiben auf diejenigen, die «ihr Leben in den Dienst der Verkündigung des Evangeliums und der Feier der Sakramente stellen», sagte Huber im Interview. Er betonte, für Prädikanten und Lektoren solle eine «eine besondere Form der Beauftragung» vorgesehen werden.

Frühzeitige Krisenintervention bei Konflikten zwischen Pfarrern und Gemeinden gefordert

Weber forderte auf der Mitgliederversammlung auch eine frühzeitige Krisenintervention bei Konflikten zwischen Pfarrern und Gemeinden. Er kritisierte eine Zunahme der Zahl so genannter Nichtgedeihlichkeitsverfahren gegen Geistliche in einigen Landeskirchen. Führungskräfte wie Dekane müssten sich früher als bisher in Konflikte in Gemeinden einschalten. Wenn der Kirchenvorstand nicht zu einer «Konflikt bereinigenden Maßnahme» bereit sei, sollte auch die Möglichkeit der Neuwahl des Kirchenvorstandes eröffnet werden, fügte Weber hinzu. Wenn das Verfahren keine Schuld des Pfarrers feststelle, sondern nur eine «Zerrüttung», dann müsse der Pfarrer eine neue Stelle bekommen und nicht in den Wartestand versetzt werden, forderte der Repräsentant von bundesweit rund 20.000 Pfarrerinnen und Pfarrern.

Abend der Begegnung: Büfett und Kabarett

Neben Referaten und Diskussionen bot der Pfarrerinnen und Pfarrertag wieder Gelegenheit zum Kennen lernen und Austausch von Erfahrungen. Am Montag trafen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einer Reihe von Ehrengästen zum «Abend der Begegnung» im Kongreßzentrum Fulda. Nach dem Büffet begeisterten die osthessischen Kabarettisten Wolf und Bleuel die Gäste mit ihrem Programm. Der nächste Deutsche Pfarrerinnen und Pfarrertag findet 2008 statt. Nähere Informationen nach aktuellem Planungsstand auf pfarrverband.de.