Das ist schon ein starkes Stück: Gott erzählt die Geschichte einer jüdischen Frau im Berlin der 1930er und 1940er Jahre. Ein Gott mit leichtem jiddischem Akzent, der vom Autor des Buches immer mal wieder unterbrochen, hinterfragt und kritisiert wird. Warum erzählt Gott? Weil es die Familiengeschichte des Autors ist, die er nicht miterlebt hatte, da er erst im Februar 1945 geboren wurde.

Dieser Doku-Roman hat es in sich, weil er dramatisch, spannend und manchmal sogar humorvoll erzählend daherkommt. Immer an den äußeren Fakten orientiert, mit viel Phantasie gefüllt.

Die jüdische Mutter mit ihrem gerade geborenen Kind wird dann kurz vor Kriegsende nach Theresienstadt ins KZ deportiert. Dort ist er wohl einer der jüngsten Gefangenen und wird mit Kriegsende befreit.

Warum erzählt Gott? „… Gott ist mein Zeuge! Gott ist überall. Immer dabei. Er sieht alles, hört alles, weiß alles. Der Rest ist Recherche … Ich lade einfach Gott in den Zeugenstand. Und setze den Allgegenwärtigen gleichzeitig auf die Anklagebank…“ (7)

Nach der Befreiung (1654 Menschen wurden befreit) überlebten Mutter und Sohn das Konzentrationslager. Die Mutter wollte nie über die Zeit des Faschismus mit ihrem Sohn sprechen. Daher wird Gott „bemüht“, als glaubhafter Zeuge, der nun das Leben und die Lieben von Magit Mandel beschreibt. In der Kantstraße wohnen neben ihr auch stramme Nazis. Sie muss einfallsreich sein, um lange in der Wohnung bleiben zu können. Zunächst nimmt sie Herrn Li auf, einen Chinesen, dann José, der schließlich mitsamt seiner spanischen Familie in der großen Wohnung Platz fand.

Dennoch war der Weg in den Untergrund vorgezeichnet: „… Du lieber Gott, das konnte doch nicht gutgehen. Sie haben jemand aus dem Haus getroffen, stimmt’s“. (Frage des Autors) Antwort Gott: „… Ich kann nichts dafür … Und ich habe versucht, ihn aufzuhalten, … Dann habe ich ihm in der Weg gestellt eine Frau … Und deshalb der Soldat treu-ab kam ihnen direkt entgegen: Armin Schubert.“ Das Schicksal nimmt seinen verhängnisvollen Lauf.

Die Mutter scheute sich nicht, im Untergrund sich die Haare blond färben zu lassen, um arisch zu gelten. Als sie gar kein Foto für einen sog. „Bombenpass“ benötigt, wendet sich der Autor an Gott: „Oh Gott, dann war das Färben der Haare für die Passbilder also gar nicht nötig?“ Gottes Antwort: „Doch, und wie nötig es war. Denn Margit hat sich vor allem blond gefärbt, weil sie wollte nicht erkannt werden auf der Strasse.“ (208)

Das sollte ihr im Untergrund helfen, bevor sie schließlich hochschwanger im Horst Wessel-Krankenhaus landete …

(Am 10.5. findet um 16 Uhr eine Lesung aus diesem Buch in Berlin statt, s. auch www.denkmalamort.de.)

 

Ralf Diez