Der Verfasser bietet einen Einblick in das Leben des Mannes, der mit seinem „Abendlied“ in vielen Herzen und Häusern wohnt, von dem aber viele wohl kaum mehr als den Namen kennen. Jürgen Wehrs, stellvertretender Leiter der Claudius-Gesellschaft, widmet sich der Beziehung Claudius’ zum Tod, den er als „Freund Hain“ tituliert und damit Nähe herstellt und ihn auf Abstand hält – wenn der böse Geist einen Namen hat, kann man ihn greifen. Als Claudius elf Jahre alt ist, erlebt er innerhalb weniger Monate den Tod dreier Geschwister. „Freund Hain“ ist ihm nahe und soll fernbleiben, zugleich ist er unvermeidbar als Bedingung, in die Ewigkeit zu gelangen.

Claudius verbirgt sich im Pseudonym „ASMUS“ (dessen Deutung ebenso Rätsel aufgibt wie die Herkunft des Namens „Hain“ für den Tod), schreibt im „Wandsbeker Bothen“ und nähert sich auch dem Tod wie einem Freund mit Abstand. Sein Gedicht auf den toten Vater redet in eigener Weise von seiner engen Beziehung zu ihm und verbirgt sie zugleich: „Ach, sie haben / Einen guten Mann begraben, / und mir war er mehr“. Im Schweigen drückt er aus, was „sich der zeitlichen, örtlichen und begrifflichen Fixierung“ entzieht (29), Gedanken, die sich nicht in Sprache fassen lassen, so Wehrs.

Claudius spielt nicht mit dem Tod, wie es in manchen Zeiten üblich war – er nimmt sein Grauen wahr und ernst, versucht aber, sich ihm anzunähern, weil: „In uns ist zweierlei Natur, / Doch ein Gesetz für beide; / Es geht durch Tod und Leiden nur / Der Weg zur wahren Freude.“ Der Tod als Natur- oder Gottes Gesetz trifft auch das Tier, dem Claudius ein Gedicht widmet: „Da liegt er tot zu meinen Füßen! / Das gute Vieh! / … Ich wollt ihn gern vom Tode retten, / Ich konnte nicht.“

So unausweichlich der Tod ihm ist, in der Krankheit verhandelt er mit ihm um ein paar Jahre – Freund Hain geht noch einmal vorüber. Diese Bitte, vorüber zu gehen, ist auch Kern des Gedichts „Der Tod und das Mädchen“, das eine Nachwirkung nicht nur im Lied Schuberts sondern, wie der Verfasser zeigt, bis in Werke von Franz Hohler und Christa Wolf hat.

Wer also ASMUS, den Wandsbeker Boten und den Verfasser jenes Abendliedes wirklich kennenlernen möchte, findet auf diesen rund 100 Seiten manchen neuen Blick auf Claudius, manches (mir) fremd, manches anziehend.

 

Martin Ost