Auf der Rückseite des hier anzuzeigenden Buches und in seinem Vorwort stehen die folgenden beiden langen, bedeutungsschweren Sätze Hermann Hesses: „Ach. Alle Weisheit ist so einfach, ist schon so lange, schon so genau und unzweifelhaft ausgesprochen und formuliert worden! Warum gehört sie uns nur zuzeiten, nur an den guten Tagen, warum nicht immer?“ Diese Worte Hesses sind wie der Haken, an dem alles hängt.
Zehn recht bis sehr bekannte deutschsprachige Autor*innen aus Deutschland und der Schweiz nehmen sich zehn Weisheiten – man könnte auch Grundsätze oder Wahrheiten sagen – vor und aktualisieren diese. Der älteste Name, der auftaucht, ist Plato, eine der jüngeren ist die auch andernorts häufiger erwähnte Hannah Arendt. Sehr treffend heißt es im Vorwort: „In Essays, Kommentaren und Reden gehen sie [sc. die Autor*innen] zurück und gleichsam vorwärts.“
Immer geht es dabei um uns Menschen, am offensichtlichsten bei Frédéric Zwicker. Er bedenkt unter dem Titel „Sind wir noch die alten Affen?“ das sechs Strophen umfassende Gedicht „Die Entwicklung der Menschheit“ von Erich Kästner. Diesen aufnehmend endet er ebenfalls mit sechs eigenen Strophen. Ein weiteres Beispiel sei genannt: Nora Bossong äußert sich anhand des Buches Kohelet zur Gelassenheit. Ihr Titel fragt: „Wie gelangen wir in all der Vergänglichkeit zur Lebensfreude zurück?“ Die ganz grundsätzliche neutestamentlich-paulinische Weisheitskritik (vgl. etwa 1. Kor. 2,7-9 und 3,19f) bleibt natürlich außen vor, schwebt aber im Hintergrund.
Abschließend noch drei zusätzliche Bemerkungen: Leicht ärgerlich finde ich das schweizerdeutsche „ss“ statt „ß“. Und das m.E. etwas zu kleine Druckbild. Alles kritisch zu sagende wird jedoch durch das sehr gut gelungene Äußere bei weitem aufgewogen. Sehr interessant könnten parallele Erkundungen in anderen Kultur- und Denkkreisen sein. Aber vielleicht ist da schon etwas in der Pipeline… Insgesamt ist man der Herausgeberin und dem Verlag für das Buch sehr dankbar. Deshalb: es ist ein gediegenes kleines, wertvolles Geschenkbuch.
Gerhard Maier