CDs haben es schwer – wer nicht zur LP zurückgekehrt ist, lädt Dateien aus dem Internet oder lässt gleich Algorithmen bestimmen, was „passt“. Der Titel dieser CD klingt zudem nach Wellness, Entspannung und Hintergrundmusik. Die Mühe des Kaufes wie die, den CD-Player zu suchen, lohnt: Der „Klang“ umfasst das Leben – auch seine Misstöne; Riess’ Texte sind die eines alten Mannes, der aber die Jugend nicht vergessen hat. Trauert er um die (am Ende) kurze Kinder- und Jugendzeit und klagt über Beschwerden seines Alters, ist er doch nie wehleidig. Wie es ist, dieses Leben: durchwachsen. Und, wie viele von uns sind: manchmal nostalgisch, aber auch neu-gierig, voll von Fragen und auf der Suche nach Antworten.
Manche Texte zeigen den bäuerlichen Hintergrund von Riess, den fränkischen die Aussprache, den auch seine Sprechschulung nicht ganz unhörbar macht. Klänge des Lebens in allen Gedichten, ungewohnte Theologie und Homiletik in poetischer Form. Das Ungefragte des Lebens, verborgen in der nie an die Schwalben gestellten Frage, wie ihre Reise war und was sie erlebt haben – bis sie nicht mehr kamen. Freude und Schmerz, Erinnern und die „verfluchte“ Vergesslichkeit haben ihren Platz, Hoffnungen, „ungestillte Sehnsucht“, Zweifel: „Wartet jemand auf mich?“ am Abend des Lebens. Am Ende aber ein „anderer Engel“ in dem Garten, der immer schon da war: „Komm nur!“ sagt er, eine Hoffnung, nicht Erlösung von den Fragen.
Zu all dem spielt Anne Kox-Schindelin auf der Harfe Stücke, deren Namen und Komponisten zu Recht genannt werden. Das ist nicht die beliebige Musik beim Friseur und im Supermarkt, aus unsichtbaren Lautsprechen tröpfelnd, die Stimmung macht zum Einkaufen oder Warten. Da gibt es Dur und Moll, laut und leise, fröhlich und getragen. Text und Musik fügen sich und wer sich aufs Hören einlässt, wird reich belohnt. Menschen, die das Evangelium verkünden, erhalten Anregung, wie Poesie in dieser Welt eine andere Welt erschafft, in der Platz ist für Wunder und Hoffnung, so viel Furcht und Elend und Erklärung und Technik auch ist in der Welt und im Leben. Die biblischen Andeutungen werden nicht alle verstehen – Raum, sie Unkundigen zu erschließen. Nur sollte der kluge Theologe, die einfühlsame Theologin die Poesie nicht durch zu viel Belehrung zerstören. Glaube braucht Spiel-Raum, Antwort den Raum der neuen Frage, Zweifel den Winkel, in dem Hoffnung wohnt. Dogmatik ist daraus nicht zu machen – nur der Mut des angefochtenen Glaubens.
Martin Ost