Kristian Fechtner sagte 2009 beim Pfälzischen Pfarrer*innentag zu den kirchlichen Kasualien: „Sie verlieren ihren selbstverständlichen Charakter, sie werden – jedenfalls in bestimmten Milieus – begründungspflichtig und optional. Auch der Bereich der Bestattung unterliegt mehr und mehr Entscheidungsmöglichkeiten, aber auch Entscheidungszwängen: Erd- oder Urnenbestattung, an welchem Ort, öffentlich oder privat, welchen Charakter soll der Abschied haben? Verstärkt werden subjektive Gestaltungswünsche im Blick auf die Trauerfeiern artikuliert, mittlerweile klassisch sind insbesondere Auseinandersetzungen um die Musik: Was kann und was darf nicht sein?“

Das Wort Bestattungsgespräch kommt darin nicht vor, sehr wohl aber vieles, was in der hier anzuzeigenden anspruchsvollen praktisch-theologischen Heidelberger Dissertation vom Sommer 2022 sehr gründlich behandelt wird. Sie widmet sich sehr detailliert (1482 Anmerkungen!) den Bestattungs(vor-)gesprächen. Denn eben dort werden diese Dinge ja (vor-)entschieden.

Etwas erstes ist nun, dass Bestattungsgespräche – so der Verfasser auf S. 23 in seiner Einleitung – sich erst „in den letzten rund 70 Jahren fest etabliert“ haben und dass sie „noch nie Gegenstand einer empirisch-monographischen Auseinandersetzung“ waren. Dieses Desiderat will Bühler „heben und erhellen“ (23f). Eine letzte Information zu Bühler: seit Herbst 2023 ist er Professor für Praktische Theologie an der Theologischen Hochschule Reutlingen.

Und – um das eingangs zitierte Fechtner-Wort fortzuführen – kommt etwas Zweites hinzu, das jede*r, der/die Rituale begleitet bzw. verantwortet, erlebt: „Die Bestattungskultur wurde vielfältiger.“ (20, umgestellt). Das neue Leitwort ist Singularität; siehe dazu S. 21f (mit einem sehr anschaulichen Beispiel). Um zu dieser Singularität zu gelangen, bedarf es komplexer (Vor-)Gespräche. Diese sind Thema von Bühlers Untersuchung. Sie ist nach der „Einführung“ in drei Teile gegliedert. Nach dem ausführlichen Teil A (27-169: „Forschungsgeschichte und Studiendesign“) folgt der materialreiche, gesprächsanalytisch basierte Teil B (171-644: „Empirische Analysen und ihre praktisch-theologische Interpretation“). Der dritte, kleinste Teil C (645-669: „Summe – Synthese – Ausblick“) beschließt die Untersuchung.

In Anlehnung an Henning Luther und Jürgen Moltmann formuliert Bühler auf S. 668f seine letzten Sätze so: Das Ziel einer christlichen Bestattung ist es, „an das vergangene und geschenkte Leben zu erinnern und gegen das Genommene hoffnungsvoll zu protestieren“ (Luther); „hoffnungsvoll, denn ‚dort, wo in der Auferweckung des Gekreuzigten die Grenzen durchbrochen sind, an denen alle menschlichen Hoffnungen sich brechen, dort kann und muss der Glaube zur Hoffnung sich weiten.‘“ (Moltmann, Theologie der Hoffnung, 15)

Am Ende dieses Buchhinweises sei Bühler für seine monumentale Arbeit gedankt, und ich möchte ihn und den Verlag herzlich bitten, in Analogie zu Ulrike Bittner (Diss. 2016, Volksausgabe 2019) für eine gekürzte und konzentrierte Volksausgabe zu sorgen. Denn wer kauft oder liest so einen teuren Wälzer?

Gerhard Maier