Christoph Bevier, evangelischer Pfarrer, Pastoralpsychologe und Supervisor lädt in seinen Gedichten ein, in den Strom zu springen oder besser gesagt, in die Nähe des Stroms sich zu wagen, zu Gott hin. Im vorliegenden Gedichtband sind zwei Teile eines großen Gedichtes veröffentlicht. Die Teile „Natur“ und „Transparenz“ sind veröffentlicht, die Teile „Buch“ und „Mensch“ noch nicht.

Ich sehe in den Gedichten, was der Autor sieht:

„Nicht der Nebel ist Gott, aber Gott
Ist im Nebel, und nur heute und nur
Beim ersten Blick aus dem Fenster…“ (vgl. S. 13).

Unwillkürlich schaue ich aus dem Fenster auch im Nebel, die Worte machen mir Lust, meine Momentaufnahme im Strom, „der zu Gott hin fließt“, zu wagen. Alltagsimpressionen, der Blick in das erste Evangelium, in die Natur – in die verschiedensten Momentaufnahmen werde ich mitgenommen: in die Farben der Weinberge, zur Krähe oder auch in die Lichtspiele, die zwischen Himmel und Erde zu entdecken sind. Ich treffe auch auf heilsame Unterbrechungen des Schauens, Entdeckens – manchmal wortreich, manchmal fremd. Ein „mystischer Moment“ geschieht, ist nicht machbar: „Manchmal kehrt Gott ein, / Legt sich neben dich…“ (vgl. S. 21).

In den Strom hin zu Gott zu kommen heißt, nicht angestrengt im Schauen sich zu verlieren. Es geschieht – eine wunderbare Erinnerung. Jedes Gedicht eine Annäherung, nicht mehr und nicht weniger. Der erste Teil des Gedichtbandes „Natur“ kommt bei mir als Seh- und Schaueinladung an. Der oder die Leser*in kann ihr eigenes Gedicht jeden Tag beim Spaziergang, beim Blick in den Himmel oder im Nieselregen entdecken. Im zweiten Teil des Gedichtes, überschrieben mit „Transparenz“ (vgl. S. 67ff), kommt das Ringen um die Transparenz im Strom, „der zu Gott hin fließt“, zur Sprache. Ich entdecke das Ringen mit dem immer wieder unbegreiflichen Gott. Mich berührt die Begegnung mit dem „zermürbten Gott“, ebenso der „Der harmlos gemachte Gott“. Fast spiegelbildlich der Blick auf das Ringen eines Menschen in der Schwermut: „Die Schwermut könnte ein eigner / Weg hin zu Gott sein, ruhend, / Passiv, in sich gekehrt, / Dunkel, still, warm“ (vgl. S. 76), oder in der Leere „Die Leere, aus der Gott / Kriecht“ (vgl. S. 80). Und dann wieder – fast überraschend: „Mitte Januar ist die Sonne so / Ungemein fröhlich… / In die Reflexion der Bezüge spielt / Sich Gott ein als eigentlicher Bezug“ (vgl. S. 87). Und der Ausblick: „Die Müdigkeit webt dich / In Gott ein…“ (vgl. S. 102).

Diese Gedichte wirken auf mich wie Tanzschritte hin zum unbegreiflichen und doch so nahen Gott. Annäherung, Abgrund, ein Moment des erhellenden Blickes – für mich spüre ich durch diese poetischen Texte die Einladung, auch in meiner persönlichen Suche, Annäherung und in alle Abgründe hinein „… in den Strom zu kommen, der zu Gott hin fließt“. Diese „Geistlichen Gedichte“ eignen sich als Geschenk für Suchende, Ringende, für Menschen, die sich nach einer Annäherung zu Gott sehnen. Ob sie auch im liturgischen Bereich laut werden können oder könnten? Das käme auf einen Versuch an – vielleicht auf Stillen Wochenenden oder an einem Oasentag. Als „Stolperfalle“ erlebe ich die fast durchgehenden Großbuchstaben beim Zeilenanfang der Gedichte, für mich nicht hilfreiche Irritationen, aber vielleicht ja bewusst gesetzt? Ein kleiner Gedichtband, der nicht leicht verdaulich daherkommt, aber deshalb umso wertvoller und gemäßer für die Begegnung zwischen Gott und Mensch und Mensch und Gott ist.

Susanne Schneider-Riede