Die Schatztruhe unseres Glaubens öffnen

Die Macht des Gebets

„Das Gebet hat große Macht, … Es zieht den großen GOTT in ein kleines Herz. Es treibt die hungrige Seele hinaus zu dem GOTT der Fülle.“ So sagt es Mechthild von Magdeburg, ganz in der Erfahrungsspur des Jak.: „Das Gebet wird helfen“. Damit wendet er sich an drei Gruppen: zwischen den Notleidenden und den Kranken stehen die, die „gut drauf“ sind. Ich sehe in dieser Komposition eine Wiedergabe unseres Lebens: zwischen Not und Krankheit aufblitzendes Glück. Und in jeder Lage bin ich eingeladen: „Bring dein Leben vor GOTT, lege deine Wunden offen zum Verbinden und Heilen, öffne deinen Mund und verschweige deine Not nicht, berge dich in den Worten deiner Glaubensvorfahren. Nimm die Psalmen als Klangreisen für dein Lob.“

Das Gebet ist ein Potential, das jedem einzelnen Menschen zur Verfügung steht. Und zugleich das Potential der glaubenden Gemeinschaft. „Rufe deine Glaubensgeschwister in Krankheit, fordere die Krankensalbung an.“ Das Gebet wird hier nicht übergestülpt. Da ist zuallererst meine Aktivität, mein Hilferuf. Krankheit kann leicht in Isolation führen und zu einem privatisierten Schicksal werden. Die Erfahrung von Scham über Kranksein und Notzustände bildet den aktuellen sozialen Hintergrund vieler Menschen. Jak. ermutigt: „Geh aus deiner Isolation, bring dich und das, was dich ausmacht, ins Gespräch mit deinem GOTT und deinen Schwestern und Brüdern.“ Heilsame Hilfe leuchtet hier als „In -Beziehung-Kommen“ auf.

Was sein darf, kann sich verändern.“ Dieser Satz aus der Focusing Therapie springt mir aus den Zeilen entgegen: Was sich zeigen darf, was hineingehalten wird in den größeren Raum der Liebe Gottes, findet Verwandlung, oft schon dadurch, dass es da sein darf. Das ganze Leben kann ausgebreitet werden.

Gebet, Handauflegen und Salben mit Öl als freisetzende, eröffnende Rituale

Das ist die Erfahrung der jungen Christengemeinden: „Das Gebet wird dem Kranken helfen.“ Es bleibt offen, wie dies aussieht. Jak. wird nicht konkreter. Er geht davon aus, dass es ein Tun ist, das einfach getan werden kann. Es ist wie ein Raum. Mit ihm stelle ich die heilende Gegenwart Christi nicht her, sondern stelle mich in seine Gegenwart hinein. Wenn ich ernst nehme, dass Christus mitten unter uns ist, im konkreten Augen­blick, dann kann ich um Heilung beten und vollmundig sprechen: „Im ­Namen Jesu dir ist vergeben, du bist frei von …. Sein Geist salbe deine ­Wunden …“.

Wie ernst nehmen wir als Christen dieses Potential zum Heilen? Trauen wir uns, so zu beten? Oder haben wir zu viel Angst, was da passieren kann oder eben nicht passiert? Als eine, die es immer wieder erlebt, wie das segnende Gebet um Heilung und Salbung heilsam wirkt, frage ich mich: Warum sind wir so sparsam mit unserem Potential – Beten, Handauflegen, Segnen, Salben? Warum halten wir uns zurück und überlassen es esoterischen oder fundamentalistischen Kreisen? „Der HERR wird den Kranken aufrichten.“ Das Gebet hat die Wirkung, die es durch GOTT hat. Nicht mein Quantum an Glauben, der nur groß genug sein muss, macht gesund.

Wie kann Heilung aussehen?

Oft werden Menschen nicht so gesund, wie ich es und die Kranken erhofft haben, aber es geschieht eine Wandlung. Ein Prozess beginnt. Das Gebet kann wie ein Aufbruch für einen Heilungsweg wirken. Manchmal beginnt es auch damit, dass ich meine fixen Vorstellungen, wie Heilung auszusehen hat, loslasse. Oder damit, dass ich mir erlaube, krank sein zu dürfen. Heilung beginnt auch da, wo verschiedene Heilungswege zusammenkommen dürfen: medizinische, psychotherapeutische und geistliche Wege. Jak. nimmt das zeitgenössische medizinische Heilwissen ganz selbstverständlich mit auf, wenn er von der heilsamen Wirkung des Öls ausgeht.

In die Erfahrung kommen: Bei diesem Gottesdienst legt es sich nahe, eine persönliche Segnung anzubieten, z.B. vor den Fürbitten oder vor dem Schlusssegen. Öffnen wir die Schatztruhe unseres Glaubens, selbstverständlich – weil sie zum Selbstverständnis unseres Glaubens gehören.

 

Thea Vogt

 

 

Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 9/2023

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