Die Rechtfertigung der anderen

Meist sind sie schön, die großen Feste im Sommer. Eine Geburtstagsparty, ein Straßenfest. Und manchmal kommen dann Gäste zusammen, die es sonst gar nicht gut miteinander aushalten. Irgendetwas ist vorgefallen. „Wie konnte er nur?“, „Was hat sie sich dabei gedacht?“ wird getuschelt, und manche gehen sich aus dem Weg. Der 3. Sonntag nach Trinitatis erzählt von Gottes Sympathie für die, die sich verrannt haben, vielleicht eine Zeit lang in die Irre gegangen sind. Thema ist die Rechtfertigung der anderen. Also derer, denen man die Gnade Gottes nicht so richtig gönnt und mit denen man sich beim Sommerfest nicht so gern den Stehtisch teilt.

Mehr Recht und weniger Gnade bitte!“

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn prägt diesen Sonntag. Der jüngere der beiden Brüder hat die Familie verlassen, das Erbe verprasst, und ist dann im wahrsten Sinne des Wortes umgekehrt. Trotz allem, was vorgefallen ist, erweist sich der Vater als gnädig und nimmt ihn wieder bei sich auf. Es wird sogar ein Fest vorbereitet. Über weite Strecken handelt die Geschichte vom älteren Bruder, der nicht einverstanden ist und schon gar nicht mitfeiern möchte. Gottes Gnade ist wohl manchmal schwer auszuhalten, wenn es um die anderen geht. Jona ist ein wenig wie der ältere Bruder in Lk. 15: Mehr Recht und weniger Gnade bitte!

Die Jonageschichte hätte in 3,10 gut enden können. Jona sagt der Stadt Ninive den Untergang an, die Menschen kehren um, die Strafe Gottes bleibt aus. Ende gut, alles gut. Aber nicht für Jona. Bei ihm kommt keine Feierlaune auf, sondern nur Verdruss. Formelhaft weist Jona darauf hin, wie er Gott kennt, nämlich als „gnädig, barmherzig und von großer Güte“. Das hätte er sich ja gleich gedacht. Was sollte dann die ganze Mission? Der Prophet wird zornig und muss sich Gottes Gegenfrage gefallen lassen: Meinst du, dass dir Zorn zusteht? So erzählt die Geschichte auch von einer Ausweitung der Sympathie Gottes. Jona muss mitansehen, dass hier der Stadt Ninive, den Assyrern, also den Nicht-Israeliten etwas zuerkannt wird, worauf sonst nur Israel hoffen kann: Gottes Gnade.

Gottes Sympathie für die anderen

Der Epilog 4,5-11 schließt sich nicht ganz reibungslos an. Warum soll Jona sich noch einmal zurückziehen und aus der Stadt hinausgehen, um zu sehen, was ihr geschieht? Dieses „wollen doch mal sehen, was passiert“ kann man sich gut zu einem früheren Zeitpunkt vorstellen, etwa nach der Gerichtsansage in 3,4. Aber so? Wie dem auch sei, was sich anschließt, unterstreicht noch einmal mit starker Symbolik die Pointe des Jonabuchs. Gott lässt eine Rizinusstaude wachsen, wörtlich: er teilt sie zu, so wie in 2,1 den Fisch, und gleich im Anschluss den Wurm. Gerade noch gab die Staude Schatten, jetzt verdorrt sie. Zum zweiten Mal ist Jona zornig und möchte lieber tot sein als leben. Gott rückt das zurecht und sagt: Du trauerst um eine Pflanze, die du noch nicht mal selbst geschaffen hast – und ich soll nicht über ein Volk trauern, dass ich sehr wohl geschaffen habe? – Der Richter, der hier Gnade walten lässt, ist eben auch der Schöpfer. Auch die Völker dürfen auf ihn hoffen.

In Gottes Sympathie für die anderen gilt es an diesem Sonntag einzustimmen und das Fest mitzufeiern, das für den jüngeren Sohn aus Lk. 15 gegeben wird. Auch in Ninive wird womöglich Essen zubereitet und Musik gespielt. Wir könnten einstimmen mit EG 412,6: „Vergibst mir täglich so viel Schuld, du Herr von meinen Tagen; ich aber sollte nicht Geduld mit meinen Brüdern tragen, dem nicht verzeihn, dem du vergibst, und den nicht lieben, den du liebst?“

 

Titus Reinmuth

 

Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 5/2023

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