Der 1. Sonntag nach Ostern

Zwei unterschiedliche Stationen der frühen Christentumsgeschichte im Evangelium und in der Predigtperikope prägen den Gottesdienst am 1. Sonntag nach Ostern: Das Johannesevangelium tadelt Thomas ob seines Ansinnens, sich mit dem Finger zu überzeugen, nicht, sondern ermutigt die frühe Gemeinde zum Glauben. Den Hörenden des Evangeliums im 1. Jh., die in einer ähnlichen Situation sind wie die Leser*innen des 1. Petrusbriefes wird ins Stammbuch geschrieben: Vertrauen entsteht nicht unbedingt nur dadurch, dass man sich mit eigenen Augen überzeugt, dass bestimmte Dinge „wahr“ sind.

 

Eine Gemeinde im historischen Übergang

Der 1. Petr., ein pseudepigrafer Brief eines im Judenchristentum beheimateten Autors, macht sich wenig Mühe, seine „Fremd-Autorenschaft“ zu verheimlichen. Entstanden um die erste Jahrhundertwende wendet er sich an die ersten Christengemeinden und will unter Verweis auf atl. Zitate die junge, unter Druck stehende christliche Basisbewegung zum Teil ermahnen und vor allem ermutigen.

Offensichtlich wird es in dieser Zeit zumindest noch von einigen als Mangel empfunden, sich nicht mehr selbst überzeugen zu können. Jedenfalls lobt der Autor die Mitchrist*innen dafür, dass sie Liebe und Vertrauen zu Jesus haben, auch wenn sie ihn nicht gesehen haben (V. 8). Die Erinnerung an „echte Zeugen“ scheint noch lebendig.

 

Glaube ohne haptische, akustische oder optische Selbstüberzeugung

Spätere Generationen bis hin zu uns kannten es nie anders. Sie und wir nehmen es als geschichtliche Tatsache hin, dass Glaube ohne haptische, akustische oder optische Selbstüberzeugung mit dem lebenden Jesus auskommen muss. Mag sein, dass viele Glaubende den Wunsch kennen, auch einen solchermaßen erlebten Halt im Glauben zu haben. Einen unzweifelhaften Beweis, der Sicherheit schafft und scheinbar nicht bestritten werden kann. Aber wenn Christ*innen heute von Vertrauen in Jesus als Heiland und auf seine Botschaft sprechen, dann in der Regel mit Verweis auf die Wirkungen im eigenen Leben und in der Menschheitsgeschichte, die überzeugen konnten. In Liedern und Gebeten, in Bekenntnissen und in erbaulichen Texten berichten Menschen aller Jahrhunderte, dass sie in diesem Erleben eine tiefe Liebe spüren, die ihnen zufließt und die sie entsprechend erwidern können.

 

Wenn Selbstverständlichkeiten nicht mehr gelten

Und doch: Manches ist heute nochmals signifikant anders. Sogar das Vertrauen auf das eigene Erleben steht infrage und ist erschüttert. Und mit ihm auch das in die Institution, ihre Geschichte, ihre Mitwirkenden, ihre Botschaft. Menschen, die sich nach Gewissheit sehnen, tragen schwer daran, dass Selbstverständlichkeiten nicht mehr gelten. Der Boden, auf dem wir stehen, ist erodiert und damit vielfach auch das naive oder reflektierte Vertrauen auf Gott.

Eine sichere Hoffnung (V. 3), wie sie der Autor des 1. Petr. äußert, wünschen sich viele Christ*innen. Indes will sie sich nicht (mehr) so einfach und selbstverständlich einstellen. Gewissheiten sind verloren, lange als gültig erachtete Glaubensüberzeugungen sind brüchig geworden. Mancher spricht schon von „palliativer Ekklesiologie“ und betrauert bereits den unaufhaltsamen Niedergang des christlichen Glaubens in unserer Region.

 

Ein trotziges Dennoch

Wie anders klingt es im 1. Petr. Der Autor erlebt sich als „von neuem geboren“ und mit „sicherer Hoffnung“. Der Blick nach vorne richtet sich auf die verheißene künftige Welt „am Ende der Zeit“, sobald „der Tag der Rettung“ anbricht. Auf diesem Glaubensfundament kann der Autor dann auch all „das Schwere“ und manch „Leiden“ umdeuten. Es gibt die Chance, den eigenen Glauben „zu prüfen“, auf dass er sich in feindlicher Umgebung „bewähre“. Gott selbst stehe für diesen „Plan“, ist der Autor überzeugt. Wer standhaft bleibe, dem werde Lob, Ruhm und Ehre von Jesus zuteil. Und so sieht er schon in der Zeit bis dahin viel Grund zur Freude und zum Jubel.

Es ist dieses „Trotzdem“, dieses trotzige „Dennoch“, das gläubige Menschen in der heutigen Zeit ansprechen kann. Immerhin zeigt das Schreiben, dass Unsicherheiten, Herausforderungen und „Prüfungen“ nicht zwangsläufig von Gott wegführen müssen, sondern umgekehrt zu ihm hin. In der Überzeugung, dass Standhaftigkeit im Glauben sich auszahlt.

 

Geprüfter“ Glaube

Natürlich wird der Glaube durch Erlebtes und Erlittenes immer wieder auf die Prüfung gestellt. Ob als Schickung Gottes oder einfach, weil die Welt so ist, wie sie ist, ändert an der existenziellen Erfahrung nur marginal etwas. Der Glaube kann individuell stärker und reifer aus solchen Phasen herauskommen. Das kann wie Rettung erlebt werden, auch ganz ohne Rekurs auf die hier vom Autor vertretene futurische Eschatologie. Nicht nur möglich, sondern leider ebenso oft auch Wirklichkeit, ist der Ausgang, dass der Glaube an diesen Herausforderungen – seien es Ungerechtigkeit, Krankheit, Tod und vieles mehr – zerbricht. Dass ein liebender Gott, solcher Art Prüfung auferlegt, mag ich nicht glauben.

Ein Glaube indes, der um sein Bedrohtsein weiß, vermag schon im Heute zu retten und zu Jubel und Dank führen. Ob das Ziel des Glaubens dann die endgültige Rettung am Ende aller Zeiten ist oder das stärkende Vertrauen auf Gott und Jesus im Hier und Jetzt, mag jede*r für sich selbst beantworten.

 

Markus Eisele