Ich bin …“

Die „metaphorische Personalprädikation“, hier als das „Ich bin +“, schreibt dem Träger (bzw. spricht aus den Worten des Johannesevangeliums) Jesus eine einmalige, hoheitsvolle Rolle zu. Die Gemeinde des Joh. steht einerseits vor der Trennung vom Judentum und andererseits an der Schwelle zum Christentum. Dabei fungiert Christus als eine Integrationsfigur in einer vermutlichen Gemeindesituation, die sowohl integrationsbedürftig als auch autoritätsorientiert ist. Ich nehme an dieser Stelle keine individualistisch-konfessorische Glaubenskonzeptionen an. Im Vordergrund steht aus meiner Sicht eine gemeinschaftsorientierte, familiale, gemeindliche. Damit ist die theologische und soziale Verbindung in die Vergangenheit zu den Vätern und dem Volk Israel prägend und zugleich die diakonische Zukunft, die in jedem „Ich-bin-Wort“ wohnt.

Die „Ich bin“-Worte kommen dem zu, der zwischen Gott und Mensch vermittelt. Sie beschreiben die dialogisch-liturgische Dimension der Perikope, während sich in der Metapher, hier „das lebendige Brot“, die diakonische Zielperspektive der („Ich-bin“-)Predigt andeutet. Das Brot steht für einen unmittelbaren Lebenszusammenhang, der Alltäglichkeit und Ewigkeit im Integral einer „heiligen Nahrung“ verbindet. Die gegenwärtige Veränderung einer Abendmahlskultur, die diese Gleichzeitigkeit von heiliger Nähe und normaler Nahrung wiederentdeckt, hat damit alte Wurzeln. Und es sprießen wieder – nicht erst seit Corona – die Fragen, was im Abendmahl konstitutiv und kontingent sei.

 

Abendmahl – postkolonial

Die postkoloniale Diskussion öffnet den Blickwinkel dafür, was Jesus vor 1492 in Amerika – eine Welt ohne Weizen und Wein – geteilt hätte. Oder ob in Ghana mit Früchten und in Polynesien die Kokosnuss als dortiges „täglich Brot“ nur in der Lage gewesen wären, dass Menschen sehen und schmecken, wie Erlösung und Freiheit des Glaubens als ein „Ich-bin-für-dich“-Ereignis wahr werden. Wenn auch die Liebe Gottes durch den Magen geht, dann wird der Glaube der Menschen von diesem „Ich bin“ leben.

Gerade weil die Ewigkeit selbst das Mindesthaltbarkeitsdatum von Brot in jeder Hinsicht durchbricht, kommt beim Abendmahl in seiner weltweiten Vernetzung Vielfalt auf den analogen und digitalen Tisch. Wer von diesem Tisch aufsteht und dem „Ich bin“ begegnete, der wird Brot mit anderen teilen, zum Licht führen, Dir Türen öffnen und Dich auf den Hirten weisen, manchen beim Sterben von der Auferstehung erzählen, mit vielen um Weg-Wahrheit-Leben ringen und beharrlich den Weinstock pflegen, auch wenn dieser alt und müde wäre.

 

Diakonische Klimax

Die Diakonie der Ich-bin-Worte ist das gelebte Glaubensbekenntnis nach der Präambel (V. 47), an dessen Ende ein Doppelpunkt stehen müsste. Glauben bekennt sich zu dem, was V. 48-51 zusammenfasst. In wenigen Worten: das Leben der Väter, des jüdischen Volkes, der Wüstenzeit und auch des Sterbens. Worte des Lebens morgen, der Kinder dieser Väter, des Volks der kommenden christlichen Gemeinschaft, der Himmelszeit und „für das Leben der Welt“ (51c).

Die letzten fünf Worte sind der Höhepunkt in der diakonischen Klimax des Textes. Aus zwingender Nachahmung einer zwanghaften Abendmahlspraxis, schmeckt in Zukunft das Abendmahl wieder nach lebensnaher Nachfolge. Da, wo meine Lebensmitte ist, wirkt es. Mit den Lebensmitteln, die mich haben aufwachsen lassen, werde ich teilen. Mit dem Glauben, der mich mit Christus verbindet, lebe ich ewig und werde frei von und ebenso für trockene Wüsten und Oblaten, ob mit Wein oder Traubensaft, aus Reismehl und mit Kokosnüssen. Der theologische und diakonische Geschmack am Rosensonntag, erzählt dann von einem kleinen Osterfest in der Passionszeit, von einer Freude an der Vielfalt des Lebens und an einem „Ich bin“, das es im Johannesevangelium nicht ohne ein Surplus gibt. Der Überschuss des Glaubens ist Diakonie. Der Überschuss der Predigt führt zum Essen nach dem Gottesdienst und an Lätare zum „kleinen Osterfrühstück.“

 

Literatur

Anselm Schubert, Gott essen, Eine kulinarische Geschichte des Abendmahls, München 2018

 

Lars Hillebold