Untergangsphantasien
Über den Sturm und die Stimmung an Bord brauchen wir nicht viele Worte zu machen – es ist egal, wie es sich zutrug, egal auch, ob. Stürme toben heute, und Bilder bedrohlicher Wasserfluten machen die Hilflosigkeit angesichts des Wassers deutlich, das, selbst wenn es Balken mitreißt, keine Balken hat. Die „Natur“, lesen wir, wendet sich gegen die Menschen. Dass auch andere Geschöpfe untergehen, wird nicht erwähnt – noch im gefühlten Untergang nehmen Menschen sich wichtiger.
Das sind „Tatsachen“, Gegebenheiten, Naturgesetze. Die sich bedroht Fühlenden wollen sich umbenennen, nicht mehr „Letzte Generation“ (die letzte, die das Unheil noch abwenden kann), weil es heute nicht mehr abzuwenden ist. Sie drohen anderen mit dem Unheil, in dem sie unterzugehen fürchten. Und fühlen sich besonders, weil sie es immer gewusst und gesagt haben.
Ohnmachtserfahrungen
Dass Gott schläft und man ihn wecken könnte, diese Hoffnung will nicht entstehen. Auch an Bord dieses Schiffes kommt sie (fast zu) spät. So oft auch Nichtchristen über „Schöpfung“ reden und Christen das Wort (und die Maßnahmen zu ihrer Bewahrung) biblisch finden, so wenig glauben wir an die Macht Gottes über sie, die Schöpfung, und meinen, selbst bewältigen zu müssen und zu können, was sich zur Bedrohung gewendet hat.
Nicht nur in der Schöpfung, auch in den Wandlungen der Geschichte, den neuen Konstellationen von Freund und Feind, im Gefühl, dass der Staat nicht mehr funktioniert, Leben nicht mehr sichern und unseren Kindern und Enkeln Wohlstand und Leben im Frieden nicht mehr garantieren kann, fühlen Menschen sich im Sturm. Allein.
In der Angst zerstören zu viele jede Grundlage unseres Miteinanders, träumen vom starken Mann (kaum jemand wirklich von einer starken Frau) und huldigen einer Kultur männlicher Stärke, als habe nicht diese ebenso wie die menschliche Hybris, alleine klar zu kommen (biblisch „bebauen und bewahren“), genau jene Zerstörung der Schöpfung angerichtet, und meinen dabei, sie könnten doch und müssten alles ins Bessere einer neuen Zeit wenden. Menschen sprechen verschiedene Sprachen, laufen in alle Richtungen auseinander.
Ruhepol
Predigerinnen und Prediger sollten den Blick auf den schlafenden Jesus richten, der dabei ist, obwohl es sein Eingreifen nicht einmal bräuchte – so klingt es hier, wenn wir nur Glauben hätten, wir Christenmenschen. Nicht den Sturm predigen und ausmalen, was jede „Tagesschau“ besser kann, sondern jenes Kissen sehen, auf dem er liegt, weich gebettet anscheinend, während seine Freunde sich dem Untergang nahe glauben. In Wahrheit muss er den harten Weg gehen, damit die Liebe Gottes, die immer noch da ist und alle trägt – uns und die letzte und alle folgenden Generationen –, greifbar wird.
Die Jüngerinnen und Jünger verstehen nicht, wer der ist, dem Wind und Meer gehorchen, und gehen doch los, von ihm zu reden, und spüren ihn neben sich in den Stürmen seit Anfang der Welt. Davon haben auch wir zu reden, sonntags, damit wir im Alltag nicht schreien und noch in unserem Auf-uns-allein-gestellt-Sein unsere Eitelkeit pflegen, es schaffen zu müssen und zu können, wenn…
Wenn die Welt Schöpfung ist, ist der Schöpfer in ihr und bei uns.
Martin Ost