I
Ein Busch brennt. Und aus dem Feuer spricht Gott. Gott ist Feuer (Ex. 24,17; Dtn. 4,24; Jes. 10,17; Hebr. 12,29). Das ist etwas anderes als ein Vergleich. Bemüht man einen Vergleich, geht man davon aus, dass Gott sich in einer anderen Dimension befindet und deshalb unserem Begreifen nicht zugänglich ist. Ein Vergleich nimmt dann eine Sache aus unserer vertrauten Welt und behauptet: So ähnlich ist Gott. Mit dem Feuer ist es anders. Aus dem brennenden Busch, aus dem Feuer, ruft Gott Mose an (V. 4). Gott ist also im Feuer. Das Feuer ist Gott selbst.
Wir sollen uns kein Bild von Gott machen. Doch Bilder stellen sich ein, ob wir wollen oder nicht. Noch vor der Sprache besteht der Bodensatz unseres Denkens aus Bildern. Allerdings gibt es Unterschiede: Feuer, aber auch Wasser und Wind (Atemluft) sind keine beliebigen Bilder, sondern die Grundgegebenheiten des Lebens. Deshalb setzen sie uns auch nicht – wie andere Bilder – der Gefahr aus, Gott festzulegen. Weil sich die Elemente Feuer, Wasser, Wind selbst nicht festlegen lassen. So haben wir im Feuer die Möglichkeit, Gott in gewisser Weise sinnlich zu erleben.
II
Vom Feuer lässt sich kaum sagen, wie es ist. Gerade war es noch ein Kerzenflämmchen – wenig später kann ein ganzes Haus in Brand stehen. Feuer lässt sich nicht greifen. Bei einer Kerzenflamme kann man es ausprobieren. Trotzdem hat sie eine Macht, die man nicht ignorieren kann – und wenn man es doch tut, dann zum eigenen Schaden.
Genauso ist Gott. Feuer, könnte man sagen, ist eine Erscheinungsweise Gottes. Wir tragen es sogar in uns, wenn auch nicht in Gestalt einer Flamme. Doch was in jeder Zelle abläuft, was unserem Körper seine Temperatur gibt, ist ein Verbrennungsvorgang. Das Feuer in uns ist Bestandteil des Lebens in uns – neben Luft und Wasser.
III
Wo wir uns solche Zusammenhänge klar machen, schwindet die akademische Distanz zu dem „Gegenstand“, mit dem wir uns bei der Predigtvorbereitung beschäftigen – „Gott“ als das „Theo“ in „Theologie“. Feuer ist kein Gegenstand und Gott ist kein Gegenstand.
Vor allem können wir uns vor Gott nicht sicher wähnen, auch wenn unser Denken ihn in einer verbal-geistigen Unbestimmtheit halten möchte. Genau das erlebt Mose am brennenden Busch. Nach Ägypten zurückgehen müssen, wo er wahrscheinlich als Mörder zur Fahndung ausgeschrieben ist, ist das letzte, was Mose sich wünscht. Doch er kann die Macht Gottes nicht ignorieren. Obwohl Gott nie droht, nur überzeugt. Wie bei einem Kind, das ganz von selbst lernt, mit dem Feuer angemessen und respektvoll umzugehen, wenn man es nur altersgemäß seine Erfahrungen machen lässt.
Mose merkt: Gott ist massiv präsent in der Welt und beeinflusst mein Leben. Wahrscheinlich wird ihm nach dem Erlebnis mit dem brennenden Busch jedes abendliche Lagerfeuer zur Erinnerung an Gottes Präsenz.
IV
Dann fragt Mose Gott nach seinem Namen. Vielleicht sein letzter Versuch, die übermächtige Präsenz doch noch irgendwie in den Griff zu bekommen. Doch Gott, das Feuer, entzieht sich wieder: „Ich bin, der ich sein werde!“ Gott lässt sich nicht festlegen und legt sich selbst nicht fest. „Du wirst schon merken, wie ich bin!“ Bei jeder Begegnung wieder neu.
Es gibt ein Gebet von Janusz Korczak (Gebetszyklus: Allein mit Gott, 1922), das dieses Sich-Entziehen Gottes aufnimmt und in Vertrauen umprägt: „Ich nenne dich weder der Große, noch der Gerechte, noch der Gute. Ich sage nur zu dir: Mein Gott. Ich sage mein – und habe Vertrauen.“
V
Überall, wo wir Gott fassen wollen, im Voraus wissen wollen, was wir von ihm zu erwarten haben – also dass er etwa groß, gerecht, gut sei –, gehen wir in die Irre und werden enttäuscht. Zweifel an Gott sind Zweifel an den Bildern von ihm. Gott, das Feuer, ist kein Bild. Es ist Wirklichkeit. Es ist Gottes Präsenz in seiner Welt.
Michael Rau