Selbstoptimierung
„Selbstoptimierung ist ein sehr kontrovers diskutiertes aktuelles gesellschaftliches Leitbild oder Orientierungsmuster für die individuelle Lebensgestaltung: Jeder und jede soll das Beste aus sich und seinem Leben machen. Von Trendforschern wird das 21. Jahrhundert als ‚Zeitalter der Selbstoptimierung‘ ausgerufen, und Soziologen sprechen von ‚Optimierungsgesellschaften‘ … Worin genau das ‚Optimum‘ besteht und welches die konkreten Ziele der Selbstoptimierung sein sollen, steht nicht definitorisch fest. Optimiert werden können sämtliche Dimensionen des ‚Selbst‘, also z.B. physische, psychische, soziale und geistige Zustände oder Eigenschaften, Handlungsabläufe, Arbeitsprozesse, Kompetenzen etc. Definitionsgemäß stellt die Selbstoptimierung aber eine Verbesserung, d.h. eine Veränderung hin zu etwas Gutem oder Besserem dar.“(https://www.bpb.de/themen/umwelt/bioethik/311818/selbstoptimierung, aufgerufen am 01.10.24)
Selbstoptimierung ist ein gesellschaftliches Leitbild, wobei sehr unterschiedlich definiert ist, worin das Ziel besteht. Es wird insbesondere in den Sozialen Medien propagiert, zu deren Nutzern ein Großteil unserer Gemeinden, vor allem der jüngeren Mitglieder, gehört.
Geistesgaben
In den Paränesen der Paulusbriefe geht es durchaus auch um Selbstoptimierung. Ihr Ziel ist ein ethisches, die Maßstäbe sind biblisch: Liebe, Eifer für Gott, Hoffnung, Gastfreundschaft, Empathie, Demut. Sie stehen damit zum Teil im Widerspruch zu dem, was ansonsten heutzutage als Ziel von Selbstoptimierung propagiert wird. Insbesondere die letzten Wörter unserer Perikope, die Ablehnung des Stolzes auf die eigene Klugheit. Aber auch körperliche Optimierung, Fitness, Schönheit, geistige Leistungsfähigkeit, Erfolg, Glück, persönliche Autonomie, Freiheit tauchen bei Paulus in diesem Zusammenhang nicht auf.
Biblische Selbstoptimierung unterscheidet sich grundsätzlich von der heute oft als Leitbild propagierten. Vor allem werden die Ziele der (Selbst-) Optimierung in der Bibel – wenn es gelingt sie zu erreichen – als Gaben Gottes, als Geistesgaben angesehen (s. die vorangehenden V. 3-8). Sie sind nicht verfügbar, nicht machbar, können aber erbeten werden. Das verhindert jeden Leistungsgedanken und jeden Stolz auf Erreichtes als eigene Leistung.
Ermahnungen
Paränesen gehören zu den ungeliebten Teilen der Briefe, weil sie dem Evangelium zu widersprechen scheinen. Sie dienen jedoch dazu, klar zu machen, worin ein Leben im Sinne Gottes besteht – ein gutes Leben, das uns in Vollendung nicht gelingen wird, weshalb wir Gottes Gnade umso mehr brauchen. Paränesen dienen dazu, ein christlich geführtes Leben von anderen Lebensentwürfen abzugrenzen. Die Mahnungen unseres Predigttextes scheinen mir die in unseren Gemeinden und unserer Kirche anzutreffenden Schwächen genau zu treffen. Sie sind aktuell – leider immer noch. Insofern ist der Predigttext auch nach so vielen Jahrhunderten christlicher Erziehung und Gestaltung der Gesellschaft nicht obsolet geworden.
Neben der Selbstoptimierung als Leitbild – mit oft nicht mit der Bibel kompatiblen Zielen – gibt es in unserer Gesellschaft aber noch die Tendenz zu einem „Jeder soll nach seiner Fasson selig werden“, die sich nicht auf die Religion, sondern auf das Verhalten bezieht. Am Ende des Lebens wird es dann mit „I did it my way“ zu legitimieren versucht. Das Ziel der Paränesen ist also auch, deutlich zu machen, dass es nicht egal ist, wie eine Christin oder ein Christ sich verhält. Insofern sind sie Zumutung. Der Zuspruch liegt darin, dass Gott um die Erreichung der angemahnten Verhaltensweisen gebeten werden kann, die Seligkeit letztlich nicht vom Erreichen der Ziele abhängt, wohl aber ein gutes Miteinander in Gemeinde und Gesellschaft.
Lieder
EG 416 „O Herr, mach mich zum Werkzeug“
EG 412 „So jemand spricht: Ich liebe Gott“
89 („Wo wir dich loben, wachsen neue Lieder plus“) „Wir Reichen, sehr von dir verwöhnt“
32 („Wo wir dich loben, wachsen neue Lieder plus“) „Ein Lied klingt durch die Welt“
Michael Gärtner