Ab August sind die Regale voll

Weihnachten ist für viele Menschen die schönste Zeit des Jahres. Die Hersteller nutzen diese positive Stimmung und bestücken ab Mitte August die Supermärkte mit Weihnachtsgebäck. Wir kommen bei 30 Grad Hitze durchgeschwitzt vom Badesee und naschen als Belohnung für Relaxen und sportliche Betätigung Lebkuchen, Stollen und Dominosteine. Klingt absurd, ist es aber nicht. Rein rechnerisch ist in Deutschland ein halbes Jahr lang Weihnachten, von August (Saisonstart) bis Januar (Abverkauf).

 

Völlig aus der Zeit gefallen

In der Kirche ticken die Uhren anders. In der zweiten Jahreshälfte dominieren die anlassbezogenen Festtage im Kirchenjahr. Nach den Sommerferien, im August und September, die großen musikalischen Eventgottesdienste mit Einschulung, Taufen und Entertainment. Der Oktober ist der Monat der Ernte, der November die Zeit für Abschied, Trauer und Erinnerung. Im Dezember beginnt mit dem 1. Advent das neue Kirchenjahr und für uns die Chance, uns schrittweise vorzubereiten und einzustimmen auf das zweitgrößte Fest im kirchlichen Jahreslauf. Die Kirche scheint aus der Zeit gefallen. Ein halbes Jahr lang sind hier Vielfalt und ein hohes Maß an Selbstengagement angesagt, aller Weihnachtsromantik zum Trotz.

 

Kurz und effektvoll, der Besuch des Engels

Den Schwerpunkt des heutigen 4. Adventssonntags lege ich auf das Thema „Engel“. Engel sind uns vertraut, sie zieren die Umverpackungen aus Plastik, die unsere Lebkuchen und Stollen frisch halten. Im Predigttext Lk. 1,26-56 geht es um einen Besuch, den ein Engel einer jungen Frau abstattet – allerdings nicht am Kaffeetisch, sondern mitten in ihren Alltag hinein. Ein halbes Jahr lang Zeit, sich auf den Auftrag einzustimmen, hat weder der Engel, noch Maria selbst. Kurz und effektvoll ist dieser Besuch: Gott hat Maria auserwählt, Botin Gottes zu sein. Mit ihrer Schwangerschaft und der Geburt des Heilands soll sie Sprachrohr Gottes sein und ein Zeichen setzen für alle Menschen.

Genau drei Momente initiiert der Engel, um Maria in Bewegung zu setzen. Er begrüßt sie und umreißt ihren Auftrag – Maria erschrickt und überlegt (V. 28f). Er erläutert die göttliche Bedeutung der Geburt Jesu – Maria gewinnt Interesse und fragt nach (V. 33f). Schließlich vergewissert der Engel Maria der Geistkraft Gottes – Maria fasst Vertrauen, Mut und läuft los (V. 35ff). Sie initiiert Begegnung, Kommunikation und Gemeinschaft (V. 39ff).

 

Eine Botschaft, die einen Unterschied markiert

Wir Christen haben einen Auftrag, ganz besonders im Advent, der Zeit der Ankunft, die für Veränderung und Neuaufbruch steht (ad-ventus). Die Initialzündung beim Besuch des Engels bekommt Maria durch Gottes Geist, die Kraft aus der Höhe. Für langwierige Diskurse hat Maria keine Zeit, sie wird gepackt von Gottes Auftrag und beginnt sofort mit der Umsetzung.

Wer von Gottes Geist erfüllt ist und sich selbst als Gottes Bote versteht, hat eine Mission, eine Botschaft, die einen Unterschied macht in unserer Gesellschaft. Gottes Geist begeistert, spornt an und verändert. Wir sollen Vorbild sein für andere. Das ist mehr als Kaffeetrinken, mehr als einfach nur aktiv zu sein. „Wann war ich schon einmal Vorbild für andere?“ – haben Sie sich schon einmal diese Frage gestellt? „Wann habe ich andere begeistert, andere inspiriert, andere geistlich befähigt und ausgestattet, selbst Multiplikator zu sein und zu werden?“ – hat Sie diese Frage schon einmal umgetrieben in Ihrem Glauben? Advent ist eine Zeit des Aufbruchs. Gottes Engel tritt in unser Leben hinein, rüttelt uns wach und stattet uns aus mit unserem persönlichen Auftrag für diese Kirche, für unsere Gesellschaft.

 

Wie ein Engel die Routine des Alltags durchbricht

Ein halbes Jahr lang ist Weihnachten, hören wir von der Weihnachtsindustrie. Nun, Zeit genug, um – wie in unserem Predigttext, zumindest einmal in diesen sechs Monaten – für einen meiner Mitmenschen der Engel zu sein. „Jeder hat eine Chance. Jeder hat ein Recht auf erfülltes Leben!“ – so lautet, kurz und knackig, die Mission des Engels, der an diesem 4. Advent in Marias Leben die Routine ihres Alltags durchbricht. Denn: Nichts ist unmöglich bei Gott (V. 37).

Nutzen wir unsere Zeit und unsere persönlichen Gaben des Geistes, werden wir aktiv, setzen wir uns in Bewegung für andere (V. 39). Und wenn nachher ein guter Kaffee und Schokoherzen auf uns warten, munden diese, ganz mit Sicherheit, gleich umso besser.

 

Tabea Rösler