Ein Doppelgleichnis

Ob die Verbindung der beiden Gleichnisse ursprünglich oder erst durch den Evangelisten geschehen ist, mag für die Auslegung unerheblich sein. Doch auch hier gilt, dass die Relativität exegetischer Erkenntnisse nicht außer Acht bleiben kann.

Von vielen Exegeten und Auslegern wird immer wieder hervorgehoben, dass die Bildworte und Gleichnisse, die die Evangelien von Jesus überliefern, aus der Wirklichkeit und dem alltäglichen Leben entnommen sind. Andere sagen, Gleichnisse beschreiben nicht das Einleuchtende und Vernünftige, sondern das Paradoxe, Unwahrscheinliche und Unvernünftige, wenn es um Aussagen zum Reich Gottes geht. Und dies gilt wohl gerade bei diesem Doppelgleichnis.

 

Märchenhafte Motive

Ist es ein Märchenmotiv, auf das das Gleichnis vom Schatz im Acker zurückgeht? Schätze werden vergraben, um sie zu schützen, damit sie nicht in die Hände Unbefugter geraten. Der Acker mit dem verborgenen Schatz hat den Besitzer gewechselt. Das Wissen um den Schatz ging verloren. Jetzt ist es ein Tagelöhner bei seiner Arbeit auf dem Acker, der das Verborgene findet. Er lässt das Gefundene an Ort und Stelle. Es soll ihm gehören. Er kauft den Acker, und damit wird auch der Schatz sein Eigentum. Rechtlich war dagegen nichts einzuwenden. Doch ist es denkbar, dass dieser Tagelöhner so viel Geld hat, dass er den Acker kaufen kann?

Anders ist es im anderen Gleichnis. Ein Großkaufmann sucht eine besonders wertvolle Perle. Bemerkenswert ist, dass zu der Art und Weise, wie der Schatz entdeckt und die wertvolle Perle gefunden werden, nichts gesagt ist. Der Schatz wird zufällig entdeckt bei mühseliger Arbeit. Die Perle wird entdeckt nach langem, vielleicht mühevollem Suchen. Inspiriert dies nicht die Phantasie derer, die dies Doppelgleichnis hören? Doch der Akzent liegt auf der Freude, die das Finden auslöst.

 

Themen

Das Handeln der beiden Geschilderten entspricht nicht der Vernunft, die überlegt und bedenkt, ob sich der Einsatz zum Erwerb von Acker und Perle wirklich lohnt. Weltlich gedacht ist das geschilderte Handeln unklug, leichtfertig, ja töricht. Kann aber anders das beschrieben werden, was mit dem Erleben des Reiches Gottes gemeint ist? Von dem Gewinn dessen, was das Evangelium „Reich Gottes“ nennt, geht eine Kraft aus, die der notwendigen Entscheidung nicht ausweicht. Es geht um das Entscheidende, dass wir das Leben gewinnen.

Es sind mehrere Themen, die in einer Predigt zu diesem Doppelgleichnis bedacht werden können. Gottes Gnade liegt nicht auf der Straße und ist nicht leicht zu gewinnen. Das ist ärgerlich und anstößig. Man kann darüber hinweggehen oder doch tiefer graben. Der Schatz wird uns nicht nachgeworfen. Es kostet etwas. Doch die Betonung liegt nicht auf Loslassen, sondern auf Bekommen.

Sind es Glückskinder, die den verborgenen Schatz entdecken und eine kostbare Perle finden? So viele sind unterwegs, die nach dem suchen, was das Evangelium zusagt. Manche verirren sich in den Gefilden esoterischer Gedanken. Andere meinen, wenn sie zu sich gekommen sind und sich gefunden haben, dann hätten sie echte Lebensqualität erreicht. Es geht um das Entscheidende, Gottes Gnade wird uns nicht nachgeworfen. Doch wer Gott sucht, stößt auf den größten Gewinn.

Ist es abstoßend, wenn von dem großen Einsatz geredet wird? Passt das zu der heute immer wieder zu hörenden Formel von dem niederschwelligen Angebot? Zu diesem Doppelgleichnis passt das nicht. Wir kommen der Erfüllung unseres Auftrages nicht näher, wenn wir den Satz weglassen: „In seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft den Acker.“

Die die Predigt an diesem Sonntag Hörenden werden sich fragen: Habe ich den Schatz oder die Perle schon gefunden? Doch das ist nicht etwas Einmaliges. Das Leben bietet so viele Möglichkeiten, das Entscheidende zu entdecken und damit Freude zu gewinnen.

 

Hermann Beste