„Sammle, soviel du brauchst“
Weiß ich, was bzw. wieviel ich brauche? An Brot, Worten und Stille, Nähe und Distanz? Die Israeliten sollen Nahrung sammeln, ein jeder nach seinem Bedarf. Ich finde es eine reife Leistung zu wissen, wieviel ich brauche.
So oft erlebe ich ein Zuviel oder ein Zuwenig in dem, was Menschen haben oder sich nehmen. Vielleicht schenkt GOTT ja darum gleich ein Maß dazu: ein Krug pro Kopf. Es ist zugeschnitten auf den einzelnen Menschen, unabhängig von Alter und Größe und Gewicht, sein Haupt zählt, dass er da ist auf Erden.
Und dann ist da das zweite Maß: Sammle für einen Tag! Was für eine große Weisheit für eine gerechte Verteilung. Das ausgeworfene Himmelsbrot überlässt es nicht der Schnelligkeit und Kraft der einzelnen, wieviel sie sammeln können, sondern dem Wissen, was ich brauche für einen Tag! So lehrt GOTT sein Volk das gerechte Maß am Anfang ihrer Freiheit.
Als sie gerade mal vier Wochen als freie Leute unterwegs waren und noch dabei waren, die Sklavenkleider auszuziehen. Da bekommen es die Israeliten mit der Angst zu tun angesichts der Wüste. Sie wünschen sich zurück an die Fleischtöpfe. Dieses unfreie Leben wird wieder zum ersehnten Zustand.
Lieber unfrei als ungesichert?
Wieviel Freiheit und – damit verbunden – unsichere Wege vertragen wir? Freiheit gipfelt „aufrührerisch“ im Schabbat. In den weiteren Versen wird dieser heilige Freiraum eben mit dem Manna verknüpft. „Sammle am sechsten Tag für zwei Tage, damit der siebte Tag vom Sammeln frei bleibt.“ So stand die Wüste am Anfang als Lernort für das Menschenmaß: Es ist genug für jeden Menschen und für jeden Tag – und ich bin frei zum Aufhören können vom Sammeln. Die Krise als Lernort?!
Was stillt?
Was ist das Man hu? Sind es die honigsüßen klebrigen Ausscheidungen von trabulina mannifera und najacoccus serpentina, Schuppeninsekten, die vom Tamariskenbaum trinken und dann kleine körnige Gebilde absondern. Oder ist es eine Flechtenart? Und wie schmeckt das ganze? Luther übersetzt wunderbar „wie Semmeln mit Honig“.
Letztlich bleibt das Man hu eine offene Frage. Wie auch Gottvertrauen ein Geheimnis bleibt angesichts von vielen Schicksalen, die einzelne Menschen durchlaufen und trotzdem glauben. Manna ist ein Geschenk, wie die sattmachende Zuwendung Gottes, die aus dem Himmel zuströmt. Das Man hu verbindet sich direkt mit neuer Gotteserkenntnis: „Am Abend werdet ihr Fleisch essen und am Morgen werdet ihr mit Brot satt werden und ihr werdet erkennen, dass ich der Herr euer Gott bin.“ Leibliche Nahrung und Gotteserkenntnis werden hier ineinander verschränkt!! Jeder Bissen Brot ist spirituelle Nahrung und jedes Innewerden Gottes ist leibliche Nahrung.
Warum erkennen sie erst jetzt?
Wie lang ist der Weg der Gotteserkenntnis? Wie viele Wiederholungen seiner Liebe braucht es? Wie viele neue Erfahrungen? Täglich? Morgens und abends zu sammeln? Das Heil ist da. Es liegt vor deinen Füßen, das Naheliegende vor Dir. Es ist aufzuheben schon mit dem Tau des Morgens. Was hebe ich bei Tagesbeginn als Speise auf? Der erste Bissen. Sehe ich das Manna im Staub des Alltags? Es war ja nicht sehr groß.
So ist das Himmelsbrot für mich heute vielleicht auch oft nicht groß und muss herausgefunden werden im Erdenstaub. Verwechsle ich manchmal die Wüstennahrung mit der Nahrung des gelobten Landes? Und sehe das Manna nicht, weil ich fixiert bin auf Milch und Honig und überreiche Früchte? Wo bin ich fixiert, weil ich meine, Gott müsste das so und so in meinem Leben machen. Es gilt genau hinzusehen. Ich glaube, dass jeder Tag Gottes Sättigungsspur trägt. Sein Manna wandert mit uns mit. Schauen wir doch einmal die nächste Zeit bewusst an, was wir als „Gottesnahrung“ an einem Tag erschmecken. Die Findungen, die wir machen. Was uns zukommt, einfach so und uns tief im Innern stillt. Und dann werde ich inne: GOTT ist da und hört mich, auch mein Murren, und schenkt, „soviel Du brauchst.“
Thea Vogt