Ein innovatives Zeichen
Änon (hebr. Ajin, Quelle) dürfte ein fruchtbarer Boden sein, einem Obstgarten gleich, wenn man der Pilgerin Egeria im 4. Jh. folgt. Einer von vermutlich mindestens vier legendären Orten Johannes des Täufers: (1) Taufen im (Obst)Garten, (2) Taufen in der Stadt (En Kerem, Ortsteil am Rande Jerusalems), (3) sein spiritueller Rückzug in eine Höhle (Suba) und (4) in Sebaste sein wirkungsgeschichtlich angebliches Grab.
Von Anfang bis Ende eine Verkündigungsfigur, mit dem Markennamen und Profil „Untertaucher“. Gewiss waren (Selbst-)Waschungsrituale seit der Tora und in altorientalischen Zeiten vertraut; aber diese Form der taufenden Fremdwaschung, des Untertauchens, scheint eine innovative Form gewesen zu sein, die im Johannesevangelium immer mit Inhalt verbunden wird: Umkehr, Vergebung der Sünde, Erkenntnis des Heils.
Mit Zeichen und Wort kommen zwei molekulare Bestandteile im Taufwasser zusammen, die ihren prophetischen und priesterlichen Charakter betonen. Die Verkündigung des Rufers in der Wüste (Jes. 40,3) wird zum „Verkündiger in der Wüste“ (Mk. 1,4). Der rote Motivfaden des wüsten Vorläufers (Mal. 3,1) und bahnbrechenden Wegbereiters (Lk. 1,17.76) – innerlich und äußerlich mit Elia vergleichbar – der weit mehr als ein Prophet war (Mt. 11,7-15).
Taufe in den Raum Christi
Die innovative Kraft seiner Aktionen scheinen zugleich dazu geführt zu haben, seine Rolle via Negationen zu klären: nicht der Messias, nicht der Elia redivivus, nicht der Prophet. Zur Rolle des Taufenden scheint konstitutiv zu gehören, dass er eben nicht auf sich selbst verweist. Ich taufe dich „in den“ Namen und gerade bewusst nicht „im“ Namen.
Nach manchen ökumenischen Tragödien der letzten Jahre, bei denen eine Taufe (kirchenjuristisch) ungültig werden konnte, weil Taufende nicht die richtigen Formeln verwendeten, könnte der Taufblick des Johannes alles in ein anderes Licht rücken. Die Taufe des Johannes ist im engen Sinne eben die Taufe in den Raum Christi. Es wäre gerade das Kennzeichen des Sakraments, dass die Taufe vom Taufenden absieht und die Eucharistie von der Einsetzenden. Es würde dann eher die Typologie des „Zeugen“ aufgerufen werden, dessen dünner Finger („Ich aber muss abnehmen“, Joh. 3,30) des Isenheimer Altarbildes auf die zentrale Figur nicht nur des Altarbildes zeigt: „Er muss wachsen“ (Joh. 3,30). Und es wäre zu fragen, worauf sich das geforderte Wachstum bezieht. Insofern ist das „Er“ als Person schon ein metaphorischer Raum, in dem sich mit Johannes eben nicht einfach nur Christus zeigt, sondern ein theologisches Programm von „Gerechtigkeit und Frömmigkeit“. Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich der Johannestag.
Verschwenderische Großherzigkeit
Das fromme priesterliche Ritual allein vertrocknet, wenn die Gerechtigkeitsperspektive nicht zu Wort kommt. Und die in der Taufe „beste Gleichmacherei der Menschen“ verlöre ihre transzendente Pointe, wenn sie nicht als prophetische Handlungs- und Wertebeschreibung an diesem Tag zu Wort kommt. Insofern blickt der Johannestag am 24.6.2024 „natur-lich“ auf die Sommersonnenwende des 21. Juni zurück – wenn das Wachstum des Tages am höchsten ist; dann die Tage wieder abnehmen und die Nächte zu.
Wenn nun aber in all dem Wechsel der Gezeiten, Traditionen und Theologien einfach viel Wasser zum Taufen da ist? Wenn wir es großherzig ausschütten, schon weil es uns gar nicht gehört; schon, weil wir über Unverfügbarkeiten eben nicht verfügen; schon, weil nicht wir es sind, die den Raum der Taufe eröffnen; schon, weil nicht wir es sind, die zulassen oder bestimmen können, wer nun hinreichend „gerecht und fromm“ zu sein vermag. Darum sind wir von der Erde und (nur) davon reden wir. Versiegeln tun es die Getauften selbst.
Insofern wäre es ein Gedanke für diesen Johannestag mit verschwenderischer Großherzigkeit festlich zu taufen, in den öffentlichen Straßen und verborgenen Höhlen, oder die Kinder mit dem Wasser schlicht zu segnen, mit dem wir taufen; um dem vorauszugehen, der schon da ist; um im Segen spürbar zu zeigen, dass Menschen nur mit Wasser kochen und nur damit taufen. Mit Joh. 3,22-30 ist schlicht viel Wasser da und bescheiden wie Johannes entzieht sich unser System der eigenen, vermeintlichen Wirkmacht; aber genauso verändert sich eine fluide Kirche der Zukunft, fröhlich und gelassen: Da ist viel Wasser.
Lars Hillebold