Text und Perikope

Der Fokus der Perikope, in ihrer langen wie in ihrer kürzeren Variante, liegt auf der Dankbarkeit, als Nicht-Juden auch zum Volk Gottes zu gehören – durch Christus!

Ich selbst werde mich in der Predigt auf die V. 17-22 beschränken, da mir die Länge und die Fülle des ganzen Textes zu komplex erscheint, um durch einmaliges Hören aufgenommen werden zu können.

Zur Vorbereitung und für das Verstehen des Briefes sind die V. 11-16 freilich elementar. Hier werden die „Vorzüge Israels“ als erstberufenes Volk Gottes explizit benannt: das sichtbare Zeichen der Beschneidung, die mit der Zugehörigkeit verbundenen Rechte und Pflichten, die Tora. Und diese Zeichen des Bundes bleiben dem Volk Israel auch weiterhin erhalten. Jedoch wird durch Christus ein weiterer, neuer Weg eröffnet, der auch Nicht-Juden den Weg zu Gott ermöglicht. Christus selbst ist es, der durch sein Leben, sein Sterben, seine Auferstehung diesen Weg schafft. Christus – der Türöffner!

Der Text hält den Christen von Ephesus die Dimension des Neuen vor Augen. Sie haben jetzt – ebenso wie das ersterwählte Gottesvolk – Zugang zu Gott, zu den Schriften, zum Bund. Freilich nicht in Ablösung des bisherigen Bundes zwischen Gott und seinem Volk Israel, vielmehr in Erweiterung dieses Bundes. Diese Erkenntnis lädt ein zu bescheidener Demut auf der einen und zu strahlender Freude auf der anderen Seite.

Gerade heute, wo der Antisemitismus in der Gesellschaft wieder stärker wird, halte ich es für wichtig, den Bund Gottes mit seinem Volk und auch seine Bundestreue zu betonen und neu bewusst zu machen.

 

Gedanken zur Predigt

Zwei Bilder bestimmen den Text: 1. Fremder – Mitbürger und 2. Wohnung Gottes.

1. Fremder – Mitbürger/Gast – Familienmitglied

Mit dem Kommen Jesu Christi in die Welt und zu den Menschen ist Gott für alle Menschen „nahbar“ geworden. Die Kategorien von Nähe zu bzw. und Ferne von Gott verschieben sich. Sie lassen sich nicht mehr an der Herkunft festmachen, vielmehr an der inneren Haltung; nicht mehr am „Fleisch“, sondern am „Geist“.

  • In vielen Gemeinden leben Asylsuchende, manche sind geduldet, andere anerkannt. Aber auch als anerkannte Flüchtlinge sind ihre Rechte deutlich andere als Bürgerrechte. Vielleicht wäre es möglich, in diesem Gottesdienst Flüchtlinge zu Wort kommen zu lassen. Man könnte sie erzählen lassen, wie es ist, kein Bürger zu sein.

  • Oder es ließe sich im „Schatz“ eigener Fremdheitserfahrungen graben, was da an (schmerzlichen?) Erinnerungen schlummert, wo man zwar geduldet, aber nicht gleichwertig war.

  • Was jede/r kennt, ist die Erfahrung des Gastseins. Ein Status, der viel Freiheit gibt, aber auch Grenzen hat. Wer Gast ist, ist es in der Regel für eine begrenzte Zeit, während, wer zur Familie gehört, dieser auf Dauer angehört. Eine Urlaubsreise bezieht einen wesentlichen Teil ihres Charmes ja genau aus der Gewissheit, hinterher wieder ins eigene „Nest“ oder zur Familie heimkehren und dort bleiben zu können.

2. Die Wohnung Gottes

Das Haus, in dem Gott wohnt, ist seine Gemeinde. Und Menschen, die Gott nahe sind, werden selbst auch nahbar. Sie werden, indem sie sich zusammentun, zu einem Ort, der Raum gibt: für Gottes Geist und Gegenwart, füreinander, für Menschen in Not. Als Gemeinde bilden sie das Haus Gottes.

Freilich besteht dieses Haus der Gemeinde nicht aus ihnen allein. Und schon gar nicht steht es auf ihnen allein. Denn der Grund wurde viel früher gelegt, basierend auf den Schriften des AT und NT und wesentlich getragen von Jesus Christus. Er ist das „Scharnier“ zwischen AT und NT. Mit diesem Blick zurück auf unsere lange Tradition, wird unser heutiger Blick, der ja sehr oft auf die Jetzt-Gemeindesituation fixiert ist, geweitet und der Horizont wird größer. Das tut gut.

Fließend gehen die beiden Bilder von „Mensch“ und „Gebäude“ ineinander über. Da ist Lebendiges und Statisches, Weiches und Hartes, Schwaches und Starkes, Flexibles und Festes ganz nah beieinander. Der Mensch als Raum. Oder: Menschen, die sich einfügen können und einfügen lassen in ein großes Ganzes, werden über sich hinauswachsen und zu einem Ort werden, wo Gott wohnt!

  • Viele Gemeinden feiern den Gottesdienst in traditionellen Kirchen. Gebaut wurden sie vor Generationen, von Menschen, die uns heute kaum bekannt sein dürften. Von Christus (und vielen seiner Freunde) wurden sie durch die Zeiten getragen. Heute dienen sie uns als Gotteshäuser: weisen mit ihrem Turm nach oben; bieten Raum zum Beten, zur Stille, zur Ausrichtung auf Gott; beheimaten Gemeinden. Und wollen doch immer neu belebt, bewohnt und „bespielt“ werden, um wahrhaft Gotteshaus zu sein und zu bleiben.

 

Liturgisches

Lieder:
EG 166 „Tut mir auf die schöne Pforte“
EG 66 „Jesus ist kommen“
EG 293 „Lobt Gott, den Herrn, ihr Heiden all“
EG Württ. 597 bzw. „Wo wir dich loben“ (Wwdl+) 160 „In Christus gilt nicht Ost noch West“
Wwdl+ 213 „Wenn Glaube bei uns einzieht“
Psalm: Ps. 36 (Wochenpsalm) oder Ps. 84

Schriftlesungen:
Jes. 2,1-3 (Die Völkerwallfahrt zum Zion)
Mk. 7,24-30 (Die Frau aus Syrophönizien)
Lk. 7,1-10 (Der Hauptmann zu Kapernaum)

Hanna Hartmann