Überforderung und Wege der Aneignung
Trinitatis ist das Fest der Vielfalt und Erhabenheit Gottes. Gott ist unermesslich groß und reich. Wir Menschen bleiben staunend zurück und können Gottes Fülle nicht fassen. Trinitatis: Fest der Dreifaltigkeit (Vielfalt) und Dreieinigkeit (Erhabenheit) Gottes. Gott ist alles in allem, die Fülle allen göttlichen und irdischen Lebens (V. 10). Liturgische Antwort ist die Hymnus-Eulogie, ein liturgisch zelebriertes Segenswort (V. 1): In unserem Predigttext Eph. 1,3-14 liegt eine solche Hymnus-Eulogie vor. Ihr urchristlicher Kontext ist die Taufe (die Inauguration christlichen/kirchlichen Lebens; denkbar wäre daher auch z.B. die Amtseinführung neuer Kirchenvorstände).
Die Haltung der staunenden Anbetung mag Gott gegenüber angemessen sein, insbesondere am Sonntag Trinitatis. Zum Gemeindeaufbau trägt sie nur begrenzt bei. Eine Fülle, die wir nicht fassen und folglich nicht kommunizieren und praktizieren können, führt zu Passivität und Schweigen, Überforderung und Langeweile in einem unkonstruktiven Sinn (Passivität und Schweigen sind in der Meditation positive Kräfte; gepaart mit Unverständnis und Langeweile sind sie jedoch destruktiv: in der Predigt wird der Zuhörer der Überfülle des Textes kaum gewillt sein zu folgen).
Struktur ist gefordert, um zu verstehen. Priorisierung, um mir die für mich relevanten Inhalte anzueignen, andere links liegen zu lassen oder zu verwerfen. Kommunikation hilft, an dem Verstehen der anderen Gottesdienstteilnehmer zu partizipieren und so die trinitarische Fülle aus dem göttlichen Himmel in unsere Gemeinschaft und meinen Lebenskontext hinein zu transportieren.
Einfach hymnisch, einfach genießen
Vor 2000 Jahren ging es den Täuflingen vielleicht gar nicht so anders als uns heute. Sie wurden mit einem Text konfrontiert, den sie gedanklich kaum fassen konnten, da er zu voll und zu komplex ist. Dennoch profitierten sie davon. Ich stelle mir vor, dass das daran gelegen haben könnte, dass der Text liturgisch elegant und zur Freude anregend vorgetragen und zelebriert wurde (Eulogie). Keine Textstolperei, sondern ein Liturg, der von dem Wunderwerk des Paulus begeistert ist.
Wir bereiten zu zweit (ein Mitarbeiter und ich) den Text dergestalt vor, dass wir ihn mehrfach laut in der Kirche vortragen. Klassisch in der Lutherübersetzung, am Pult, mit Schwung und Freude in der Stimme (kein pastoraler Ton!). Der Text untergliedert sich in zwei Abschnitte (V. 3-10 und 11-14). Den ersten Abschnitt übernehme ich; er thematisiert die trinitarische Fülle Gottes in christologischer Perspektive (V. 10). Den zweiten übernimmt mein Mitstreiter; er thematisiert das christliche Leben in pneumatologischer Perspektive (V. 13). Zielworte sind Gott (V. 3) und Christus (V. 10) im ersten Abschnitt, im zweiten das Wir (V. 11) und der Heilige Geist (V. 13). Die Bewegung geht von Gott zu uns und wieder zurück zu Gott in einem Hymnus, der vor Freude nur so überquillt (V. 14).
Meine Lieblingsworte
Zu Beginn wurden Blätter mit dem abgedruckten Bibeltext und ein Buntstift ausgeteilt. Ich lade die Besucher nun ein, das Material zur Hand zu nehmen. Ich kündige an, dass der Text nun ein zweites Mal vorgelesen werde, und lade die Besucher ein, ihr Lieblingswort bzw. ihre Lieblingsworte (maximal drei) farbig zu markieren. Was unverständlich ist, möge man gedanklich ausblenden.
Hörbar und sichtbar machen für alle
Jeder hat es geschafft und mindestens einen Lieblingsbegriff farbig markiert. Neugierde macht sich auf den Gesichtern breit und hier und da der Versuch, mit dem Nachbarn in Kontakt zu treten und zu schauen, was denn andere neben mir so angemalt haben. Ich nutze diese Dynamik und gehe mit dem Mikrofon auf die Besucher zu. Ich bitte sie, einzentrales Lieblingswort auszuwählen und dieses laut vorzulesen. Parallel notiert mein Mitarbeiter in gut leserlicher Blockschrift die Begriffe auf Zetteln in Blumenform. Er legt die Blumen im Altarraum in einer Art gestalteten Mitte sichtbar für alle ab.
Deine Taufe – so viele Geschenke!
Am Ende des Prozesses lege ich ein blaues Blankopapier mit „?!!“ in die Mitte der Zettelinstallation. Mein Mitarbeiter dreht dieses um. Hier ist der Begriff „Taufe“ notiert. Er kommt im Text nicht vor, ist vielmehr eine Art Anker in den Kasus unseres Gottesdienstes hinein. Wir feiern heute eine Konfirmandentaufe. Ich erläutere kurz den Kontext der Hymnus-Eulogie im altkirchlichen Leben und schließe damit, dass wir dem Täufling einen großen Blumenstrauß zu seinem heutigen Tauffest schenken: unsere Lieblingsworte in Blumenform, die er z.B. als Tischdeko oder für die Verschönerung seines Geschenktisches oder Taufalbums verwenden kann. Ein notiertes Lieblingswort lautet „Segen“ (V. 1). Diesen Segen, dazu viele weitere Geschenke wie z.B. die Liebe (V. 4), den Reichtum (V. 7) und die Weisheit (V. 8), sendet Gott, und wir schenken sie dem Jugendlichen zu seiner Taufe.
Gerade bei einem heterogenen Gottesdienstpublikum wie heute bewegt eine interaktive Predigt wie diese wirklich alleTeilnehmer, schafft Kommunikation und Gemeinschaft. Geeignet für kleine oder große Gottesdienstgemeinschaften, für Gottesdiensterfahrene wie für Neueinsteiger.
Tabea Rösler