Der Perez-Moment
„Da“ ist ein Moment, ein Augenblick, zwei Buchstaben, ein Zeichen nur. Da ist der Umkehrschwung in V. 14 der Perikope. Da – so beginnt Ps. 106,23, der in einem Satz Moses Leben und Wirken zusammenfasst. Da taucht perez, die Bresche auf (Ps. 106,23). Durch sie lugt die Leserin, periskopenartig in den Perikopentext hinein und in der Bresche sieht man wie durch einen Riss auf Mose und Gott.
Da, Mose!
Breschenspringer. Lückenaushalter. Risikoeingeher. Fürbitter. Rogatemensch. Mose, der einst riskant in einen Fluss gelegt wurde, springt in die Bresche für alle anderen. Da ist er, der nicht mosert, obwohl sein Name so klingt. Mosern wäre besser ein neues Verb für alle, die für andere bei Gott einstehen. Mose mosert bei Gott. Es selbst hat erfahren, wie es ist, wenn einer für das Leben eines anderen eintritt. Der selbst aus dem Wasser gezogen wurde, springt für die ein, denen das Wasser bis zum Halse steht. Der als Baby auf einem Fluss ausgesetzt wurde und dem Tod näher war als dem Leben. Der bringt Gott dazu, alles für das Leben seines Volkes zu tun. Mose, der aus Wut einen anderen Menschen erschlagen hat und eine zweite Chance bekam. Mose ist selbst ein Riss und doch sehen andere, was Gott in ihm gesehen hat. Da ist der Mensch, der in dieser Perikope im Zentrum dieses Diplomatengesprächs steht, von dem alle anderen eigentlich nichts mitbekommen, wenn niemand Vertrauliches in die Öffentlichkeit „durchstößt“.
Da(s) ist Gott
Der letzte Satz der Perikope, V. 14 ist der Satz, den ich für Rogate sehe. Eine Einsicht, die ich heute nicht vergesse. Eine Aussicht auf Gott, die ich noch nicht hatte. Gott gereut, was er gesagt hat. Gott der Allmächtige und Allwissende, der Barmherzige und Gnädige, der Schöpfer und Erhalter, Versöhner und Erlöser: der ändert seine Meinung. Er schaut auf Mose. Grübelt. Sieht mit den Urvätern die Sterne am Himmel. Schaut paulinisch in einen Spiegel und ist nicht mehr der gleichen Ansicht wie noch eben. Da ist ein Perez-Moment in der festgemauerten Vorstellung, wie Gott ist. Durch ein Loch in der Wand eine neue Einsicht und eine andere Aussicht. Wo das Licht überall hinfällt, wenn ein Loch in der Wand sich auftut. Sehen wie durch einen Riss. Sehen, wie durch den Riss etwas in mein Leben fällt.
Da steht es noch: das Kalb
Das goldene Kalb. Gold ist alles, was da glänzt. Und wenn Mose zurückkommt, wird es Risse bekommen. Und zerbrechen. Doch wer will es seinem Volk verdenken, einen greifbaren Gott zu haben – angesichts eines unsichtbaren Gottes. Die niemand sah. Vor dem Mose sein Gesicht verhüllen muss. Bei dem andere nicht mal in die Nähe eines Glaubens kommen. Ein Gott, der sich nicht sehen lässt. So ist es heute. Eine Welt, die Gott nicht sieht. Und ein Gott, der die Welt nicht sieht. Alles hat einen Riss bekommen. Ist Glauben ein goldiges Kälbchen, das verloren in der Welt nach Sicherheit ruft und immer rissiger wird, zerbröselt und bald ganz zerbricht?
Der Riss ist schon da
Wenn Mose zurückkommt, wird der Riss durch Kalb und Volk gehen. Der goldene glänzende Glaubenskäfig wird zerbrechen. Wenn Mose zurückkommt, hat er aber auch einen Riss zurückgelassen: Die Ewige ist nicht die ewig gleiche unbewegliche Masse. Mose ist der biblische Fürbitter schlechthin. Rogatemensch. Er scheint Gott mutig, kräftig und richtig die Meinung sagen zu können, V. (11-)13: … Ich will eure Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel.Vielleicht bewahrt der (doch oder gar nicht so) kitschige Schlager eine alte Idee. Ein Stern, der deinen Namen trägt(Vornamen, die Sie vor Ort ergänzen können, auch wenn es viele werden.)Und dies ganze Land, das ich verheißen habe, will ich euren Nachkommen geben, und sie sollen es besitzen für ewig. Alles Ewige bekommt einen Riss, wenn die Friedenszeit in der Welt begrenzt ist. Die Welt ist krank. Die Welt ist nicht nur krank. Sie ist heil- und veränderbar; wie Gott selbst es ist. Durch den Riss fällt das Licht der Einsicht: Dunkle Schatten werden klarer. Angst wird mächtiger. Mut wichtiger. Durch den Riss fällt aber eben Licht. In die Welt und auch dahin, wo sie gesund ist. Mehr Licht auf die, die für andere in die Bresche springen. Die mir den Rücken stärkt, wenn die anderen mich klein machen. Der für mich mutige Worte findet, wo ich selbst sprachlos werde. Die für mich Gott anklagen, wo ich längst schon nicht mehr glaube. Rogatemenschen.
Sofern Sie Interesse an dem ganze Gottesdienstablauf samt Predigt haben, schreiben Sie mir gerne.
Lars Hillebold