Eine Chance zur Vertiefung
In den USA und vielen anderen Ländern gibt es keine zweiten Feiertage, also weder Christtag, noch Oster- und Pfingstmontag. Schade, wenn diese bei uns kirchlich verkümmern (würden)! Schön, wenn sie im Sinne von V. 58 der Vertiefung von Weihnachten, Ostern und Pfingsten dienen, um das Geheimnis des Glaubens (V. 51) nicht nur zu feiern, sondern dieses besser zu verstehen.1 Und damit die Glaubenden in einer guten Weise befestigt werden und unerschütterlich bleiben. Damit sie in persönlich bedrängenden Schicksalsschlägen oder einer bedrohlichen, angstmachenden Weltlage nicht umkippen, sondern „fest und unerschütterlich werden“ bzw. bleiben. Solch’ einen Stand hat man ja nicht einmal erreicht und dann gesichert bis in alle Ewigkeiten. Sagte doch Luther vom christlichen (Glaubens-)Leben, dass es „noch nicht getan und geschehen ist, es aber im Gang und im Schwang ist. Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg.“ (WA 7,336) Im Blick auf die Perikope: „Wir müssen warten auf Gott, Gottes letztes Werk steht noch aus.“ (Iwand, 258f)
Verwandlung
Dass Paulus in seinem Denken, Reden und Schreiben zwar jüdisch gegründet war, z.B. betreffs eines Auferstehungsleibes (s. „Das NT jüdisch erklärt“, 2021, 372f), jedoch als christlicher Missionar und Theologe in seiner Eschatologie nicht unabänderlich fixiert war, zeigt auch nur ein kurzer Blick in die einschlägigen Passagen seiner Briefe (s. Wolter, 207-216); „His theology is primarily the result of processes of thought“.
Das Haupt- bzw. Leitwort unserer Perikope ist Verwandlung (V. 51f). „Es ist also nicht ein Personkern, der überdauert, nicht die Seele, nicht der Leib; alles das ist – wie der Leib – nicht nichtig; aber alles das erlangt seine Bedeutung nur in dem kategorialen ‚allos‘ … Die Glaubenden werden radikal ‚ver-andert‘ werden, so dass sie sich selbst nicht mehr kennen werden, noch auch nur die Kategorien, unter denen sie ihr neues Sein verstehen können.“2
Gottesdienstoptionen
Meyer-Blanck aufnehmend könnte man den Gottesdienst auf EG 101,4 und die Vertonung in Bachs Choralkantate „Christ lag in Todesbanden“ (BWV 4) konzentrieren. Oder aber die Predigt könnte – beschränkt auf V. 51-56 – einen Bogen schlagen von der Auferweckung Jesu (2. Glaubensartikel) über die Jetzt-Zeiten des Zweifelns, der Anfechtung und der Unsicherheiten hin zur „Zeit der letzten Posaune“ (V. 51; 3. Glaubensartikel).
Hilfreicher als apokalyptische oder gar esoterische Bilder und Erfahrungen erscheint mir Halík3: „Von der ‚Seite Gottes‘ aus ist die Auferstehung eine vollkommene und vollendete Tat … Von der Kirchen- und Weltgeschichte aus gesehen (also auf unvollkommene Weise, wie auch sonst) ist dieses Ereignis jedoch immer eine ‚unvollendete Revolution‘ – wie ein unterirdischer Fluss, der sich im harten Boden unseres mangelhaften Glaubens, unserer Sündhaftigkeit und Verschlossenheit sein Flussbett im Verborgenen gräbt und nur hie und da inmitten unserer Lebensgeschichten urplötzlich zu Tage tritt und hervorsprudelt.“
Anmerkungen
* Die Überschrift ist inspiriert von Nietzsches nachgelassenen Fragmenten: „Die Hoffnung ist der Regenbogen über den herabstürzenden jähen Bach des Lebens, hundertmal vom Gischt verschlungen und sich immer von neuem zusammensetzend, und mit zarter schöner Kühnheit ihn überspringend, dort wo er am wildesten und gefährlichsten braust.“
1 Mit Gewinn liest man Michael Wolter: Paulus. Ein Grundriss seiner Theologie, Göttingen ³2021, 207-216, und die Predigtmeditationen von Hans-Joachim Iwand (in: Georg Eichholz: Herr tue meine Lippen auf, Bd. 4, 255-266) und von Michael Meyer-Blank (GPM 78/2023/24, 231-236). Neu ist „Exegese für die Predigt“ der deutschen Bibelgesellschaft (zur Perikope s. die Beiträge von Andreas Lindemann und Johannes Wischmeyer unter www.bibelwissenschaft.de/ressourcen/efp/reihe6/ostermontag-1-korinther-15).
2 Meyer-Blank, a.a.O. Zu einer hochinteressanten kosmologischen Variante s. Hebr. 1,10-12!
3 Tomáš Halík: Glaube und sein Bruder Zweifel, Freiburg i.Br. 2017, 142-155: „Die Botschaft von Ostern“. Das Zitat steht auf S. 144f.
Gerhard Maier