Der Tag der Testamente
Gründonnerstag ist der Tag der Vermächtnisse, der Testamente. Hier hat das Abendmahl, unter anderem, seine Wurzeln. Das steht Gründonnerstag meist im Fokus, besonders, wenn der Gottesdienst als Tischabendmahl begangen wird. Von einem weiteren Vermächtnis erzählt der Predigttext im Johannesevangelium: die Fußwaschung. „Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen. Denn ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.“ (Joh. 13,14-15)
Ein großartiges Bild
Die Geschichte der Fußwaschung war keine einmalige Sache. Sie ist darauf angelegt, dass sie sich in unserem Leben wiederholt. Dabei ist das Bild vom Füße-Waschen an sich schon großartig: Ganz am Ende von Jesu Leben hängt er nicht einfach resigniert alles an den Nagel, sondern wendet sich nochmal dem zu, was so richtig stinkig und verklebt ist, wäscht Schmutz ab, trotzt Fußpilz und Flechte. Und die Jünger*innen müssen aushalten, ihm diese Stellen von sich anzuvertrauen, die eingewachsenen Zehennägel und die meterdicke Hornschicht. Denn: Das ist Liebe. Liebe ist, den Mut zu haben, das von sich zu offenbaren, was man am Sehnlichsten verbergen will. Liebe ist, genau diese Problemzonen und Ekelpartien der anderen und vielleicht ja auch die eigenen liebevoll zu umsorgen, zu waschen, abzutupfen und einzuölen. „Wie er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende.“ (Joh. 13,1b)
Die Liebe steht wie eine Überschrift über der Fußwaschung. Und ganz am Ende bündelt die berühmte Conclusio: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander liebhabt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“ (Joh. 13,34-35)
Das Vermächtnis der Liebe
So sollen Christen zueinander sein. Je nachdem, was dran ist, mal Waschender und dann auch wieder Gewaschener. Nur, so sind wir Christ*innen leider nicht immer, oft nicht mal ansatzweise. Trotzdem will ich nicht alles resigniert an den Nagel hängen. Sondern in meiner Predigt auf die Suche gehen: Wo ist dieses Vermächtnis der Liebe bei uns in den Gemeinden wirksam?
Letztens bin ich zum Geburtstagsbesuch bei einer alten Dame, ich kenne sie gut und es geht ihr sehr schlecht. Ihre Nachbarin ist auch da. Sie erzählen, dass die Nachbarin die alte Dame wieder und wieder ins Krankenhaus gefahren hat, zu Untersuchungen und zu Arztbesuchen, erzählen vom Hin- und Her der Behandlung, dem ermüdenden Papierkrieg. Was für ein Zeichen der Liebe!
Und mir fällt ein Lied ein, das von handfester Liebe erzählt:
„Als die Sabberfäden zart mein Ohr streiften
Als wir mit allerletzter Kraft unser Fort erreichten
Als du’s grad noch ins Bad schafftest, aber nicht zum Klo
Und dann irgendwas in den Haaren hattest
Und ich wusste wieso“
Im Lied „Rettung“ der Band Kettcar trägt jemand seine*n Geliebte*n nach einer durchzechten Nacht nach Hause und sorgt für sie oder ihn.
„Ich wischte alles weg
Ich stellte Schüsseln neben’s Bett“
Liebe ist handfest, so die Kernaussage:
„Es ist nicht das, was man empfindet
Nicht nur das, was man fühlt
Nicht, was man voller Sehnsucht sucht
Liebe ist das, was man tut.“
Auch der umsorgten Person ist es, wie Petrus, nicht recht, sich so schwach zu zeigen:
„Und du sagtest: ‚Ich möchte nicht, dass du mich so siehst‘
Ich will hier leise sterben und ich möchte, dass du gehst“
Aber dieser Moment schweißt die beiden zusammen, vielleicht mehr als jede andere durchdachte romantische Geste. Hier zeigt sich echte Liebe:
„Und im Türrahmen ein letzter Blick
Auf dich und auf das Bild des Elends
Auf dem Küchentisch dann eine Zeile
‚Guten Morgen, Liebe meines Lebens‘“
(https://www.youtube.com/watch?v=NZFEWMq4OW4)
Christiane Meyer