Zum Perikopenumfang
Die Perikope erscheint trotz der möglichen Verkürzung auf die V. 12-18.22-25a für eine einzige Predigt als immer noch zu überladen. Deshalb plädiere ich für eine Konzentration auf V. 12f, will heißen: mit dem darin enthaltenen reichen Bildmaterial kann sehr bildhaft gepredigt werden – bitte jedoch in Verbindung mit 12,1.2a als theologische Grundlage. Dies dürfte ganz im Sinne des Briefganzen sein. Ist doch der Hebr. „ein Meisterstück frühchristl. Predigtkunst, die einfallsreichste Schriftauslegung mit wirkungsvoller Paränese verwebt.“ (RGG⁴ 3,1494)
„Wanderndes Gottesvolk“
Ferner gilt für den Hebr., dass man das Datum der Abfassung, den Verfasser und die Empfänger des Hebr. nicht genau kennt; insgesamt jedoch – so liest am in der TRE (1985)14,496 – „verpflichtet der Text die Leser, an ihrem christlichen Glaubensbekenntnis festzuhalten“. Dass es allerdings um weit mehr als um bloße Dogmatik, das richtige Bekenntnis, allgemeiner gesagt um Worte geht, zeigen im Anschluss an 12,1b außer den V. 12f vor allem die V. 22f, die das Ziel des Unterwegsseins der Gemeinde benennen, nämlich den Berg Zion, die Stadt des lebendigen Gottes, das himmlische Jerusalem mit den vielen tausend Engeln, die Festversammlung der Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel aufgeschrieben sind. Dieses Ziel aber ist noch lange nicht erreicht. „Das wandernde Gottesvolk“ (Ernst Käsemann) ist auch 2024 erst dahin unterwegs.
Die aktuelle Situation in Kirche und Gesellschaft
Drittens reflektiere man auf dem Weg zur Predigt1 die Situation von Kirche, Politik und Gesellschaft. Ist für sehr viele der Himmel nicht längst verloren (Großbölting 2013)? Die Politik von grundsätzlichen wie auch aktuellen Problemen überrollt, zerstritten und kaum zu Lösungen fähig? Die Gesellschaft insgesamt wie auch viele Einzelne in Krisen und erschöpft?2
Zum Gottesdienst
Psalm im Wechsel: Ps. 121
Schriftlesung: 1. Könige 19,1-7
Predigt zur communio sanctorum im Alltag: Christsein ist kein Sonntagsspaziergang
oder:
Liedpredigt mit „Jesu geh voran“ (EG 391) oder mit „Wir sind noch nicht im Festsaal angelangt“ (https://www.evangeliums.net/lieder/lied_wir_sind_noch_nicht_im_festsaal_angelangt.html)
Anmerkungen
* Eduard Riggenbach: Der Brief an die Hebräer, Wuppertal 1987, 400. Er weist in seiner Auslegung auf mehr atl. Bezüge hin als jeder andere der insgesamt sechs Kommentare, die ich einsah. Treffend die Überschrift über dem „III. Hauptteil: Der stand- und tathafte Glaube (10,19-12,29)“ bei Knut Backhaus: Der Hebräerbrief, Regensburg 2009. Backhaus konzentriert auf nur gut einer halben Seite (428) das Wesentlichste zu 12,12f. Der letzte, diskussionswürdige Satz dieses Abschnittes lautet: „Die Anstrengung des Menschen ist offenkundig wichtig; sie wird zum Ziel führen, wenn Gott sie trägt.“
1 Dazu siehe besonders die Überlegungen Christian Roses in: Der Hebräerbrief, Göttingen 2019, 235f; Rose war zuletzt 13 Jahre lang württ. Prälat, also in engem Kontakt mit Pfarrer*innen und Gemeinden.
2 Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern trat anfangs 2023 mit den Worten „Nicht mehr genug im Tank“ zurück. Und die „Süddeutsche Zeitung“ fragte am 3./4.6.2023: „Ist Burn-out die neue Volkskrankheit?“ Der Soziologe Steffen Mau erklärte in der SZ am 2./3.9.2023: „Teile der Gesellschaft sind veränderungserschöpft“. Und schließlich der Einleitungssatz zu einem Interview mit dem Medien- und Kommunikationssoziologen Stephan Weichert: „Kriege, Krisen, Katastrophen – VIELE Menschen sind erschöpft …“ („Stuttgarter Zeitung“ vom 6.9.2023).
Gerhard Maier