Die Überschrift bezieht sich nicht auf die Perikope, sondern auf das, was manche Predigten daraus machen. Denn historisch ist die Erzählung (leider) nicht.1 Erstaunlich, was Prediger*innen dennoch so alles über die sagenumwobene Königin, ihre Motive und die Begegnung mit dem nicht weniger sagenumwobenen König Salomo wissen oder zu wissen glauben. Alles ist so ein bisschen wie im Film „Salomon und die Königin von Saba“ (1959) mit Gina Lollobrigida und Yul Brynner. Gegen Ausschmückungen ist nichts zu sagen, solange sie markiert werden und den Gottesdienstbesucher*innen eine scheinbare Historizität vorgegaukelt wird, damit heutige Themen paradigmatisch schon in alten Zeiten entdeckt werden.
Königliche Weisheit, Respekt und Großzügigkeit
Die Erzählung soll belegen, dass Salomos Gebet um ein „weises und verständiges Herz“ (1. Kön. 3,12) sich erfüllt hat. Sie sagt: Weisheit ist mehr wert als Gold und Silber. Deswegen geht es auch um eine respektvolle Begegnung. Keine Konkurrenz verdunkelt das Miteinander, das von vorbehaltloser anerkennender Bewunderung und wertschätzendem Umgang geprägt ist: Komplimente und Geschenke.
Schön: Die dunkle Haut der Königin ist der Perikope keine Erwähnung wert. Manche Bibelwissenschaftler erkennen im Hohelied Salomos einen Nachhall der Geschichte: „Schwarz bin ich, doch schön, ihr Töchter Jerusalems! Wie die Zelte von Kedar, wie Salomos Decken.“ (Hld. 12,5) Schönheit, nicht Rassismus.
Das Idealbild „einer geglückten Globalisierung“ (Prof. Dr. Christoph Dinkel)? Ein bisschen Wasser in den Wein: Die Reichen waren zu fast allen Zeiten willkommen. Heute insbesondere, wenn sie ihr Geld als Investoren oder Touristen im Lande lassen. Arme Geflüchtete dagegen sind wenig gerne gesehen, mögen sie Maria, Josef und Jesus heißen oder Ayla, Ismael oder Jawad. Und zur Wahrheit gehört auch: Das Fest der Großzügigkeit wird damals mit dem gefeiert, was den beiden nicht gehörte. Man schenkt sich, was andere erarbeitet haben.
Trotz aller Kritik an der Aristokratie werden Royals bis heute von vielen geliebt und bewundert. Vielleicht auch weil sie scheinbar so ganz anders funktioniert als unsere anstrengende bürgerliche Meritokratie, an der viele scheitern. Bei den Royals zählt in erster Linie Geburt, nicht Verdienst.
Wie passt dazu der „neugeborene König Jesus“? Geboren und erkoren aus Gottes Willen wird er das Gegenbild eines royalen Herrschers. Mit beachtlichem Selbstbewusstsein widersetzt sich Jesus später der Zeichenforderung: „Die Königin vom Süden wird auftreten beim Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen; denn sie kam vom Ende der Erde, Salomos Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr als Salomo“ (Mt. 12,42). Er regiert mit einer nochmals übergreifenden göttlichen Weisheit und ohne jeden irdischen Reichtum.
Epiphanias
Barbara Hauck hat eine kleine Szene erfunden, wie die Königin von Saba König Salomo auf seine Weisheit getestet haben soll.2 Sie gefällt mir so gut, weil sie die Perikope, den Dreikönigstag und unser Heute schön verbindet:
„Sag mir, Salomo“, fragte die Königin: „Wie viele Körner wachsen aus einem Saatkorn?“ „Unendlich viele“, sprach der König. „Die ganze Welt könnte davon satt werden. Doch sag nun du: Was gibt dem Meer lebendige Gestalt?“ „Jeder einzelne Tropfen“, antwortete sie, ohne lange zu überlegen. „Aber weißt du, ob es ein Wesen gibt, in dem alle gescheiterten Hoffnungen wiedergeboren werden?“ Salomo dachte nach. „Ja“, sagte er dann, „ja: in jedem neugeborenen Kind.“
In einer krisengeschüttelten Zeit brauchen wir Hoffnung. Das Leuchten, das ein neugeborenes Kind oft auch Verzweifelten noch ins Gesicht zu zaubern vermag, ist ein Zeichen, dass die Hoffnungskraft neben dem Glauben und der Liebe zu den drei besonderen Mächten unserer Welt gehört. Sie sind Jesu „Königsgaben“ an die Welt. Die Geburt Jesu gehört zu den Momenten der Weltgeschichte, die bis heute ihre Strahlkraft nicht verloren haben. In seiner Geburt erschien diese Kraft, die bis heute ausstrahlt und die wir beim Fest der Erscheinung (Epiphanias) feiern. Das Licht von Bethlehem reicht bis heute an die Enden dieser Welt und lässt sich durch keine Grenzen aufhalten.
Musikalische Gestaltung
Das Stück „Ankunft der Königin von Saba“, aus dem Oratorium „Solomon“ von Georg Friedrich Händel (HWV 67) ist gut bekannt. Es gibt auch Adaptionen für die Orgel3.
Markus Eisele
Anmerkungen
1 https://www.bibelwissenschaft.de/ressourcen/wibilex/altes-testament/saba-2.
2 https://www.sonntagsblatt.de/artikel/glaube/predigt-die-koenigin-der-krippe-jes-60-1-6-2chr-9.