Sehnsuchtsworte
Das 4. Licht am Adventkranz brennt, am Abend wird der Lichtbaum voller kleiner Lichter leuchten. „Ein helles Licht seiner Gerechtigkeit und sein Heil wie eine brennende Fackel“, so beschreibt das Jesaja. Zion wird nicht schweigen und Jerusalem nicht still sein. Die Sehnsuchtsworte hoffen auf Gerechtigkeit, auf einen neuen Namen, auf eine schön geschmückte Braut mit Kopfschmuck, die mit ihrer Krone leuchtet. An ihr hat Gott Gefallen. Zion ist nicht mehr verlassen oder gar verwüstet. Gott selbst vermählt sich mit diesem Land wie ein Geliebter seine Braut feiert …
Enttäuschte Hoffnungen und Konflikte
Diese Sehnsuchtsworte offenbaren enttäuschte Hoffnungen und theologische Konflikte. Mit den großen Verheißungen Deuterojesajas (Jes. 40-55) waren einige aus dem babylonischen Exil nach Jerusalem zurückgekehrt. Sie fanden kein leeres Land vor. Wem gehört der Boden, wie werden die Gegensätze von Arm und Reich bewältigt? Wem gehören die Verheißungen an die Tochter Zion? Bis heute sind das bedrängende und nicht gelöste Fragen um Israel und seine Nachbarn.
Auch nach vielen Jahrzehnten lebten die Vertriebenen in einer Ruinenstadt. Der Tempel war zwar aufgebaut, aber Jesaja setzt seine Hoffnung im Unterschied zu anderen Propheten nicht auf einen neuen Tempel, sondern auf Gerechtigkeit und Gottesbeachtung. Jerusalems Gerechtigkeit wird die Stadt zum Strahlen bringen und ihre Herrlichkeit sichtbar machen. So, durch seine Gerechtigkeit, wird Jerusalem nicht nur selbst gerettet, sondern auch zum Licht und zur Krone Gottes selbst.
Jes. 62,1 hat im Hebräischen für „Heil“ das Wort jeschuah. Es begegnet noch öfter bei Jesaja und in den Psalmen. Wie tiefsitzend diese Hoffnung auf Rettung in Jerusalem war, wird daran deutlich, dass dieses Wort zu einem häufigen Vornamen in Israel in biblischer Zeit wurde, bis hin zu Jesus von Nazareth.
Was erfüllt sich an Heiligabend?
Was leuchtet in unseren Lichtern? Welche Gerechtigkeit habe ich im Blick, auf welcher Seite stehe ich: Arm oder Reich? Welche Sehnsucht nach Gott spüre ich? Welches Bild von Gott lebt in mir zum Christfest?
Dieser unbekannte Text von Jesaja wurde erst vor wenigen Jahren in die Predigttexte aufgenommen. Gott kommt uns als Verliebter, als Liebender auf Freiersfüßen daher. Das passt so gar nicht zum strengen Aufpasser oder alten Hirten, der nett aber ansonsten harmlos ist. Jesaja beschreibt ihn als Liebhaber, der sich ständig was Neues einfallen lässt, um seine Liebste zu gewinnen und seine Liebe glaubhaft zu machen. Gott wirbt um seine Menschen wie um eine schön geschmückte Braut. Und das in Liebe, nicht in einer Zwangsehe. Das ist nicht so einfach. Und so schickt er einen Boten. Jesaja soll vorab die Begehrte geneigt stimmen. Und der Bote versucht mit Gottes Sehnsucht zu überzeugen. Gerechtigkeit sieht der Liebhaber über ihr aufstrahlen wie ein Glanz.
Wie Gott in die Welt kam
Was leuchtet, was glänzt an Weihnachten? Wie ist das mit dem göttlichen Liebhaber, der um seine Braut wirbt? In einer Erzählung von Dietrich Mendt („Von der Weihnachtsfreude“, Evangelische Verlagsanstalt Leipzig, 2. Auflage 2012) steckt dieser Liebhaber: Im Himmel fängt die Geschichte an. Gott überlegt mit dem an seinen Fingernägeln kauenden Gabriel und anderen Engeln, wie die Ankunft des Messias auf der Erde aussehen könnte. Soll es ein Prophet sein oder ein König? Gott war mit keinem einverstanden. „Zu wenig Freude. Wenn der Messias kommt, sollen sich die Leute freuen … Lachen sollen sie.“ Sie überlegen angestrengt weiter. „Vielleicht wie ein Kind? Über ein Kind freut man sich immer!“ Natürlich ein Kind, versichern sich alle. Aber wer spielt das Kind? Wen nehmen wir da? Das Kind von König Herodes oder von einem Propheten oder von einem Rabbi aus Jerusalem? Es soll doch ein tüchtiger Erwachsener werden. Wer weiß, was ihm bevorsteht? Alle denken angestrengt nach: „Wer spielt das Kind?“ „Ich“, sagt Gott Vater. „Du? Das geht doch nicht, ein richtiger Mensch? Gott als ein Kind? Da lachen die Menschen. Und der Himmel? Der soll wohl leer stehen? Und wenn das schief geht, unten auf der Erde?“ „Es geht schief“, sagte Gott Vater, „aber das versteht ihr jetzt noch nicht.“ „Warum nur“, fragen die Engel? „Damit es gut geht“, sagte Gott Vater. „Aber da reden wir in 34 Jahren wieder drüber. Jedenfalls fängt es mit Freude an, weil es mit einem Kind anfängt. Und das verspreche ich euch: Zuletzt wird wieder Freude sein, und sie wird bleiben.“
Heiligabend nimmt liebende Göttlichkeit fröhlich Gestalt an. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit in den alten Texten des Jesaja leuchtet in den Lichtern der Weihnacht in diesem Jahr besonders für Israelis und Palästinenser, auch in den Tränen über unsagbares Leid. Gott bleibt ein Gott, der mich sieht. Ein Gott, der Zuversicht und Gerechtigkeit wachsen lässt und in uns mit seiner Liebe neu geboren wird.
Liedvorschläge:
EG 16 „Die Nacht ist vorgedrungen“
EG 540 (Bayern und Thüringen) „Kündet allen in der Not“
EG 550 (Bayern und Thüringen) „Licht, das in die Welt gekommen“
Uta Liebe