Johannes will’s wissen

Er sitzt im Gefängnis und weiß, dass er den Hass des Königs auf sich gezogen hat. Wenig später verliert er tatsächlich seinen Kopf. Für ihn ist also existentiell, ob Jesus derjenige welcher ist oder ob er sich schleunigst umorientieren sollte. In der Begegnung mit Jesus geht’s also um was! Johannes kann es noch nicht wissen: Nach Jesu Tod und Auferstehung wird sich für jeden im Augenblick des Todes ALLES daran entscheiden, ob er/sie auf Jesus Christus vertraut oder auf die eigenen guten Taten und Motive. Klingt ein bisschen wie Bungee-Jumping oder mit dem Skateboard an die Grenze gehen…

Teilt Johannes mit den Zeitgenossen die Vorstellung vom Messias als einer Art strahlender Ritter auf weißem Pferd für ein ganzes Volk, der die Römer aus dem Land jagt und andere Verhältnisse schafft? Enttäuschungen vorprogrammiert wie bei den Erwartungen vieler in der DDR an die Wiedervereinigung oder in den USA beim ersten schwarzen Präsidenten?

Radikale Ehrlichkeit

Der Blick zurück wie die Erwartung an die Zukunft ist meist voller Illusionen. Die Bibel leistet sich radikale Ehrlichkeit: „Früher“ war eben nicht alles besser, auch nicht gottgefälliger. Nostalgie führt niemals voran, weil sich in Umbruchzeiten alle Parameter verändern – damals wie heute. Und bei allen Erwartungen an technische Lösungen zur Rettung der Erde: Der Mensch bleibt immer anfällig für den Missbrauch jeder Erfindung und jeder Situation zu sehr egozentrischen Zielen.

Was Jesus Johannes ausrichten lässt, klingt wie im Märchen – alle Probleme der Menschheit gelöst. Jesus weiß aber: Johannes als Priestersohn erkennt, wovon er spricht. Von Jesajas Vision, was geschieht, wenn Gottes Geist am Werk ist: DANN werden alle irdischen Gebrechen geheilt worden sein, nicht nur die äußerlichen. Matthäus steigert die Größe des Ereignisses durch seine Aufzählung der Nöte spürbar. Doch das Achtergewicht liegt auf dem Evangelium. Das zu verkündigen an die Armen, an alle, die keine Perspektive haben, ist mehr als die Auferstehung der Toten!? Folgerichtig sieht Jesus voraus, dass man sich an ihm ärgert.

Hier geht es ums Eingemachte

Was hat Kirche MEHR zu bieten als Diakonie (das kann auch der Sozialstaat) und Ethik, die so oft in Moral steckenbleibt? BEIDE Pole der Kirche, die sozial, ökologisch, genderbewusst Bewegten wie die „Frommen“, stehen hier auf dem Prüfstand.

Hat die Abkehr der Menschen von Kirche damit zu tun, dass vor lauter Angst anzuecken, die wahre Gute Botschaft im Keller bleibt? Werden alle, die das Evangelium als Programm unterstreichen, ihm wirklich gerecht? Wer traut sich die Radikalität eines Johannes zu, der sich „im Wind“ nicht verbiegt und auf alle Annehmlichkeiten verzichtet?

Advent ist Zeit der Buße

Trauen wir uns den Weg der radikalen Ehrlichkeit, den Weg in die Ohn-macht? Zugeben, dass auch wir uns an Jesus ärgern, weil er uns mit leeren Händen in das reine und absolute Vertrauen zu Gott schickt, ohne jede Hintertür? Dass auch gläubige Christen ratlos sind angesichts der Fülle der Probleme und ihrer Komplexität? Dass wir nicht zielsicher ins gelobte Land führen können, sondern uns nur Schritt für Schritt im Dauergespräch mit Gott vorantasten können und uns dabei immer von konkreten bedürftigen Menschen am Wegesrand aufhalten lassen müssen, genau hinsehen und hinhören: Was brauchst DU? JETZT? HIER? Weil wir immer noch und immer neu damit rechnen, Gott in ihnen zu begegnen?

DAS ist der Unterschied, den nur die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen zu bieten hat, niemand sonst, auch nicht die Kirche als Institution. Ohne Buße, ohne Umkehr, ohne Mut zum Scheitern werden die besten Umstrukturierungsmaßnahmen sie nicht retten. Auch die Kirche, auch wir warten sehnsüchtig auf die Ankunft Gottes bei uns.

 

Barbara Weichert