2025 findet der nächste Evangelische Kirchbautag statt. In einer Kaskade kurzer thematischer Beiträge bereiten verschiedene Autorinnen und Autoren auf dieses Ereignis vor, dessen Bedeutung im Kontext zurückgehender kirchlicher Finanzen und unterschiedlichster kirchlicher Immobilienstrategien nicht unterschätzt werden sollte.
Das Motto des nächsten Evangelischen Kirchbautages 2025 in Berlin
Wenn der Kirchbautag 2025 in Berlin gastiert, tut er das erstmals wieder nach 1957 – nach 68 Jahren, als Berlin noch eine Stadt ohne Mauer war. Das ist Berlin heute glücklicherweise wieder. Vor 68 Jahren trafen sich hier Enthusiasten und Visionäre zum 9. Kirchbautag unter dem Motto „Der Kirchenbau in der Stadt der Zukunft“ – 2025 erwarten wir zum 31. Kirchbautag vom 11.-13. September 2025 ähnlich unerschrockene, gleichermaßen realistisch wie zukunftszugewandt aufgestellte Menschen unter dem Motto „Wirklichkeiten und Wege“ und stellen uns der gleichen Frage wie 1957: Wie sieht der Kirchenbau der Zukunft aus?
In 68 Jahren ist viel passiert. Derzeit verkümmert die Qualität der Kirchen als Orte der Begegnung und reduziert sich auf einen kleinen Kreis für wenige Stunden in der Woche. Wie können Kirchen zeigen, was sie sind? Wie werden sie den Ansprüchen und Bedürfnissen unserer Zeit gerecht? Brauchen wir, was wir haben? Haben wir, was wir brauchen?
Mit der Übernahme der Geschäftsführung für den Evangelischen Kirchbautag durch das Kulturbüro des Rates der EKD geht eine Fokussierung sowohl in der Konzeption des Kirchbautages als auch in den Prämissen für den Sakralbau generell einher. Rückbau, Bauen im Bestand, Ideen für sinnvolle Nutzungspartnerschaften, Teilhabe und kulturelle Bildung zum Verständnis der eigenen Bauten sind auf Zukunft gerichtete Aufgaben, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zunächst nur auf der Agenda weniger, nun aber aller stehen.
Drei Grundthemen
Wenn wir im September 2025 in Berlin über „Wirklichkeiten und Wege“ nachdenken und diskutieren und schließlich zum Handeln ermutigen und selbst ins Handeln kommen wollen, ist klar, dass es hierfür kein Universal-Vademecum, keine allgemeingültige Handlungsanleitung und keinen Modellbaukasten geben kann. Immer stehen wir vor dem Einzelfall, der sich hier und da guter Ideen und praktikabler Formate bedienen kann, seinen Weg aber ganz für sich selbst finden und gehen muss. Hierfür ist Unterstützung nötig und möglich. Dafür bereiten wir den Kirchbautag 2025 derzeit in drei Grundthemen vor, die Orientierung bieten sollen.
Bedarfe
Was für Gebäude haben wir? Vor welche baulichen, ökologisch-energetischen und damit finanziellen Herausforderungen stellen sie die verantwortlichen Akteur*innen? Wie passen sie zu den veränderten Bedürfnissen der Gemeinden oder Akteur*innen der Zivilgesellschaft? Von welchen Gebäuden gilt es, sich zu verabschieden? Welche Kriterien gibt es dafür? Entwickeln sich parallel neue Bedarfe, die bisher keine Rolle spielten?
Teilhabe
Wie können wir unsere Gebäude in ihrem Sinngehalt Menschen öffnen, denen sie fremd sind? Wie vermitteln wir ihren sozialen und kulturellen Mehrwert, ästhetische und spirituelle Zugänge, ohne die ein bloß baulicher Erhalt sinnlos wäre? Was heißt kulturelle Bildung und Teilhabe mit Blick auf den Kirchbau?
Partnerschaften
Wo muss Kirche die Hoheit über eigene Gebäude teilen, für die sie die Verantwortung nicht mehr allein tragen kann? Wie lassen sich kommunale und zivilgesellschaftliche Partner*innen finden, die Lust an gemeinschaftlicher Nutzung haben und für die eine gemeinsame Nutzung möglich ist? Wie lassen sich Kirchen von Interessierten finden? Wie lässt sich aufeinander zugehen? Welche Verabredungen sind dafür nötig?
Mit drei Gruppen bereiten wir diese drei Themen derzeit vor und erarbeiten Perspektiven, die im Vorfeld des Kirchbautages veröffentlicht und schließlich auf dem Kirchbautag zur Diskussion gestellt und in Workshops vertieft werden sollen. Neben Vorträgen und Exkursionen soll vor allem der Austausch und das intensive Gespräch miteinander Raum haben: über unterschiedliche Erfahrungen, Einschätzungen, Visionen und praktikable Ideen.
Aus dem Mehrwert Kultur muss ein Nährwert Kultur werden
Was bedeuten Teilhabe und kulturelle Bildung, wenn wir an unsere Kirchen denken? Ist dem mit Religionsunterricht und Kirchen(raum)pädagogik Genüge getan? Wie elementar wichtig beides ist, zeigt sich bei jedem Kirchenbesuch – nicht nur mit Schulklassen. Traditionsbruch ist immer auch mit einem Wissens- und Erfahrungsbruch verbunden: Was ich nicht (mehr) kenne, kann ich nicht (mehr) schätzen. Was ich nicht schätze, kann ich nicht bewahren. Was ich nicht bewahre, geht verloren … Alles Sehen und Verstehen fördert entsprechend das Gegenteil: Was ich kenne, kann ich schätzen; was ich schätze, lasse ich nicht verlorengehen. Die Kenntnis biblischer Geschichten ist im verstärkten Maß an deren ästhetische Vermittler geknüpft: an die bildende Kunst und die Musik. Beide haben wesentlichen Anteil daran, dass Menschen noch und immer wieder in die Kirche gehen. Sie sind Garanten dafür, dass aus dem Mehrwert Kultur ein Nährwert Kultur wird. Die an sie geknüpfte Selbsterfahrung im aktiven Erleben und Musizieren ist nichts weniger als eine Selbsteinbindung in die Kette des Weltwissens in der eigenen Gegenwart.
Teilhabeorientierte Öffnung
Kirchen sind exklusive außerschulische Lernorte – und das für weit mehr als Religion und Geschichte, Sprache und Musik. Mathematik und Physik, Soziologie und Baustilkunde lassen sich hier nicht weniger gut erlernen und erfahren. Warum also stehen Menschen und Schulen nicht Schlange und begehren Einlass? Vergessen wir bei der Öffnung unserer Kirchen womöglich Wesentliches?
Wie einseitig ist unser Bedürfnis, Wissen zu vermitteln anstatt Erfahrung zu ermöglichen? Orientieren wir uns an den Bedürfnissen unseres Gegenübers oder wollen wir lediglich die eigene Welt zur Schau stellen? Wie lassen wir uns auf unser Gegenüber ein, geben dessen Blickwinkeln Raum und begreifen dies als Teil einer Gesamtwahrnehmung? Stiften wir eine Motivationsdeckung zwischen uns und den Besuchenden: Welche Lust, welches Interesse, welche Ideen leiten uns – welche unser Gegenüber? Wie kommen die Erfahrungen und Kompetenzen unseres Gegenübers zum Zuge?
Auf dem Kirchbautag Berlin 2024 diskutieren wir Teilhabe als Schlüssel und neue Perspektive für alte Kirchenräume, als wertvolles Potential für die Stärkung der Gesellschaft. Wir überlegen, wie Kirchenräume in teilhabeorientierten Prozessen neu und anders erzählt werden können und wie sie als kulturelles Erbe Rückhalt und Herausforderung für das eigene und das gesellschaftliche Selbstverständnis sind.
Nähere Informationen unter: www.kirchbautag.de
▬ Klaus-Martin Bresgott
Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 12/2024