2025 findet der nächste Evangelische Kirchbautag statt. In einer Kaskade kurzer thematischer Beiträge bereiten verschiedene Autorinnen und Autoren auf dieses Ereignis vor, dessen Bedeutung im Kontext zurückgehender kirchlicher Finanzen und unterschiedlichster kirchlicher Immobilienstrategien nicht unterschätzt werden sollte.
Die Geschichte des Evangelischen Kirchbautag
Schon zum 31. Mal jährt sich 2025 eine Veranstaltung, die viele, die für die Kirche arbeiten, unbedingt betrifft. Eine Veranstaltung, die ursprünglich Lösungen für eine Notlage finden wollte und die es nun wieder tun soll. Die Rede ist vom Evangelischen Kirchbautag, der einlädt, um über Erhalt, Umgestaltung, aber auch notwendige Abschiede von Kirchenbauten zu diskutieren. Vom 11. bis 13. September 2025 findet er in Berlin statt und sieht sich, ganz ähnlich wie vor bald 80 Jahren, einer Notlage gegenüber. Damals, 1946, lud der Stadtkirchenausschuss Hannover ein. Von ihren 37 Kirchen waren dreizehn zerstört, keine einzige hatte den Krieg ohne Schaden überstanden. Vier Kirchbautage später, 1949 in Lübeck, wurde der Evangelische Kirchbautag auf Initiative von Otto Bartning offiziell gegründet und an die Kirchenkanzlei der Evang. Kirche der Union angebunden. Der Kirchbautag sah und sieht sich als Forum für Fachleute und Interessierte aus den Bereichen Architektur, Denkmalschutz, Theologie und Bildende Kunst, aber auch für Gemeindemitglieder, Projektentwickler und andere Fachleute, die sich für den evangelischen Kirchenbau engagieren und gemeinsam innovative Lösungen für die jeweils aktuellen Herausforderungen diskutieren.
Von „Notkirchen“ zu Gemeindezentren
Die ersten Kirchbautage widmeten sich hauptsächlich dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und der sinnigen Verbindung von Raum und Liturgie. Bartnings Notkirchen entwickelten sich zu einer der erfolgreichsten Kirchbauinitiativen der Geschichte. Bereits in den ersten Jahren wurden 43 Notkirchen gebaut. Zeitgleich erlebten die Kirchengemeinden großen Zuwachs, woraus sich ein Umdenken ergab: Nicht länger sollte die Liturgie die Form des Baus bestimmen, sondern die Gemeinde und ihre Bedürfnisse. Diese Entwicklung zeichnet sich bereits in den 1950ern ab, Mitte der 1960er Jahre jedoch, als Gemeindezentren und Mehrzweckgebäude aus den vermehrt sozial-diakonischen Gemeindekonzepten hervorgingen, erreichte sie ihren Höhepunkt. Kirchen mussten nicht nur spirituelle, sondern auch soziale Funktionen erfüllen. Diese Abkehr vom abgesonderten Sakralraum wurde nicht nur positiv bewertet, die „Verweltlichung des kirchlichen Wesens“ (Lothar Kallmeyer) widersprach vielem, wofür der Kirchbautag sich jahrelang eingesetzt hatte.
Im „Bauwahn“ der Nachkriegszeit verhallte die Warnung von Oskar Söhngen, erster Vorsitzendender des Kirchbautags, 1959 leider allzu häufig im Dröhnen der Arbeitsmaschinen. Der „billige Durchschnitt“, der weder schmerzt noch Freude bereitet, habe sich im Land ausgebreitet, die Quantität habe längst die Ansprüche nach Qualität überstimmt, mit fatalen Spätfolgen für die folgenden Generationen.
Kirche als „Trägerin öffentlicher Belange“
Obwohl sie weit in der Vergangenheit liegen, wiederholen sich Debatten beim Kirchbautag. In den 1970ern traten zwei Themen auf, die sich bis heute großer Aktualität erfreuen. 1973 befasste sich der Dortmunder Kirchbautag mit „Kirche und Stadt“ und arbeitete dabei die Rolle der Kirchen in Bezug auf das urbane Leben und Wohnen heraus. Im ganzen Land waren Stadterneuerungen im Gange, die teils ganze historische Viertel dem Erdboden gleichmachten. Die Frage nach der Rolle und den Möglichkeiten der Kirche als „Trägerin öffentlicher Belange“. war strittig. Auch die Leitfrage von 1976 „Umgang mit Raum“, bleibt bis heute aktuell. Wie können die, für die Gemeinden zu groß gewordenen, Kirchen weiter und vielleicht auch neu genutzt werden? Die Lösungen, die damals gefunden wurden, waren für ihre Zeit mutig und wegweisend, können heute aber nicht einfach als Blaupausen dienen. Entscheidungen über Abgabe, Umnutzung, Erhalt und Betrieb müssen mit Blick auf die aktuelle Situation und die besonderen Bedingungen vor Ort getroffen werden.
„Wie wenig ist genug?“
Nachdem über viele Jahre Fragen nach Neubauten und Bestandserholung im Raum standen, erreichte die Kirchendichte in Westdeutschland in den 1980er Jahren einen Sättigungsgrad und das Interesse verschob sich endgültig Richtung Bestandsverwaltung und -erhalt. Sehr erfinderisch war man in Ostdeutschland. Hier stand der Kirchbau aufgrund ideologischer und politischer Restriktionen vor viel größeren Herausforderungen, was Wiederaufbau, Reparaturen, Renovierungen und Rekonstruktionen anging. „Wie wenig ist genug?“, fragte man deshalb. Aus diesen Erfahrungen, waren sie aus der Not entstanden, ließe sich vielleicht lernen.
1996, beim ersten Kirchbautag nach der Wiedervereinigung in Ostdeutschland, wurde mit einem aufsehenerregenden Manifest eine gesellschaftliche Gesamtverantwortung für den Kirchbau als gemeinsames Kulturerbe eingefordert. Die Kirchengemeinden seien überlastet. Das „Magdeburger Manifest“ rief inständig zur Rettung und Wiederbelebung der Kirchen auf und wandte sich gleichermaßen an Kirche, Politik, Wirtschaft und Kultur. Die Überforderung, aber auch die Suche nach Chancen sind bis heute prägendes Thema geblieben. Der Kirchbautag wurde zur Lobby für die aktive Umnutzung und den Erhalt der Kirchengebäude. Die Kirchbautage in Leipzig 2002 und Stuttgart 2005 betonen gleichermaßen, dass neben all den Problemen auch immer Möglichkeiten darauf warten, ergriffen zu werden.
2007 wechselte der Kirchbautag in die Verantwortung der EKD, bis 2022 an das Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart in Marburg, nun liegt sie beim Kulturbüro des Rates der EKD. Besonders die Rolle der Kirche als öffentlicher Raum, nach außen präsent, nutz -und erfahrbar, aber doch auch immer wieder die Frage nach dem Umgang mit eben diesen Räumen, dominiert die Diskussionen. Der Rasanz der aktuellen, krisenhaften Entwicklungen will der im September 2025 anstehende 31. Evangelischen Kirchbautag mit einem gemeinsamen, ehrlichen und konstruktiven Nachdenken über „Wirklichkeiten und Wege“ begegnen.
Nähere Informationen unter: www.kirchbautag.de
▬ Nina Fischäss
Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 11/2024