Zu fragen, was eine Predigt sei und was sie beinhalten solle, gehört zum Predigtauftrag, und es bleibt wichtig, diese Frage stets wach zu halten. Heinz Janssen befasst sich mit dem Anspruch der Predigt, ihrer „Theologik“, nicht mit dem Wie ihrer Gestaltung und den entsprechenden Konzepten.
Professor Dr. theol. Helmut Schwier, dem Lehrer in Theologie und Kirche dankbar und mit guten Wünschen*
Was soll ich predigen?“ Mit dieser Frage reagiert der biblische Prophet auf die Aufforderung einer himmlischen Stimme zu predigen.1 Die so formulierte Frage nach dem Inhalt des Auftrags setzt bereits ein Wissen über Predigt und ihre Tradition(en) voraus. Auch Reaktionen von Predigthörenden („eine schöne Predigt“ oder „das war doch keine Predigt“) sind von einem Vorwissen und von damit verbundenen Erwartungen bestimmt.2 Zu fragen, was eine Predigt sei und was sie beinhalten solle, gehört zum Predigtauftrag, und es bleibt wichtig, die Frage stets wach zu halten. Die homiletischen Lehrbücher und Einzelstudien informieren über die Geschichte der Predigt, ihr Wesen und ihren Anspruch und bieten Impulse zur kritischen Reflexion der Predigttheorie und Predigtpraxis.3 Der folgende Beitrag4befasst sich mit dem Anspruch der Predigt, ihrer „Theologik“5, nicht mit dem Wie ihrer Gestaltung und den entsprechenden Konzepten.6 Unberücksichtigt bleibt hier auch die Thematik der Einbindung der Predigt in das Gesamtgeschehen der Liturgie.
Definitionen
In seiner Predigtlehre bezeichnet Rudolf Bohren die Predigt als „Wunder“, und er spricht seine Sehnsucht nach diesem Wunder aus: „So warte ich auf die Predigt, die Wunder ist und Wunder wird“ für Predigende und Hörende.7 Nach Martin Luther heißt predigen „anrichten, auftragen und die Schüssel vor die Gäste setzen“.8 Dietrich Bonhoeffers Finkenwalder Homiletik mündet in einen „Nachtrag“, der sich mit der „Predigtbeurteilung“ befasst sowie „Fehlerquellen“ aufzeigt und für die eigene Predigtkritik eine bleibend wertvolle Hilfe bietet. Ich nenne daraus fünf Beispiele:
▬ Fälle keine Urteile über die Texte wie „schön“, „tief“, „wahr“, „richtig“ u.a. Wir sind nicht Anwälte der Schrift. Die Maßstäbe lassen wir uns ja erst von ihr geben.
▬ Beteure nicht die Gegenwartsbedeutung der Schrift. Die Gegenwartsbedeutung wird vorausgesetzt. Spalte deshalb die zusammengehörige explicatio und applicatio nicht auf. Vermeide das „gerade mir und dir“.
▬ Verteidige das Gotteswort nicht, sondern bezeuge es. Du bist Prediger und nicht Apologet.
▬ Benutze das Wort Gottes nicht als Keule, die Gemeinde damit zu traktieren. Das ist pfäffisch. Wir sind nicht Prediger der Sünde, sondern Zeugen ihrer Überwindung, nicht Bußprediger, sondern Friedensboten.
▬ Quäle dich nicht mit der Einleitung und Anknüpfung. Du kannst dich sofort dem Worte anvertrauen. Es ist das Schiff „geladen bis an den höchsten Bord“.9
Nach Lukas Ohly ist die Predigt „wahrheitsorientierte Rede von Gott“ und als solche „verantwortete Rede von Gott […], die die regulative Idee zugrunde legt, dass durch sie Menschen zum Glauben kommen“.10 In den unterschiedlichen Predigtdefinitionen spiegeln sich unterschiedliche Predigttheorien und Predigtkonzeptionen, sie haben in Theologie und Kirche ihre Geschichte und ihre jeweilige Bedeutung.
Praedicatio Dei
Predigt geschieht als „praedicatio Dei“. Sie erinnert an die Güte und Liebe Gottes auf seinen Wegen mit dem Volk Israel und mit Jesus von Nazareth, seinem Sohn und Christus/Messias, und ruft zum Lob Gottes auf. Wird solches Erinnern bei den Menschen ankommen? Dazu Christof Hardmeier:
„Die Gegenwart und das Heilswirken des biblischen Gottes bleiben unabdingbar angewiesen auf die Erinnerung und die Vergegenwärtigung seines biblisch bezeugten Heils- und Unheilshandelns, in dem er sich manifestiert hat und sich je neu offenbart […] Für das Sein und die Wirklichkeit Gottes als deus revelatus gibt es keinen anderen Seinsgrund, als daß er in seinem Handeln an den Menschen biblisch bezeugt ist und als solcher je neu erfahren und neu bezeugt wird. Als deus revelatus teilt er in seinem Leben und Wirken die Geschichte des Menschengeschlechtes […] Innerhalb dieser Geschichte des Menschengeschlechtes bleibt der biblische Gott aber machtlos dagegen, vergessen, verschwiegen, geleugnet und damit de facto getötet zu werden […] Theologisch gesprochen, kehrt sich dem Menschen in diesen tödlichen Konsequenzen seiner praktischen Gottesvergessenheit die abgewandte Seite Gottes als des deus absconditus zu […] In der Verwirklichung seines Heils aber bleibt Gott auf seine Zeugen angewiesen, und damit auch auf die Nachfolger Christi, an denen trotz und im Angesicht der Herrschaft des Todes das Leben Jesu immer von neuem offenbar wird (2. Kor. 4,11).“11
Für die Predigtarbeit bedeuten diese Gedanken, „Gott vor anderen zur Klarheit“ zu bringen.12 Dabei ist zwischen dem Machbaren und dem Unverfügbaren zu unterscheiden. Ein Kanzelgebet, „Herr, gib deinen Geist zu deinem Wort“13, spricht aus, was das „Unverfügbare“ in der Predigt meint. Es ist Gottes und Jesu Geist, der „inspiriert“, erleuchtet und durch das Wort wirkt. Das Bemühen um das biblische Wort, es auszulegen14 und aus den Ursprungszeiten in die Jetztzeit situativ zu transferieren, bleibt die anspruchsvolle Aufgabe der theologischen Disziplinen und ihrer Interdisziplinarität.
Mit der Beziehung zwischen dem gegebenen Bibeltext und den verschiedenen Situationen des Lebens befasst sich exemplarisch und bemerkenswert kompatibel mit der christlichen „klassischen“ exegetischen Tradition der jüdische Theologe Michael Fishbane. Die grundlegende Bezogenheit zwischen Bibelwort und Lebenssituationen entfalte sich auf dem Weg der exegetischen Auseinandersetzung mit den jeweiligen literarischen Ausdrucksformen und der Interpretation immer weiter; indem das „eigene Leben und die im Text vorgestellte Lebenswelt […] auf dynamische Weise ineinanderfließen“, werde das in der Schrift gebotene „kulturelle Archiv“ zu einer lebendigen Stimme und persönlichen Anrede, die eine Aneignung der darin gegebenen existenziellen Wahrheit ermöglichen; dann biete der Bibeltext „Modelle einer theologischen Existenz […] im Kontext Gottes“.15
Fishbanes Gedanken zur Bibelexegese verdienen Beachtung, auch und gerade für den homiletischen Diskurs sowie für den christlich-jüdischen Dialog. Seine Erklärungen zu den vier hermeneutischen Grundformen jüdischer Schriftlektüre (peschat – derasch – remes – sod), „die auf jeweils unterschiedliche Weise Kopf und Herz für ein Leben voller spiritueller Wachsamkeit in der Welt trainieren“, seien hier genannt: peschat = der schlichte oder kontextuelle Schriftsinn; derasch = vermittelnde Bedeutungen des Bibeltextes in Reaktion auf die aktuellen Herausforderungen des Lebens und Glaubens; remes = Hinweise und Anspielungen der Schrift auf ethische, philosophische oder psychologische Aspekte; sod = die intuitiv erkennbare spirituelle oder mystische Dimension der Schrift; die vier methodischen Schritte werden durch das Akronym „PaRDeS“ bezeichnet (= „Paradies“ oder „Garten“ der Schriftsinne), auch ein Hinweis „auf die facettenreiche Wahrheit der jüdischen Tradition“.16
Predigt als Ausrufung des Gottesnamens
In der Bibelübersetzung Martin Luthers von 1545 kommt das Wort „predigen“ zum ersten Mal in Gen. 4,26 vor: „Zu derselbigen Zeit fing man an zu predigen von des HERRN Namen“. Entspricht der revidierte Text von 1912 noch Martin Luthers Erstfassung, so ist in der Revision von 1984 (= 2017) zu lesen: „Zu der Zeit fing man an, den Namen des HERRN anzurufen“. Damit ergibt sich eine inhaltliche Veränderung. Ist in der originalen Übersetzung Martin Luthers das Predigen auf ein menschliches Gegenüber ausgerichtet, auf einen einzelnen Menschen oder eine Gemeinschaft, so versteht die revidierte Fassung (1984/2017) den Bibeltext als Hinwendung zu Gott, als Gebetsanrede Gottes. Wie kommt es zu diesen unterschiedlichen Übersetzungen? Die Antwort gibt der zu Grunde liegende Wortlaut der Hebräischen Bibel, der ein weites Bedeutungsfeld öffnet. Das hebräische Verb () bedeutet u.a. „rufen“.17 Für die Wendung
in Gen. 4,26 ergibt sich als wörtliche Übersetzung „im“ bzw. „durch den Namen JHWHs rufen“, meist wird übersetzt: „den Namen JHWHs anrufen“ oder „JHWH mit Namen anrufen“; eine andere, Luthers Deutung nahestehende Übersetzung, „den Namen JHWHs ausrufen/verkünden“, orientiert sich an Ex. 33,19.18
Was soll ich predigen?
„Was soll ich predigen?“ Ich stelle mir ein Schaufenster vor, in dem ein Bibelwort öffentlich, für alle sichtbar „ausgelegt“, der Auslageraum als würdiger Rahmen gestaltet wird und zum nachdenklichen Verweilen einlädt, um noch mehr und tiefer als das vor Augen Liegende zu sehen. Unter hermeneutischen Gesichtspunkten bedarf es der ständigen Reflexion der Zugangswege zum Text, der „Methoden“.19 Sie ergeben sich von innen aus dem Text und werden nicht von außen an diesen herangetragen. „Kopf und Herz in den Text stecken“20, hineinhören, lesen, übersetzen, „kommunizieren“. Der Prophet Jeremia spricht vom „Einverleiben“ der Gottesworte: „Fanden sich deine Worte, so aß ich sie“.21
Hören
„So kommt der Glaube aus der Predigt“, schreibt der Apostel Paulus im Römerbrief.22 Auffälligerweise steht im griechischen Bibeltext nicht „Predigt“, wie Martin Luther übersetzt, sondern das Wort ἀκοή, welches das „Hören“ bezeichnet. „Predigt“ bringt das Evangelium zu Ohren. In den wenigen Worten des Paulus bietet sich in nuce eine umfassende Homiletik. Predigerinnen und Prediger sind die ersten Hörenden, bevor sie mitteilen, was sie gehört, verstanden und sich „angeeignet“ haben. Sie wissen um die Mühe der Exegese: Lexikon-, Grammatik- und Konkordanzarbeit, Bibelkommentare und Predigtliteratur studieren, die Gedanken, die in Kopf und Herz lebendig sind und „rumoren“, in Worte und Sätze fassen, formulieren, gestalten („framing“).23
Es braucht Zeit und Geduld für das genaue Hinschauen, den inneren Dialog mit dem (fremden) Wort, um es mit dem eigenen Leben und dem Hier und Heute „zusammenzubringen“.24 Die Frage, ob die eigene Predigt der Botschaft eines Bibeltextes gerecht wird, bleibt, auch die Unsicherheit: Wer bin ich, dass ich von Gott und in seinem Namen predige? Darum hat die Bitte um Gottes Geist25 Sinn: „Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist“.26
Verständigung
Von Martin Luther stammen die Worte: „Jede Stelle der Schrift ist von unendlicher Einsicht; darum was du erkennst, mache nicht hochmütig geltend; bestreite nicht dem anderen seine Einsicht und wehre ihn nicht ab! Denn es sind Zeugnisse, und jener sieht vielleicht, was du nicht siehst. So ist immer voranzuschreiten in der Erkenntnis der Heiligen Schrift“.27 Der Gedanke Martin Luthers, dass ein anderer Mensch vielleicht mehr sieht als ich, führt zur Demut, zu einer der „Kommunikation“ der Heiligen Schrift angemessenen Haltung.28
„Im Namen Gottes …“
Eine hermeneutische Aufgabe und Herausforderung bleibt das exegetische, systematische und homiletische „Zusammendenken“ von Gott und Jesus, von Theologie und Christologie, Altem und Neuem Testament.29 Sehe ich es richtig, dass in unseren Predigten oft auffallend allgemein von Gott ohne ausdrücklichen Bezug auf den Gott Israels, des biblischen Gottesvolkes, die Rede ist?30 Müssen wir heute angesichts diffuser Gottesbilder nicht deutlicher sagen, was wir meinen, wenn wir von Gott sprechen? Und kommt die Christuspredigt nicht zu kurz? Wenn Martin Luther den Predigenden ans Herz legt: „Nihil nisi Christus praedicandus“, „nichts als Christus gilt es zu predigen“31, ruft er im Sinne der ersten Bitte des Vaterunsers zur „praedicatio“ Gottes auf, der nach „vielfacher und vielerlei Weise zuletzt geredet hat durch den Sohn“.32 Im Namen Gottes ist das seinem Volk Israel und durch seinen Christus/Messias allen Völkern zugedachte Heil ausgerufen.33 Predigt nimmt diesen Ruf auf.
Jene Frage „Was soll ich predigen/rufen/öffentlich ausrufen/verkünden?“ blieb nicht ohne Antwort, verbunden mit einem gewichtigen „Aber“, das jedem Zweifel trotzt: „Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich“.34 Es ist das Wort, die Trostbotschaft, die der Prophet durch die himmlische Stimme gehört35 und „gegen heftige Einwände und Bestreitungen seiner Zeitgenossen zu verteidigen hat“36 – das Wort, das „zustand kommt“, „sich sicher realisiert“ 37 und Vertrauen in Gottes Macht und Zukunft gegen alle zerstörerische Menschenmacht weckt; die Knechtschaft hat ein Ende, Täler werden sich heben, Berge und Hügel sich senken.38
Nach Helmut Schwier braucht es „Predigerinnen und Prediger, die mit Gott und seiner Zeit in ihrer Zeit und in der Diesseitigkeit der Welt rechnen und theologisch unterscheiden und zuordnen können; und es braucht Liturgen und Gemeinden, die Vergangenheit erinnern, Zukunft erwarten und in Gottes Gegenwart feiern“.39 Das von Rudolf Bohren erwartete „Wunder“ der Predigt40 geschieht, wenn Gott „in, mit und unter“ der Predigt und unserem exegetischen und homiletischen Ringen selbst das Wort ergreift41 – und für die Hörenden, auch für die Predigenden, sich der Himmel öffnet.42
Anmerkungen
* Anlässlich der Emeritierung von Prof. Dr. Helmut Schwier, seit 2001 Professor für Neues Testament und Praktische Theologie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, findet vom 21.-23. Juni 2024 ein öffentliches Abschiedssymposium in der Peterskirche in Heidelberg zum Thema „Christologie“ statt. Zum Programm des Symposiums s. https://www.theologie.uni-heidelberg.de/de/kalender/christus-predigen-in-wort-tat-und-ton-interdisziplinaere-und-internationale-perspektiven-2024-06-21. – Mit meinen Überlegungen zur biblischen Exegese und Homiletik grüße und danke ich Helmut Schwier, der zu meinen geschätzten und verehrten Lehrern gehört, mich so freundlich und wohlwollend als Mitarbeiter in seinen Seminaren aufgenommen, mir Lehraufträge anvertraute und mein Lernen beflügelte.
1 Jes. 40,6: , wörtlich: Was soll ich rufen/öffentlich ausrufen/verkünden? – Das hebräische Verb 1קרא kann auch für „(Gott) anrufen/beten“ oder allgemein „jemanden rufen“ gebraucht werden (K. Elliger, Jesaja II, BK XI,1, Neukirchen-Vluyn 1970, 21f; Ges18 1184-1186).
2 Vgl. H. Schwier/S. Gall, Predigt hören. Befunde und Ergebnisse der Heidelberger Umfrage zur Predigtrezeption, Heidelberger Studien zur Predigtforschung, 1, Berlin 2008.
3 Vgl. Chr. Grethlein, Praktische Theologie, Berlin, Boston 22016; A. Deeg und M. Nicol, Auf der Schwelle zur Predigt. Was eine Göttinger Predigtmeditation leisten kann, in: Pastoraltheologie 96 (2007), 3-17; Chr. Albrecht/M. Weeber (Hgg.), Klassiker der protestantischen Predigtlehre. Einführung in homiletische Theorieentwürfe von Luther bis Lange, Tübingen 2002; K. Raschzok, „Methode der Predigt“, Vom homiletischen Nutzen einer zeitgenössischen Künstlertheorie (Thomas Lehnerer), in: ZThK 97 (2000), 110-127; L. Ohly, Predigt als Kunst und Dramaturgische Homiletik. Bedenken aus systematisch-theologischer Perspektive, in: ThLZ 145 (2020), 18-33; Chr. Grethlein, Praktische Theologie als Theorie der Kommunikation des Evangeliums in der Gegenwart – Grundlagen und Konsequenzen, in: IJPT 18 (2014), 287-304.
4 Vgl. H. Janssen, Aus den Quellen schöpfen. Bibel auslegen, aneignen, mitteilen – Hermeneutische Zugangsversuche zum Alten und Neuen Testament, Berlin/Münster 2024, 225-230 (Predigtempfehlungen Bd. 5, hrsg. v. A. Gerhards, J. M. Nierop, K. Oxen, J. Pock, H. Schwier).
5 Pastor Christoph Kühne (Hamburg), mündlich, dem ich für die kritische Lektüre und Diskussion meines Beitrags danke.
6 Vgl. dazu den Überblick von K. Raschzok, a.a.O., 111-116.
7 R. Bohren, Predigtlehre, Einführung in die evangelische Theologie, München 1971 (61993), 24.
8 M. Luther, WA 49, 74,26.
9 D. Bonhoeffer, Finkenwalder Homiletik, Halbjahrs-Seminar-Vorlesung zwischen 1935 und 1939 [Aus Nachschriften verschiedener Kurse vom Herausgeber zusammengestellt. …], in: D. Bonhoeffer, Gesammelte Schriften, hrsg. v. E. Bethge, 4. Bd., München 1961, 237-289; 287-289.
10 L. Ohly, a.a.O., 19f.
11 C. Hardmeier, „Denn im Tod ist kein Gedenken an dich…“ (Psalm 6,6). Der Tod des Menschen – Gottes Tod?, in: EvTh 48 (1988), 292-311: 308-311. Christof Hardmeier (* 2. November 1942, † 8. Mai 2020), dem ich dankbar verbunden bleibe und seiner gedenke, fand zu den oben zitierten Gedanken anhand einer Auslegung besonders zu Ps. 30. Wird das Klagegebet in V. 10 („Was ist der Gewinn an meinem Blut, wenn ich hinabfahre zur Grube? Lobdankt […] dir der Staub? Tut er deine Treue kund?“) gewöhnlich als ein Appell und Bestürmen Gottes um Hilfe durch den in Not geratenen Menschen interpretiert, eröffnet C. Hardmeier exegetisch noch eine andere Verstehensmöglichkeit der Klage: „Mit jedem Tod eines Kranken, der um [Gottes] Gnade fleht, verliert Gott einen besonders kostbaren Zeugen seines Heilshandelns an den Menschen und damit seiner Heilsgeschichte […] Das wäre die ‚Niederlage Gottes‘ […] D. h. positiv ausgedrückt: Gott ist fundamental auf diejenigen angewiesen, denen in ihrem Leben seine Gnade widerfährt, die als Antwort darauf sein Heilshandeln öffentlich im Lobpreis bezeugen“. (307)
12 C. Hardmeier, a.a.O., 296; Hardmeier bezieht sich auf eine Auslegung des jungen M. Luther zu Ps. 6,6, dass es im Tod niemanden gebe, „qui clarificet te coram aliis“ („der dich vor anderen berühmt mache/verherrliche“).
13 Dieses Gebet, dessen literarische Quelle ich nicht kenne, ist mir seit Jugendtagen vertraut durch meinen damaligen Gemeindepfarrer in Nonnenweier, Dr. theol. Hans-Peter Kopf (* 29. April 1930, † 16. November 1968). Als „sein“ Organist hörte ich es Sonntag für Sonntag, und ich habe es „angeeignet“ und bin ihm dafür bis heute dankbar.
14 Zur Bibelauslegung und ihrer Methode(n) erklärt Friederike Nüssel: „Wenngleich jede Auslegung von den hermeneutischen Voraussetzungen der Auslegenden bestimmt wird und es keine ‚objektive‘ Erhebung dessen, was die Texte sagen oder zu verstehen geben wollen, geben kann, wird es doch erst im Medium methodisch kontrollierter exegetischer Schritte möglich, der Distanz zwischen den eigenen hermeneutischen Voraussetzungen und den Texten gewahr zu werden“, in: F. Nüssel (Hg.), Schriftauslegung, Themen der Theologie, Bd. 8, Tübingen 2014, 247.
15 M. Fishbane, Einstimmung auf das Heilige. Eine jüdische Theologie. Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Manfred Oeming und Udo Richter. Mit einem Geleitwort von Manfred Oeming und einer Einleitung von Markus Krah, Freiburg i.Br. 2023, 107f.
16 M. Fishbane, a.a.O., 109.
17 S.o. FN 1.
18 Vgl. C. Westermann, Genesis 1-11, BK I/1, Neukirchen-Vluyn 1974, 462.
19 Zu Fragen biblischer Hermeneutik und der Methodendiskussion vgl. z.B. U.H.J.Körtner, Der inspirierte Leser. Zentrale Aspekte biblischer Hermeneutik, Göttingen 1994.
20 M. Becker in seiner Einführungsvorlesung zum Neuen Testament, SoSe 2023 an der Theol. Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.
21 Jer. 15,16, Übers.: Heinz Janssen.
22 Röm. 10,17.
23 Ob „in den letzten Jahrzehnten das Potenzial der Exegese fürs Predigen aus dem Blick geraten“ ist? Dies vermuten C.W. Hoffmann und A.-K. Knittel, in: dies., Predigt und Exegese im Atelier. Ein Praxisbuch, Stuttgart 2023. Sie verstehen ihr Buch auch als „eine Liebeserklärung“ an die klassische Exegese als „an ein Teilgebiet der Theologie, das einen schwierigen Ruf hat“ (13). In seinem Nachwort zum Buch betont G. Theißen: „Exegese und Homiletik gehören im Protestantismus zusammen“; das Buch schwimme „insgesamt gegen den Strom in der Praktischen Theologie. Denn die Homiletik löste sich in ihr in den letzten 50 Jahren immer mehr von der Exegese“ (149-153; 153.149).
24 Vgl. Lk. 2,19.
25 S.o. FN 13.
26 EG 126.
27 M. Luther in seiner ersten Psalmenvorlesung: Dictata super psalterium, 1513-1515, WA Bd. 4, 318f, Z. 28ff.
28 M. Domsgen/B. Schröder (Hg.), Kommunikation des Evangeliums. Leitbegriff der Praktischen Theologie, APT 57, Leipzig 2014.
29 Vgl. M. Witte, Jesus Christus im Spiegel des Alten Testaments, in: J. Schröter (Hg.), Jesus Christus, Themen der Theologie, Bd. 9 (utb 4213), Tübingen 2014, 13-70. – Die Jesusgeschichte wird im ganzen Matthäusevangelium „von 1,1 bis 28,20 mit einem stetigen Bezug auf die Schrift, also das später sogenannte Alte Testament, erzählt“, M. Konradt, Das Evangelium nach Matthäus, NTD 1, Göttingen 2015, 1.
30 H. Schwier, Kirche und Israel. Ein Beitrag der reformatorischen Kirchen Europas zum Verhältnis von Christen und Juden/Church and Israel. A Contribution from the Reformation Churches in Europe to the Relationship between Christians and Jews (= Leuenberger Texte 6), hrsg. im Auftrag des Exekutivausschusses der Leuenberger Kirchengemeinschaft, Frankfurt/M. 22001.
31 Vgl. H. Schwier, Wer ist Jesus Christus für uns heute? Praktisch-theologische Wahrnehmungen und Reflexionen, in: J. Schröter (Hg.), a.a.O., 243-266; 248; R. Preul, „Du sollst das Evangelium predigen“ / „nihil nisi Christus praedicandus“ – Gesetz und Evangelium in der Predigt, in: Luther heute. Ausstrahlungen der Wittenberger Reformation, hrsg. v. U. Heckel, J. Kampmann, V. Leppin und C. Schwöbel (utb 4792), Tübingen 2017, 211-229.
32 Hebr. 1,1f.
33 W.J. Alston/Chr. Möller/H. Schwier (Hg.), Die Predigt des Alten Testaments. Beiträge des Symposiums „Das Alte Testament und die Kultur der Moderne“ anlässlich des 100. Geburtstags Gerhard von Rads (1901-1971), Heidelberg, 18.-21. Oktober 2001, ATM 16, Münster u.a. 2003.
34 Jes. 40,6-8; K. Elliger, a.a.O., 1, übersetzt V. 8b, der Bedeutung des hebräischen Verbs קום („aufstehen“) entsprechend: „doch das Wort unsres Gottes kommt zustand für die Dauer“. Gott garantiert die „Dauer“ seines Wortes „im Gegensatz zum Vergehen von Gras und Fleisch. Was so zustandekommt, daß es stehen bleibt auf die Dauer, ist ‚das Wort unsres Gottes‘ […]. Parallel den Kräften der Natur in der Schöpfung setzt Gott in der Geschichte der Menschen sein ‚Wort‘ an, das auf verschiedene Weise wirkt, wozu er es sendet“ (26f.28f).
35 Jes. 40,1-5.
36 Jörg Jeremias, Theologie des Alten Testaments, GAT 6, Göttingen 2015, 261.
37 K. Elliger, s. FN 34; empfehlend sei auf die instruktiven exegetischen Ausführungen zur oft chiffrenhaft gebrauchten (dogmatischen) Rede vom „Wort Gottes“ hingewiesen, a.a.O., 27-29. – 1. Petr. 1,25 zitiert Jes. 40,8, wahrscheinlich nach der griechischen Übersetzung des AT, der Septuaginta, ersetzt aber die Gottesbezeichnung θεός durch κύριος und lässt das dem hebräischen Text entsprechende und von der Septuaginta korrekt wiedergegebene Personalpronomen in der Wendung / τὸ δὲ ῥῆμα τοῦ θεοῦ ἡμῶν („unseres Gottes/Kyrios“) aus: „des Herrn Wort“ (Übers. M. Luther); 1. Petr. 1,25 erklärt also „das Wort“ messianisch/christologisch.
38 Jes. 40,1-5.
39 H. Schwier, In Gottes Zeit. Liturgiewissenschaftliche und homiletische Überlegungen, in: Christof Landmesser/Dorothee Schlenke (Hg.), Ewigkeit im Augenblick. Zeit und ihre theologische Deutung, Leipzig 2024, 91-106; 106.
40 R. Bohren, a.a.O., 24.
41 Vgl. K. Raschzok, a.a.O., 123.
42 Vgl. M. Luther in einer Predigt im Jahr 1524: „Per hoc verbum aperitur coelum“, WA 15, 720, 35.
Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 6/2024