Dem US-Bürgerrechtler zum 95. Geburtstag

Er kam, sprach und säte Hoffnung: Martin Luther King (15.1.1929 – 4.4.1968), der Baptistenprediger, US-amerikanische Bürgerrechtler und Friedensnobelpreisträger. Seine legendäre Rede „I have a dream“ vor dem Lincoln Memorial in Washington schrieb Weltgeschichte. Darin beschwört King die Integration Schwarzer in die amerikanische Gesellschaft. Dass dieser Visionär und gewaltlose Kämpfer gegen Rassismus und Armut auch eine musikalische Seite hatte, ist weniger bekannt.

 

 

Die Seele der Bürgerrechtsbewegung

M.L. Kings Aktionen sind eng mit Musik verbunden. „Die Seele der Bewegung“, so King, ist der Gesang von Gospels und sog. „Negro Spirituals“ gewesen. Er erkannte sehr bald die Macht der Musik. In ihr sah er ein Instrument zur sozialen Veränderung. Seine Wertschätzung für Musik zieht sich wie ein roter Faden durch sein ganzes kurzes Leben: „Die Freiheits- und Protestlieder schweißten uns zusammen, machten uns Mut, halfen uns auf unseren Märschen. Mit dieser Musik können wir in die tiefste Verzweiflung eintauchen, um dann mit wunderbarem Optimismus wieder emporzusteigen. Wenn wir ‚Come By me, Lord‘ singen, sind wir mit dem Weltall verbunden.“ Kings Ziel war es, die stärkende Kraft der ­Musik überall auf dem Globus weiterzugeben.

Als der Bürgerrechtler am 13. September 1964 die Berliner Jazztage – auf Einladung des Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt – eröffnete, würdigte er im Vorwort zum Programmheft die Bedeutung des Jazz und Blues. „Jazz“, so King, „spricht für das Leben. Jazz ist eine Musik des Trostes, Triumphes, der Ermutigung und des Freiheitsbestrebens. Der Blues … setzt die härtesten Realitäten des Lebens in Musik um, um dann mit neuer Hoffnung oder einem Gefühl des Triumphes wieder herauszukommen.“

M.L. King hatte seine Musikalität seiner Mutter, der Organistin und Chorleiterin Alberta King, zu verdanken. Er spielte Klavier und hatte eine helle Baritonstimme. Es ist für ihn bezeichnend, dass er eine Profimusikerin, die Konzertsängerin, Musikpädagogin und Chorleiterin Coretta King, kennen- und lieben lernte – in Boston bei einem Klavierkonzert mit Arthur Rubinstein.

 

„Erzähl ihnen von deinem Traum, Martin!“

Im Hause King wurde viel musiziert und gern gesungen. Zu Martins Lieblingsliedern gehörte die Hymne „In Christ there is no east or west“ und der Spiritual „We shall overcome“, ein Protestlied, das zur „Marseillaise“ in Kings Bürgerrechtsbewegung wurde. Sein Biograph John A. Williams erinnert sich: „Ich höre noch immer Kings Stimme, sie kam aus den letzten Winkeln seiner Lunge, seine Lippen waren weit geöffnet, und seine schrägen Augen hatten den Ausdruck angespannter Konzentration.“ Das Lied erklang auch bei Kings Auftritt in der St. Marienkirche in Ostberlin 1964.

Zu M.L. Kings musikalischen Freundeskreis gehörte auch Mahalia Jackson, die „Queen of Gospel“. Auf Kings Bitte hin sang sie vor seiner großen Rede „I have a dream“ den bekannten Gospel „I’ve been buked and I’ve been scorned“ („Ich wurde beschimpft und verachtet“), mit dem Text von Harry Belafonte, dem engen Freund und Unterstützer Kings. Mahalia Jackson war es auch, die King während seiner zunächst wenig zündenden Rede zurief: „Erzähl ihnen von deinem Traum, Martin!“ Und dann – ohne Manuskript – schmetterte er seine vier mitreißenden Worte ins Mikrofon, die die Welt bewegten.

M.L. Kings Rede kam einer improvisierten Predigt gleich und wurde zu einem „vokalen Meisterstück“. Er setzte gekonnt den Klang seiner Stimme ein, wechselte zwischen Bariton- und Tenorstimme, um bestimmte Effekte zu erzeugen. Zweifellos kam dem erfahrenen Baptistenprediger sein musikalisches Talent zugute. – Übrigens gewann King einen Grammy, den wichtigsten Musikpreis der Welt. Er erhielt 1971 den Preis für das beste gesprochene Wortalbum in der Kategorie „Spoken Word“ (USA). Für seine Rede „Warum ich gegen den Krieg in Vietnam bin“ wurde er posthum geehrt. Und zu Kings Vermächtnis gehört auch der Anstoß, dass schwarze Musikerinnen und Musiker in US-Sinfonie­orchestern mitspielen können.

 

Harald Pfeiffer

 

Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 1/2024

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