I. Wiederentdeckung nach 1700 Jahren

1. Das ökumenische Bekenntnis von Nizäa-Konstantinopel 325/381

Im Sommer des Jahres 325 versammelten sich auf Initiative von Kaiser Konstantin 318 Repräsentanten der damaligen Christen in Nizäa dem heutigen Iznik in der Türkei – zu einer gesamtchristlichen Zusammenkunft: dem ersten Konzil der Christenheit. Dort fassten sie am 19. Juni den wichtigsten Beschluss: die bis auf zwei Ausnahmen einstimmige Verabschiedung des ersten christlichen Glaubensbekenntnisses. Es wurde auf dem 2. Ökumenischen Konzil 381 in Konstantinopel vor allem um die Aussagen im Dritten Glaubensartikel ergänzt. Wir verwenden diese Fassung des Ökumenischen Bekenntnisses von Nizäa-Konstantinopel aus dem Jahr 381 und nennen es einfach „Nizänum“. Dieses von fast allen Kirchen anerkannte christliche Glaubensbekenntnis ist es wert, nach rund 1700 Jahren wiederentdeckt zu werden. Es ist, wie es J.N.D. Kelly formuliert hat, „einer der wenigen Fäden, mit denen die zerrissenen ­Fetzen des geteilten Rockes der Christenheit noch zusammengehalten werden“.

2. Der gemeinsame Glaube der Christenheit heute

Dieses Bekenntnis bietet die Chance, auf die gemeinsamen Grundlagen der Christenheit zurückzugehen und sie sich miteinander erneut zu eigen zu machen. Sie umfassen die Fragen nach Sein und Wesen Gottes, nach der Relevanz des Messias Jesus von Nazareth, nach der Bedeutung des Heiligen Geistes in den Kirchen und schließlich über die Zukunft der Welt. Auf dieser Basis ist es heute an der Zeit, nach ethischen, politischen und ökologischen Themen sich auf das ökumenische Kerngeschäft zu konzentrieren und so dem gemeinsamen Glauben der Christenheit Geltung zu verschaffen. Er steht ganz oben in der „Hierarchie der Wahrheiten“. So benennt es auch die Verfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen an erster Stelle, „einander zur sichtbaren Einheit in dem einen Glauben und der einen eucharistischen Gemeinschaft aufzurufen“. Der Altenberger Ökumenische Gesprächskreis wird im kommenden Frühjahr 2024 ein Buch mit inhaltlichen Beiträgen zum Nizänum vorlegen.

 

II. Vorschläge zur Gestaltung des Jahres 2025

Das 1700-jährige Jubiläum des Nizänums bietet die Chance, das Jahr 2025 entsprechend ökumenisch zu gestalten. Dazu unterbreiten wir als Altenberger Ökumenischer Gesprächskreis folgende vier Vorschläge:

1. „2025 – Jahr mit dem Bekenntnis“

Da das Nizänum von fast allen Kirchen anerkannt wird, empfehlen wir, das Jahr 2025 in ökumenischer Gemeinschaft zum „Jahr mit dem Bekenntnis“ zu erklären. Innerhalb des Jahres 2025 können dann zu verschiedenen Zeiten inhaltliche Akzente zum Nizänum gesetzt werden:

Gebetswoche für die Einheit der Christen (Januar oder Pfingsten)
Gemeinsames Osterfest mit orthodoxen Kirchen
Gedenken an das 1. Konzil in Nizäa (20. Mai bis 25. Juli)
Fest mit dem Bekenntnis am 19. Juni (s. u.)
6. Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung (28. August bis 3. September)
Reformationstag
Buß- und Bettag.

 

2. Rückkehr zum ursprünglichen Wortlaut des Nizänums

Im Lauf der Jahrhunderte hat das Nizänum in verschiedenen kulturellen Räumen unterschiedliche Ergänzungen erhalten. Wenn es wieder zur vollen Gemeinsamkeit in der Formulierung der Glaubensgrundlage der Christenheit kommen soll, ist es unabdingbar, zum ursprünglichen Wortlaut des Bekenntnisses zurückzukehren und eine einheitliche Übersetzung zu schaffen. Das beinhaltet im deutschsprachigen Kulturbereich vor ­allem folgende Korrekturen:

¬ „Wir glauben“ statt „ich glaube“
¬ Rückkehr zum Wortlaut „katholisch“ beim dritten Kennzeichen der Kirche
¬ Rücknahme des später eingefügten Filioque („und dem Sohn“) – im Dritten Glaubensartikel sollte vor allem im Gespräch mit der Orthodoxie bedacht werden.

3. Vertiefte liturgische Beheimatung des Nizänums

Da es sich in erster Linie um ein doxologisches Bekenntnis für Abendmahls- und Eucharistie-Gottesdienste handelt, ist es angemessen, es heute an erster Stelle in diesen Gottesdiensten wieder zu beheimaten, wie es in orthodoxen Kirchen seit jeher üblich war und ist. Eine alte oder neue gesungene Fassung des Bekenntnisses entspricht am besten seinem lobpreisenden Charakter. Auf diese Weise wird ein ökumenisches Band zwischen katholischen, orthodoxen und reformatorischen Kirchen geflochten, das die drei christlichen Haupttraditionen im Kern ihres Glaubens einander näher bringt. Zudem wird in allen drei Glaubensartikeln die Dimension des Einsseins hervorgehoben, die zugleich Grundlage und Auftrag aller Kirchen ist.

4. Ein Fest mit dem Bekenntnis am 19. Juni 2025

Wie erwähnt, ist am 19. Juni 325 das erste gesamtchristliche Glaubensbekenntnis verabschiedet worden. Das ist der richtige Zeitpunkt, an dem nach 1700 Jahren möglichst alle Kirchen das Nizänum in seinem ursprünglichen Wortlaut gemeinsam miteinander feiern, sprechen und singen. Dazu ist ein ökumenisches Glaubensfest mit großer Beteiligung am besten geeignet.

 

III. Erneuerung auf dem Weg heute

1. Den Glauben bekennen

Das erste gesamtchristliche Bekenntnis erinnert daran, dass trotz entstandener feindlicher Abgrenzungen gemeinsames Zeugnis von unserem Glauben in aller Vielfalt heute möglich ist aufgrund der „einen Taufe zur Vergebung der Sünden“. Die Gemeinschaft der in der Una Sancta vereinigten Getauften erwartet von den für Glaubensfragen zuständigen ökumenisch Verantwortlichen in der Deutschen Bischofkonferenz, dem Rat der EKD und der Bundes-ACK, dass sie bis zum Jahr 2025 einen gemeinsamen Wortlaut des Nizänums erarbeiten. Eine öffentliche Ausschreibung für eine gesungene Fassung des Nizänums in den Gemeinden sollte noch in diesem Jahr 2023 auf den Weg gebracht werden.

2. Gemeinsam handeln

Die Rückbesinnung auf die gemeinsamen Glaubensgrundlagen im Nizänum ermöglicht es, die bereits in Gang befindlichen „konziliaren Prozesse“ stärker miteinander zu verzahnen: den Konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, den Synodalen Prozess in der römisch-katholischen Kirche auf regionaler, kontinentaler und weltweiter Ebene, die verschiedenen Gespräche zwischen den Konfessionen. Das Gespräch mit dem Judentum sollte sich auf seine Weise mit dem Nizänum befassen. Mit einer wahrhaft katholischen Beratung – consultatio vere catholica – sollten die konfessionellen Vorbehalte gegenüber dem Wort „katholisch“ im Glaubensbekenntnis überwunden werden und spätestens im Jahr 2081 zu einer ersten gesamtchristlichen Enzyklika“ führen, die zu den Herausforderungen unserer Welt ein einmütiges und hilfreiches Wort findet. Statt eine solche Perspektive auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben, kommt es darauf an, im Jahr 2025 den ersten gemeinsamen Schritt miteinander zu gehen, damit weitere Konkretionen folgen können.

3. Gemeinschaft leben

Gemeinschaft zu leben beginnt auf der Gemeindeebene mit gegenseitigen Einladungen und gottesdienstlichen Besuchen, Gemeindepartnerschaften am Ort und kooperativen Gemeindestrukturen. Sie setzt sich fort auf Pilgerwegen zu Orten wie Taizé, Büchel in der Eifel oder Rom. Sie umfasst spirituelle, ökologische und politische Dimensionen. Die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen hat in Karlsruhe Anfang September 2022 die in Koinonia verbundene Gemeinschaft der Verschiedenen zur Beteiligung an dem weltweiten „Pilgerweg der Gerechtigkeit, Versöhnung und Einheit“ eingeladen. Jetzt ist die Zeit, sich erneut zum dreieinigen Gott zu bekennen und in seinem Namen im kommenden Jahrzehnt sich auf einen gemeinsamen Pilgerweg der Versöhnung zwischen Kirchen zu begeben, damit sie neue Glaubwürdigkeit für ihr Zeugnis in der Welt gewinnen.


Für den Altenberger Ökumenischen Gesprächskreis:
Pfarrer Dr. Hans-Georg Link, Köln;
Pfarrer Dr. Manfred Richter, Berlin;
Pfarrer Dr. Rainer Stuhlmann, Köln;
Professor Dr. Josef Wohlmuth, Bonn/Heideck

 

Über die Autorin / den Autor:

Für den Altenberger Ökumenischen Gesprächskreis:

Pfarrer Dr. Hans-Georg Link, Köln;

Pfarrer Dr. Manfred Richter, Berlin;

Pfarrer Dr. Rainer Stuhlmann, Köln;

Professor Dr. Josef Wohlmuth, Bonn/Heideck

Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 9/2023

3 Kommentare zu diesem Artikel
25.10.2023 Ein Kommentar von Leo Petersmann Lieber Manfred, vielen Dank für deine Antwort und deine Bemerkungen zu meinem Kommentar. Wie schön, von deinem kritisch-ökumenischen Geist zu hören. Deine Erwiderungen zu meinen 3 Einwänden leuchten mir zwar nicht wirklich ein, trotzdem verstehe ich besser, was ihr vorhabt und wünsche dir und euch gutes Gelingen für dieses große Projekt. Mit herzlichem Gruß, dein Leo Petersmann
17.10.2023 Ein Kommentar von Manfred Richter Kommentar dazu: Lieber Leo Petersmann: ich freue mich, von Dir zu lesen und erkenne Deinen kritischen Geist, den ich mit Dir teile. Nur ziehe ich andere Konsequenzen. Erlaube wenige Gedanken zu Deinem Text. 1. Die imperiale Kirche kam später, das stimmt. Anfänglich war es die Entscheidung des Kaisers, sich zu einer Minderheit (ca. höchstens 15%) zu bekennen, der er für das Staatswesen Gutes zutraute und sich so entschloß, sich von seinem bisherigen Hausgott, dem römischen Sol invictus, zu der christlich bekannten „Sonne der Gerechtigkeit“ zu wenden. Inhaltlich war es nicht er, sondern sein Hauptberater, der Bischof von Cordoba, der die Entscheidungen bestimmte. 318 der aus besonderes den östlichen Reichsteilen stammenden Bischöfen stimmten ab bei nur zwei contra. 2. Jesus verlassen hat die Kirche damals nicht, aber sich auf die als heilsrelevant eingeschätzten Ereignisse von Tod und Auferstehung und der darauf abzielenden Menschwerdung des Gottessohns konzentriert: Die uns so erscheinende „Fehlanzeige“ kann gerade durch eine intensive Neubeschäftigung mit dem Credo angesichts unseres heutigen exegetischen und geschichtlichen Wissens für uns korrigiert werden. Das Credo hatte die neutestamentlichen Glaubensbekenntnisse und die darin ausgedrückte Ostererfahrung mit dem auferstandenen Gekreuzigten in theologisch-philosophischer Sprache der Zeit auszudrücken – suchen wir unsere Sprache, es heute zu tun! 3. Das Übel war, dass das Credo zum Reichsrecht gemacht wurde (Ende 5. Jh. vollendet), wodurch zunehmend und dann auf schlimmste Weise das Heidentum, das Judentum und abweichende Christengruppen staatlicher Verfolgung bei kirchlicher Sanktionierung unterworfen wurden. Aus diesen Negativtraditionen (auch der Reformationskirchen gegenüber Täuferkirchen usw.) sich herauszuarbeiten, auch gedanklich, ist ein weiteres Thema eines „Bekenntnisjahres“, wie wir es meinen und vorschlagen, um den Weg in die Zukunft unserer Welt und Zeit zu begehen hin - zu einer im Wortsinne katholischen, dh. Allen zugutekommenden, und apostolischen, das heißt der biblischen, der Christus-gemässen Kirchen-Gemeinschaft entsprechenden Ökumene - ab sogleich. Lernen wir das zu bekennen in Wort, Tat und Sein. - Mit besten Wünschen! Dein Manfred Richter
20.09.2023 Ein Kommentar von Leo Petersmann Sehr geehrte Herren, lieber Manfred Richter, das Nizänum ist die Entstehungsurkunde 1. für eine imperiale Kirche, aus einer vom Imperator einberufenen Versammlung, die seinen imperialen Zielen diente, der das Ergebnis auch inhaltlich wesentlich beeinflusst hat und sich (später) als Bischof der Bischöfe anreden ließ, obwohl er kein Mitglied der Kirche war, zugleich die Entstehungsurkunde der unheilvollen Ehe von Thron und Altar; 2. für eine Kirche, die Jesus verlassen hat, indem das kirchenbegründende Wirken Jesu mit keinem Wort darin vorkommt, stattdessen mehr als die Hälfte des Textes der Spekulation über die Göttlichkeit Jesu gewidmet ist, die Jesus weit von sich gewiesen hat (Mk.10,18); 3. für eine Kirche, die andersdenkende Christen verdammt und verfolgt, was sie bis in die Reformationszeit (z.B. CA 16) ausgiebig getan hat und bis heute tut, die also im umfassenden Sinn „katholisch“ sein will, indem sie die Andersdenkenden verurteilt und ausschließt, statt sich gemeinsam mit ihnen auf dem Weg zu sehen; ist das ökumenisch? Wollen Sie also außer dem Bekenntnis auch den arroganten und menschenverachtenden Anhang wieder neu in Kraft setzen, oder wollen Sie ihn schamhaft verschweigen? Dass die Kirche so heillos zerstritten ist, liegt nach meiner Überzeugung wesentlich an diesem Anhang und seiner imperialen Grundhaltung. Leo Petersmann
Kommentieren Sie diesen Artikel
Regeln und Hinweise


Pflichtfelder sind mit * markiert. Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.
Spamschutz: dieses Feld bitte nicht ausfüllen.