Die Zeit der Corona-Pandemie hat das Gottesdienstangebot lokaler Kirchengemeinden nicht nur eingeschränkt, sondern auch erweitert – insofern neue Formate jenseits der analogen Zusammenkunft in der Kohlenstoffwelt entwickelt und erprobt wurden. Die Autoren fragen, ob und inwieweit hybride und digitale Formate zur Stärkung der Resilienz der Gottesdienste und Gemeinden vor Ort beigetragen haben.

 

„Not lehrt beten“ – heißt es oft. Für Kirche kann man vielleicht sagen „Not lehrt Digital“. In den letzten zwei Jahren wurde viel ausprobiert, erprobt und durchgeführt. Nun gibt es die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen1 dazu. Für uns ein Anreiz, nochmal genauer hinzuschauen und eine Vision für die Zukunft zu entwickeln. Folkert Fendler stellt fest: „Der Mensch möchte im Gottesdienst kein Kunde sein, aber er verhält sich wie einer.“2 Ähnlich stellt es sich auf der Seite der Anbieterin Kirche da. Reine Anbieterin eines „Produktes“ will die Kirche nicht sein, aber ohne Wahrnehmung der „Kund*innen“ und deren Bedürfnisse geht es auch nicht. Sie hat einen Auftrag – die Verkündigung des Evangeliums, sie hat eine Mission. Und so wie jedes Unternehmen mittlerweile ein „Mission Statement“ hat, so ist die Sendung von Kirche schon lange klar. Gleichzeitig braucht sie auch eine Orientierung an den Menschen, an die „Kund*innen“ – wie schon Paulus es beschreibt, als eine der ersten Missionsstrategien.3

 

Auftragsgemäße Bedürfnisorientierung

Cla Reto Famos hat schon 20054 das Konzept der auftragsgemäßen Bedürfnisorientierung entwickelt, und wir wollen versuchen, beides in den Blick zu nehmen und dabei auch die Möglichkeiten der Digitalisierung im Analogen stark machen. In der Corona-Pandemie ist der digitale Gottesdienst sehr ins Zentrum gerückt; und u.E. gilt es nun die Erfahrungen und vor allem den Kompetenzzugewinn zu nutzen und nicht wieder zu verlieren. Wir haben neue Menschen und Menschen neu erreicht.

Natürlich bleibt eine Spannung: Die Kirche steht für Gemeinschaft, und Glauben braucht Gemeinschaft – und diese sicher auch analog. Auch haben wir Ansprüche an Inhalt und Form der Verkündigung; gleichzeitig ist die Skalierbarkeit digitaler Angebote eine große Chance, gerade im Hinblick auf schwindende Ressourcen. Mit Skalierbarkeit ist in diesem Zusammenhang die multiple Nutzung eines erstellten Produktes gemeint. Die Vervielfältigung ist im „Digitalen“ leicht. Daten, in digitaler Form, sind ein Rohstoff, der sich nicht verbraucht5, sondern im Zweifelsfall lediglich veraltet. D.h. wenn mit viel Mühe und Liebe ein Produkt (Predigt, Lied usw.) vorbereit wurde, kann es digital fast unendlich oft genutzt werden.

Unser Grundverständnis dabei ist: Gottesdienst ist die Verkündigung des Evangeliums, und um diese Verkündigung sammelt sich die Gemeinde Jesu Christi. Verschiedene – auch digitale – Formen sind kein Ersatz oder Notprogramm, sondern eigenständige Formen der Evangeliumsverkündigung und Gemeindesammlung. Daher kann ein Gottesdienst auch unterschiedliche Zusammensetzungen aus analogen und digitalen Elementen haben.

 

Fünf Formen von Gottesdienst

Grundsätzlich können wir fünf Formen von Gottesdienst in Bezug auf analoges und digitales Erleben unterscheiden:

1. Digitale Gottesdienste als Livestream und/oder zeitunabhängig abrufbar, sozusagen eine organische Fortentwicklung der Fernsehgottesdienste mit regionaler Verankerung.

2. Oder digital-analoge, sog. „digitanaloge“ Gottesdienste. Das sind Gottesdienste, bei denen ich Menschen im Vorfeld etwas „Analoges“ (per Post) zusende: ein Liedblatt oder etwas für die Abendmahlsfeier oder ein Symbol. Es handelt sich also um einen digitalen Gottesdienst mit einem gemeinsamen analogen Anknüpfungs- oder Bezugspunkt.

3. Ich kann aber auch einen grundsätzlich analogen, d.h. örtlich und zeitlich gebunden Gottesdienst mit digitalen Elementen versehen. Von einer hochwertigen, digitalen Predigt, die von einer Person zur Verfügung gestellt wird, die wiederum viele in ihren Gottesdiensten nutzen – über Lieder und andere „Einspieler“ – das sind dann „analogitale“ Gottesdienste.

4. Und dann gibt es natürlich noch die analogen Gottesdienste, wie wir sie schon immer kennen.

5. Eine Sonderform sind die hybriden Gottesdienste, bei denen eine Gottesdienstgemeinde analog vor Ort feiert und andere digital zugeschaltet sind, meist per Videokonferenzsoftware; sie sind wunderbare Möglichkeiten, z.B. für kranke und alte Menschen, die sonst am Gottesdienstgeschehen nicht teilhaben könnten. Sie haben sich in einigen Kirchengemeinden fest etabliert und werden pandemieunabhängig fester Bestandteil des Gemeindelebens bleiben.

Wir sind der Meinung, dass es sinnvoll ist, bei diesen fünf Formen fluide zu werden – die Nutzer*innen sind es ja auch.

Analogitale Gottesdienste bringen Dinge zusammen, die uns wichtig erscheinen für die zukünftige Entwicklung von Kirche und Verkündigung mit geringer werdenden Ressourcen: Skaliereffekte und analoge Gemeinschaft.

Wir brauchen auch in den Zeiten nach Pandemien und zwischen Pandemien weiterhin rein digitale Angebote. Wir haben in den vergangenen beiden Jahren erfahren, dass auch sie in der Lage sind, christliche Gemeinschaft, Nähe und Beziehung erlebbar zu machen.

Und genauso brauchen wir auch die Möglichkeit, im analogen Gottesdienst mit digitalen Elementen zu arbeiten. Das steigert bei guter Auswahl und Vorbereitung sowohl Qualität als auch Attraktivität, schafft neue Gottesdienst- und Interaktionsformen und gibt ganz neue Möglichkeiten im Bereich der Skalierung, der vielfältigen Nutzungsmöglichkeit einzelner erarbeiteter Gottesdienstteile.

Dies betrifft nicht nur die „Erwachsenen“-Gottesdienste, sondern ist gerade auch eine gute Möglichkeit, Gottesdienste für andere „Zielgruppen“ anzureichern und aufzuwerten, z.B. für Kinder und Jugendliche. Wenn ich als Gestaltender es mir möglicherweise schwer vorstellen kann, im Gottesdienst mit Handpuppen zu spielen und dabei authentisch zu bleiben, so wird es mit digitalen Elementen leichter: Ich kann Handpuppen oder auch liturgische Elemente einbinden, die kindgerecht sind und an die Lebenswelt der Kinder andocken. Meine Aufgabe bleibt weiterhin, gastfreundlich, zugewandt und liturgisch sicher den Gottesdienst zu gestalten. Und beispielsweise bekomme ich die Verkündigung auf digitalem Wege von einem anderen Menschen „geschenkt“, der in diesem Bereich begabt ist.

 

Beispiele aus Gottesdiensten mit Familien, Kindern und Jugendlichen

Im Taufgottesdienst, bei dem (in der Regel) Kinder beteiligt sind, kann ich die Geschichte von der Taufe Jesu in kindgerechter (Bild-)Sprache auf der Leinwand als Kurzfilm präsentieren6 – am besten eingebunden in ein Puppenspiel oder ein ähnliches Anspiel: Die Handpuppe kann sich etwa darüber wundern, warum überhaupt mit Wasser getauft wird – und was Taufe eigentlich genau bedeuten soll. „Weil auch Jesus mit Wasser getauft wurde. Kennst du die Geschichte, wie Jesus getauft wird? Komm, wir schauen uns das mal gemeinsam an!“ Dann startet der Kurzfilm, die Handpuppe schaut mit den Kindern zu. So ist der Übergang zu einem digitalen Erzählelement „organisch“ – ähnlich einem Gleichnis, das in eine Rahmenhandlung eingebettet ist. Die Kinder werden zuerst von der Handpuppe ins Thema hineingenommen – und von dieser „Bühne“ aus eröffnet sich eine zweite „Bühne“, die das digitale Storytelling in Szene setzt. Ob digital oder nicht, spielt dabei keine wesentliche Rolle.

Auch das „Kinderevangelium“, das in der Regel bei jeder Taufe lediglich vorgelesen wird, wird ansprechender und eindrücklicher, wenn es mit Bildern bzw. bewegten Bildern spielerisch und in kindgerechter Sprache erzählt wird. Kinder haben dann eine Chance, die Geschichte zu erleben – und im weiteren Verlauf des Gottesdienstes manches wiederzuerkennen. Ist ihnen bei der Kindersegnung vor Augen gewesen, dass Jesus die Kinder berührt und gesegnet hat, fällt es Kindern leicht, das auch bei der Taufe in dem Augenblick wiederzuentdecken, wenn der Täufling mit Wasser berührt und gesegnet wird. Geeignete digitale Elemente machen die Liturgie für Kinder darum verständlicher.

Ein weiteres Beispiel zeigt, dass digitale Bausteine sich ganz analog anfühlen können: Bei einem Stationen-Gottesdienst7 für Familien liegen an verschiedenen Orten Picknickdecken, auf denen eine Hörspielbox (sog. „Toniebox“), eine Hörspielfigur (sog. „Kreativ-Tonie“), mehrere Steine, Farben und Pinsel liegen. Kinder können die Hörspielboxen intuitiv bedienen: Stellen sie die Figur auf die Box, wird mittels RFID-Chip der Inhalt, der vorher aufgenommen und in der Cloud gespeichert wird, heruntergeladen und abgespielt. Der Inhalt ist an jeder Station ein anderer: Es wird jeweils mit einem Hörspiel eine Geschichte erzählt – und dann dazu eingeladen, einen der Steine zu bemalen – passend zur Geschichte. Danach lädt die Hörspielbox ein, zur nächsten Station zu gehen. Mit der nächsten Hörspielfigur kann nach Belieben ein weiteres Hörspiel oder auch ein Gebet, ein Lied, ein Bewegungsspiel, ein Segen usw. verknüpft sein. Der Stationen-Gottesdienst besteht damit aus digitalen Elementen, die sich ganz analog anfühlen. Wer möchte, kann sich nach dem Gottesdienst die gehörten Inhalte auch per QR-Code herunterladen und auf dem eigenen Smartphone speichern und erneut hören – oder auf einen eigenen Kreativ-Tonie übertragen. Kinder können so die Geschichte zuhause so oft hören und von Neuem erleben bis sie „satt“ sind. Die Möglichkeit zur Wiederholung ist hier ein elementarer Vorteil.

 

 

 

Vorhandene Kompetenzen nutzen

Dass Kinder und Jugendliche ohne große Vorkenntnisse mit ihrem Smartphone bereits professionell anmutende Trickfilme8 (z.B. Legefilm, StopMotion) erstellen können, eröffnet die Chance, dass Jugendliche bzw. Konfirmandinnen und Konfirmanden selbst Geschichten verfilmen, Interviews führen usw.9 Diese können dann im analogen Gottesdienst präsentiert werden – vorher vielleicht sogar schon bei Instagram. Kommentare, Fragen, Reaktionen darauf können wiederum auch im Gottesdienst zu Wort kommen. Wer digitale Elemente für Gottesdienste produziert, bringt damit immer auch seine eigene Perspektive mit ein – und wird auch über die selbst gefundene Bildsprache sprachfähig.

 

Analogitale Haltung

Gerade wenn Kinder als Zielgruppe von digitalen Angeboten benannt werden, ist die Frage der Haltung entscheidend. Eine „analogitale Haltung“ zeichnet sich dadurch aus, dass sie dem „Publikum“ zutraut, selbst aktiv zu werden und weiterzudenken – und darauf vertraut, dass das Zusammenspiel aus Digitalem und Analogem funktioniert. Im Gegensatz dazu sind Kindergottesdienste, die wie eine TV-Serie konsumiert werden, weil sie ohne Unterbrechung und analoge Ansprache „ablaufen“, allenfalls eine Notlösung, aber kein kindgerechtes Format, bei dem Kinder die eigene Spiritualität entdecken. Sie müssen anschlussfähig sein. Es braucht daher Breaks, um sich gegenseitig wahrzunehmen und in Beziehung zueinander zu gehen. Es braucht Pausen zum Theologisieren, damit auch die Kinder zu Wort kommen und gehört werden. Es braucht Menschen, die mit den Kindern gemeinsam den digitalen Gottesdienst erleben und „mitgehen“. Es braucht aufmerksame Begleiter, die sich einladen lassen, selbst wie ein Kind mitzufeiern, mitzumachen und zu genießen.

Gerade auch, wenn ein „Sofagottesdienst“ digital ins Wohnzimmer gestreamt wird, gewinnt dieser durch analoge „Genossenschaft“ erheblich an Nachhaltigkeit und Qualität. In vielen Wohnzimmern erinnert bereits die Kombination von TV-Möbel und Fernseher an einen Altar. Es kann darum sehr hilfreich sein, dem Fernseher die Rolle eines „Gastes“ zuzuweisen und ihn entsprechend in Szene zu setzen, ohne dass er kontinuierlich die Aufmerksamkeit auf sich zieht – mit einem Vorhang zum Beispiel (s. Bild „Fernseher mit Vorhang“). Hier darf gerne – auch gemeinsam mit den Kindern – experimentiert werden.

Ein Qualitätsmerkmal für ein digitales Angebot mit Kindern ist, dass der Gottesdienst weder den Charakter einer TV-Serie hat, bei der nahtlos die nächste Episode startet, noch den eines Films, der am Ende mit dem Abspann einfach nur vorbei ist. Ist der Bildschirm schwarz, der Vorhang wieder geschlossen, geht es mit der anschließenden Kreativphase erst so richtig los: Die Kinder werden kreativ und kommen ins Gespräch über das, was sie gerade erlebt haben; sie lassen sich dazu anregen, die Geschichte weiterzudenken, weiterzuerzählen; sie machen mit bei einer Aktion, zu der sie angeregt wurden. Oder sie werden im Anschluss dazu eingeladen, selbst etwas für den nächsten digitalen/analogitalen Gottesdienst beizutragen. Oder die Gottesdienstgemeinde kommt anschließend gemeinsam ins Staunen, Wundern, Betrachten über das soeben Erlebte – und über das, was in der anschließenden Kreativphase entstanden ist…

 

 

Es braucht diese „Anschlüsse“. Gut, wenn beides in beide Richtungen anschlussfähig ist: das Digitale und das Analoge. Denkt der Content-Creator diese Anschlüsse mit, stellt er oder sie möglicherweise Materialen zum Download bereit oder verschickt vorher Päckchen mit Kreativmaterial, das einen möglichst großen Gestaltungsspielraum bietet (ein pures Ausmalbild ist kein Kreativmaterial).10 Die Kinder sollen die Chance haben, mit dem Material „abzutauchen“ und sich auszudrücken. Sie werden so Teil der Geschichte, die sie erlebt haben – und die Geschichte geht mit ihnen weiter: Oft erkennen wir in den „Produkten“ aus der Kreativphase, was die Kinder besonders bewegt hat, wie sie für sich die Geschichte deuten und wo sie selbst darin vorkommen.

 

Beispiele aus Gottesdiensten mit Erwachsenen

Die so beschriebene analogitale Anschlussfähigkeit gilt genauso für Gottesdienste mit Erwachsenen, bei denen digitale Elemente eingesetzt werden. Digitale Elemente können genau solche Impulse auch für Erwachsene bieten. Je kreativer mit den Grenzen und Anschlüssen zwischen Digital und Analog umgegangen wird, desto nachhaltiger, individueller und effektvoller kann der Gottesdienst werden – und digitale Verkündigung zu einem immensen Mehrwert beitragen.

Der Anspruch an Inhalt und damit auch Form der Verkündigung aus theologischer Perspektive und Tradition und die Bedürfnisse der Menschen, denen wir verkündigen, lassen sich nicht gegeneinander ausspielen, sondern müssen miteinander bedacht werden. Bedürfnis und Auftrag bedingen sich gegenseitig. Vieles, was in den letzten beiden Jahren bis zum heutigen Tag von Gemeinden beim Zusammenspiel von analogen und digitalen Elementen auf den Weg gebracht wurde, hat hohe Qualität und kann sich sehen und hören lassen.

Gottesdienste, die Analoges und Digitales verbinden, können sehr verschieden aussehen. Gemeinsam ist allen Möglichkeiten: Sie erhöhen die Resilienz der Gottesdienste vor Ort. Und darum geht es uns: Die Gemeinden in einer Zeit der Krisenpermanenz zu stärken. Wir wollen Gemeinden ermöglichen, auch dann, wenn die hauptamtlichen Ressourcen geringer werden, vor Ort schöne Gottesdienste zu feiern. Wir halten den umgekehrten Weg, immer mehr Gottesdienste regional zusammenzulegen und immer weniger Gottesdienste zu feiern, für nicht verheißungsvoll. Nachweislich verlieren wir als Kirche dadurch Gottesdienstbesucher. Die Zahl und die Möglichkeiten haupt- und ehrenamtlichen Verkündiger*innen kann und darf nicht der alles limitierende Faktor sein.

In unserer Landeskirche erleben wir gerade, dass Gottesdienste, die schon aufgegeben wurden (2. Weihnachtsfeiertag, Neujahr), zu neuem Leben erweckt werden – gerade dann, wenn der Grundsatz „keep it short and simple“ konsequent eingehalten wird. Dabei wird ein inhaltlicher Impuls per Video einspielt, Gebetsanliegen während des Gottesdienstes werden aufgeschrieben, eingesammelt und von einem Menschen als Gebet vor Gott gebracht; für Liedbegleitung ist gesorgt, wenn ein anderer seine Gitarre mitbringt.

Christenmenschen brauchen die regelmäßige, direkte, leibliche Begegnung mit anderen Christenmenschen, vor Ort erlebbar, in Rufweite, womöglich in ihrem Quartier, in ihrer Kirche, wenn es denn eine gibt. Es klingt paradox: Medien können dazu beitragen, diese persönliche Begegnung zu ermöglichen.

Insbesondere in der dargestellten Form der analogitalen Gottesdienste sehen wir eine Möglichkeit der gemeindlichen Gottesdienstfeier, wenn es keine Pfarrperson, keinen Lektor, keine Prädikantin vor Ort gibt, sie krank oder in Urlaub ist oder die Pfarrstelle vakant ist und vielleicht sogar gar nicht mehr besetzt wird.

 

Erforderliche Ressourcen

Die in etlichen Gemeinden neu zu errichteten technischen Ressourcen sind überschaubar. In der Church of England etwa sind Leinwand/Projektionsfläche und Beamer/Projektionsgerät selbstverständliche Einrichtungsgegenstände selbst in vielen Dorfkirchen. In Deutschland sind wir leider davon weit entfernt. Voraussetzung für digitale Einspieler im Gottesdienst ist natürlich, dass die Projektionstechnik im Raum dauerhaft installiert ist und nicht mehr nötig ist, als ein HDMI-Kabel in einen Laptop zu stecken.

Vor allem aber braucht es Menschen mit Herz, die die Tür öffnen, die Gottesdienstbesucher begrüßen und den Gottesdienst eröffnen. Denn das Thema „Gastfreundlichkeit“ rückt bei analogitalen Gottesdiensten noch stärker in den Fokus des gottesdienstlichen Handelns. Und dann wird live gesungen: mit Musiker*innen vor Ort oder mit digitalen Angeboten und Einspielern. Der Verkündigungsteil wird ggf. mit einer Einführung würdig und recht präsentiert. Der Gottesdienst endet mit Fürbitte, Vater Unser und Segen. Ist die Möglichkeit für Kaffee und Nachgespräch gegeben, ist dies auf alle Fälle ein Pluspunkt. Wenn Menschen nach einem Gottesdienst noch etwas verweilen und ins Gespräch kommen, stärkt das ihre Verbindung mit der Gemeinde und erhöht die Wahrscheinlichkeit ihres Wiederkommens. Hier kann auch ein Austausch über die Predigt Platz haben, entweder mit vorgegebenen Fragen oder Methoden (Stellwände mit einladenden Fragen) oder einfach informell.

Nach unserer Erfahrung reichen drei bis fünf Mitarbeitende, um einen solchen Gottesdienst mit der Gemeinde zu feiern.11

 

Abrufbare Ressourcen für analogitale Gottesdienste

Gemeinden brauchen digitale Angebote, die leicht zugänglich, sinnvoll sortiert und (medien-)rechtlich nutzbar sind. Eine solche Plattform nimmt gerade Gestalt an: https://zentrum5.de ist ursprünglich für die Gesamttagung „Kirche mit Kindern“ im Herbst 2022 entwickelt worden und will als Ideen-Austausch-Plattform für digitale Gottesdienstelemente, Konzepte und Good-Practice dienen. Einige Beispiele, die in Workshops auf der Gesamttagung entstanden sind, sind dort bereits verfügbar. Auch besteht die Möglichkeit, eigene Beiträge, Videos, Konzepte, Bilder etc. hochzuladen. Diese Plattform kann natürlich auch für Gottesdienste mit Erwachsenen genutzt werden. Je mehr Menschen ihre Erfahrungen und digitalen Gottesdienstelemente dort teilen, desto reichhaltiger wird die Auswahl, um Gottesdienste vor Ort mit digitalen Elementen anzureichern.

Um Gemeinden Hilfreiches an die Hand geben zu können, haben wir folgende weitere Ressourcen erarbeitet:12
1. Kurzliturgien, die leicht an die Situation vor Ort zu adaptieren sind
2. Technikbasisinformationen als intergenerationales Projekt, Beratung und Vermittlung
3. Tipps und Tricks für gelingende Gastfreundschaft
4. Interaktive Elemente für den Gottesdienst und die Zeit danach
5. Gesammelte, gesichtete und kategorisierte digitale Angebote zur Nutzung.

Nachdem bereits viele Erfahrungen eingespeist wurden, sind wir gespannt auf weitere Erprobungen in den Gemeinden.

 

Anmerkungen

1 Z.B. Reimann, R./Sievert, H. (2020), Hybride Zukunft auch für Gottesdienste? Ausgewählte Ergebnisse der Befragungsstudie „Rezipienten-Typologie evangelischer Online-Gottesdienstbesucher*innen während und nach der Corona-Krise (ReTeOG)“, in: epd-Dokumentation, Nr. 46/ 2020 und https://medienpool.ekir.de/A/Medienpool/92211?encoding=UTF-8 [abgerufen am 10.01.2023], oder ReTeoG II, Studien zu Online-Gottesdiensten 2021, https://medienpool.ekir.de/A/Medienpool/92419?encoding=UTF-8 [abgerufen am 10.01.2023], oder Churches Online in Times of Corona (CONTOC), (2020), https://contoc.org/de/ergebnisse-co]ntoc-de [abgerufen am 10.01.2023], und Hörsch, D. (2020), Digitale Verkündigungsformate während der Corona-Krise. Eine Ad-Hoc-Studie im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland, https://www.mi-di.de/materialien/digitale-verkuendigungsformate-waehrend-der-corona-krise [abgerufen am 10.01.2023].

2Fendler, F. (2019), Kundenhabitus und Gottesdienst, Zur Logik des protestantischen Kirchgangs, 9.

3 Vgl. z.B. 1. Kor. 9.

4 Famos, C.R. (2005), Kirche zwischen Auftrag und Bedürfnis, Ein Beitrag zur ökonomischen Reflexionsperspektive in der Praktischen Theologie.

5 Vgl. Bardmann, M. (2019), Grundlagen der Betriebswirtschaft, 587ff.

6 Siehe https://kinder-familien-kirche.de/taufe [abgerufen am 4.1.2023].

7 Siehe https://kinder-familien-kirche.de/toniegottesdienst [abgerufen am 4.1.2023].

8Siehe https://zentrum5.de/?p=61 und https://zentrum5.de/?p=43 [jeweils abgerufen am 4.1.2023].

9 Hier einige Beispiele [jeweils abgerufen am 4.1.2023]: https://kinder-familien-kirche.de/stopmotion; https://kinder-familien-kirche.de/making-of; https://kinder-familien-kirche.de/interview-pfingsten.

10 Auch Tipps zum Theologisieren mit Kindern können so zur Verfügung gestellt werden.

11 Die häufig zu hörende Klage, diese Mitarbeitenden gäbe es nicht vor Ort, kann in eine Sehhilfe umgewandelt werden: Diese Mitarbeitende sind bisher nicht im Blick und nicht im Einsatz, weil sie schlicht nicht gebraucht werden. Geistliche Gaben von Mitarbeitenden liegen brach, weil sie nur als Zuarbeitende verstanden werden, die vom Pfarramt delegierte Hilfsleistungen versehen. Analogitale Gottesdienste können dazu beitragen, das Priestertum der Gläubigen zu aktivieren.

12 https://moed-pfalz.de/angebote-und-materialien/materialien/downloads/.

 

Über die Autorin / den Autor:

Pfarrer Dipl.-Theol. Florian Gärtner M.A., MBA, Jahrgang 1975, Studium der Theologie in Heidelberg, Tübingen und Port Elizabeth (Südafrika), Masterstudium "Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen", Fortbildung als systemische Gemeindeberater und für kirchliche Organisationsentwicklung, Pfarrer für Weltmission und Ökumene, Leiter des Miss.-Ökum. Dienstes der Evang. Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche), Geschäftsführer bei Mission Leben Darmstadt.

 

Pfarrer Dipl.-Theol. Stefan Mendling, Jahrgang 1979, Studium der Theologie in Mainz und Greifswald, Medienerfahrung als Rundfunkredakteur und Radiomoderator, Schwerpunkte sind Medienpädagogik und kreative Verkündigungsformate, Pfarrer für Gottesdienste mit Kindern und Familien der Evang. Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche).

 

Pfarrer Gunter Schmitt, Jahrgang 1966, Referent für Gemeindeentwicklung im Missionarisch-Ökumenischen Dienst der Evang. Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche), Berater für lebensweltorientierte und milieusensible Gemeindearbeit (Sinus-Akademie Heidelberg), Systemischer Coach und Ausbilder (EASC), Kontaktpfarrer der Evang. Kirche der Pfalz zum Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung der Universität Greifswald.

Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 5/2023

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