Hinsichtlich der Gestaltung des Pfarrdienstverhältnisses haben die Kirchen rechtlich zwei Möglichkeiten: die öffentlich-rechtliche und die privatrechtliche Beschäftigung. Dabei gilt – jedenfalls bislang – die öffentlich-rechtliche Form als diejenige, die dem Charakter des Pfarrdienstes mehr entspricht. Der Wandel der Anschauungen vom Pfarrberuf einerseits und der Wunsch nach Selbstverwirklichung, nicht nur der Pfarrerinnen und Pfarrer selbst, sondern auch ihrer Partnerinnen und Partner, haben freilich in jüngerer Zeit zu Diskussionen über eine Flexibilisierung des Dienstes und zugleich über die Grenzen der dienstlichen Beanspruchung geführt. Vor diesem Hintergrund erläutert Christian Kirchberg die Rechtslage und diskutiert die damit verbundenen Praxisprobleme. Seinen ausführlichen Vortrag dokumentiert das Deutsche Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt in zwei Teilen.*

 

Die Dienstverhältnisse der evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland werden seit 2011 maßgeblich durch das Pfarrdienstgesetz der EKD1 und ergänzend durch die Ausführungsgesetze der Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse2 bestimmt. Das Pfarrdienstgesetz als solches ist ein Zwitter: Einerseits in den kirchenspezifischen Abschnitten – namentlich hinsichtlich der Ordination und der sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten – auf die öffentliche Wortverkündigung und die Sakramentsverwaltung ausgerichtet, im (wohl gemerkt: großen) Übrigen jedoch eine maßstäbliche oder gar spiegelbildliche Übernahme der Regelungen der Beamtengesetze des Bundes und der Länder – und damit auch ein getreues Abbild der Kirche als „staatsanaloge Institution“, um eine vielzitierte Formulierung des bekannten Kirchenrechtlers Christian Grethlein aufzugreifen3.

Das hat konkret zur Folge, dass etwa die kirchlichen Verwaltungsgerichte in Zweifels- oder Streitfällen immer wieder auf das staatliche Beamtenrecht rekurrieren und untersuchen, ob dieses im Bereich der Kirche analogiefähig ist oder, umgekehrt, warum dies gerade nicht der Fall ist4 – „Analogie und Divergenz“, wie kürzlich der Mainzer Kirchenrechtler Uwe Jacobs die einschlägige Rechtsprechung charakterisiert hat.5 Darüber hinaus werden Grundsätze des Beamtenrechts, wie etwa zum Beurteilungswesen, zur Ermessensausübung, zum Vertrauensschutz und zu den Ableitungen aus der Fürsorgepflicht des Vorgesetzten, mit großer Selbstverständlichkeit aus der Rechtsprechung der staatlichen Gerichte übernommen.6 Einschränkend ist allerdings anzumerken, dass es im PfDG.EKD – mit einer Ausnahme – keine ausdrückliche Generalsverweisung auf das staatliche Beamtenrecht für die Fälle gibt, die im PfDG.EKD nicht geregelt sind.

Die Ausnahme, von der ich soeben sprach, hat es allerdings in sich: Sie betrifft die Regelung in § 54 Abs. 1 PfDG.EKD, wonach zunächst klargestellt wird, dass die allgemeinen Vorschriften über Mutterschutz, Elternzeit, Arbeitsschutz, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen auch im kirchlichen Bereich anzuwenden sind. Darüber hinaus gelten diesbezüglich erklärtermaßen die Regelungen des Beamtenrechts des Bundes entsprechend, soweit diese Regelungen nicht der Wahrnehmung gottesdienstlicher Aufgaben entgegenstehen und soweit nicht die Evangelische Kirche in Deutschland, die Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse je für ihren Bereich andere Regelungen treffen. Für den aktuell besonders virulenten Bereich der Arbeitszeit von Pfarrerinnen und Pfarrern enthält jedenfalls das PfDG.EKD der EKD nicht nur keine solchen „anderen Regelungen“, sondern jedenfalls expressis verbis überhaupt keine Regelung.7 Ob und inwieweit deshalb die einschlägigen Bestimmungen über die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit und über die Höchstarbeitszeit in § 87 Bundesbeamtengesetz i.V.m. der Arbeitszeitverordnung entsprechend gelten müssten, ist eine offene Frage. Ich komme darauf zurück.

 

I. Die konstituierenden Elemente des Pfarrdienstverhältnisses

Zunächst jedoch zu den zwei Eckpfeilern des Pfarrdienstverhältnisses, wie sie in § 2 PfDG.EKD einerseits und in § 108 PfDG.EKD andererseits geregelt sind und nach wie vor dessen konstituierende Elemente darstellen:

Die Grundsatznorm ist in § 2 PfDG.EKD enthalten: Danach ist das Pfarrdienstverhältnis ein kirchengesetzlich geregeltes öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis zu der Evangelischen Kirche in Deutschland, den Gliedkirchen oder gliedkirchlichen Zusammenschlüssen. Diese im Gesetz ausdrücklich als solche bezeichneten „Dienstherren“ besitzen das Recht, Pfarrdienstverhältnisse zu begründen, und zwar im Regelfall auf Lebenszeit, abweichend davon aber auch auf Probe, auf Zeit oder im Ehrenamt. Das sind die charakteristischen Merkmale eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses als lebenslanges, umfassendes Dienst- und Treueverhältnis, einseitig geregelt – in diesem Fall – durch Kirchengesetz. Und das entspricht im Prinzip auch der Umschreibung des Dienst- und Treueverhältnisses von Bundesbeamten in den §§ 3 und 6 Bundesbeamtengesetz und ist gleichzeitig Ausfluss des den Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts nach dem Grundgesetz (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) zustehenden Korporationsrechts der „Dienstherrenfähigkeit“.8 Gemeint damit ist die Befugnis, Beamte zu haben und Dienstverhältnisse öffentlich-rechtlicher Natur zu begründen, welche nicht dem Arbeitsrecht und im Übrigen grundsätzlich auch nicht dem Sozialversicherungsrecht unterliegen, vorausgesetzt, dass an deren Stelle der gleichwertige Mindeststandard an sozialem Schutz und sozialer Fürsorge tritt, wie er dem staatlichen Beamtenrecht immanent ist.9

Allerdings sind die Kirchen nicht etwa verpflichtet, nur öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse für die von ihnen zu verleihenden Ämter zu begründen. Das den Kirchen und den Religionsgesellschaften durch den – über Art. 140 GG nach wie vor unverändert geltenden – Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung zustehende Selbstverwaltungs- und Selbstbestimmungsrecht enthält nicht nur die Befugnis zur eigenständigen Organisation der kirchlichen Ämter, sondern auch ganz allgemein die Befugnis zur Ordnung des kirchlichen Dienstes, und das eben auch durch Begründung privatrechtlicher Arbeitsverhältnisse.10 Das spiegelt für den Bereich der Pfarrdienstverhältnisse die Bestimmung des § 108 PfDG.EKD wider, wonach Pfarrerinnen und Pfarrer „in begründeten Einzelfällen“ auch in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis beschäftigt werden können; für diese Dienstverhältnisse gelten die Vorschriften des Pfarrdienstgesetzes sinngemäß, soweit sie nicht das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses voraussetzen. Die Begründung des Entwurfs des Pfarrdienstgesetzes11 umschreibt den Ausnahmecharakter solcher Dienstverhältnisse wörtlich wie folgt:

Pfarrdienstverhältnisse können auch privatrechtlich ausgestaltet werden. Allerdings entspricht das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis dem Amt der öffentlichen Wortverkündung und Sakramentsverwaltung, das Pfarrerinnen und Pfarrern mit der Ordination anvertraut wird, wesentlich besser. Denn dieses Amt ist – wie das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis – auf Lebenszeit angelegt [...]. Auch [erg.: dem] Gesichtspunkt notwendiger persönlicher Unabhängigkeit trägt ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis besser Rechnung. Daher kommt ein Arbeitsvertrag nur ausnahmsweise als Alternative zum öffentlich-rechtlichen Pfarrdienstverhältnis in Betracht. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme in ein Pfarrdienstverhältnis (z.B. wegen Überschreitens des Aufnahmealters) nicht erfüllt sind […].“

Ergebnis: Nach geltendem Recht, de lege lata, wie wir Juristen sagen, ist der öffentlich-rechtliche Status der Pfarrerinnen und Pfarrer der EKD die Regel, privatrechtliche Anstellungsverhältnisse sind eindeutig die Ausnahme. Ob und inwieweit das noch der Realität entspricht, gerade auch im Hinblick auf den Mangel an Nachwuchs für den Pfarrdienst, ist eine andere Frage. Belastbare, auf die Gesamtheit privatrechtlicher Anstellungsverhältnisse von Pfarrerinnen und Pfarrern bezogene Zahlen sind mir allerdings nicht bekannt.12

 

II. Die Rahmenbedingungen für die Gestaltung des kirchlichen Dienstes

Die Gestaltungsfreiheit der Kirchen und Religionsgesellschaften bei der Ordnung des kirchlichen Dienstes hat allerdings ihre Grenzen. Für den Bereich privatautonomer Beschäftigungsverhältnisse, die die Kirchen der EKD mit anderen Mitarbeitenden eingehen und deren Zahl ein Vielfaches der Zahl der Pfarrdienstverhältnisse ausmacht, findet dementsprechend das staatliche Arbeitsrecht und insbesondere auch das Sozialversicherungsrecht Anwendung. „Das ist die schlichte Folge einer Rechtswahl“, sagt das Bundesverfassungsgericht13 dazu, differenziert sodann aber weiter wie folgt: „Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt indessen deren Zugehörigkeit zu den ‚eigenen Angelegenheiten‘ der Kirche nicht auf.“14 Insofern geht es um die angemessene Berücksichtigung des kirchlichen „Proprium“ auch in solchen Arbeitsverhältnissen, speziell um die den Mitarbeitenden obliegenden Loyalitätspflichten, was in neuerer Zeit sowohl im Bereich der katholischen Kirche als auch im Bereich der evangelischen Kirche zu einigen Aufsehen erregenden Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts sowie schließlich des Gerichtshofs der EU geführt hat (Beispielhaft: Kündigung des Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus wegen Wiederverheiratung nach Scheidung15 einerseits und Ablehnung einer konfessionslosen Bewerberin um ein Amt beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. [„Fall Egenberger“]16 andererseits).

Ob bei den öffentlich-rechtlichen Pfarrdienstverhältnissen wegen der den Kirchen durch die Verfassung eingeräumten Dienstherrenfähigkeit und der Befugnis, den kirchlichen Dienst eigenständig zu ordnen, demgegenüber eine quasi unbegrenzte Gestaltungsfreiheit besteht, kann nicht ohne weiteres bejaht werden. Jedenfalls sollen die Kirchen bei der Ausgestaltung ihres öffentlichen Dienstes nach mehrheitlicher Auffassung im kirchen- bzw. staatskirchenrechtlichen Schrifttum diesbezüglich einem sog. Typenzwang unterliegen, dessen Ausmaß allerdings in einen schonenden Ausgleich mit dem den Kirchen nach Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung zukommenden Selbstbestimmungsrecht zu bringen ist. Das bedeutet zwar nicht die gewissermaßen wörtliche Übernahme der durch Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes verbürgten, ausdrücklich so genannten „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“. Aber die Kirchen sollen zumindest an den „Kernbestand“ derjenigen Grundsätze des Berufsbeamtentums gebunden sein,17 die im staatlichen Bereich die Nichtanwendbarkeit des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts auf die Staatsbeamten rechtfertigen, also, stichwortartig, Lebenszeitprinzip, hauptberufliche Bindungen, Leistungsprinzip, Laufbahnprinzip, Fürsorgepflicht des Dienstherrn, Treuepflicht des Beamten, Alimentationsprinzip und Legalitätsprinzip.

Allerdings hat sich das Bundesverfassungsgericht im „obiter dictum“, also in der nicht entscheidungstragenden Passage eines Kammerbeschlusses aus dem Jahre 2008, bei dem es um die Beschwerde eines rheinischen Pfarrers gegen die mit Besoldungskürzungen einhergehende Versetzung in den Warte- und später in den Ruhestand ging, gegen die Annahme eines solchen „Typenzwangs“ ausgesprochen: Denn das, so wörtlich, „... liefe darauf hinaus, die Religionsgesellschaften auf die Grundmuster staatlich geregelter Beschäftigungsverhältnisse festzulegen. Dies aber steht mit der durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 Weimarer Reichsverfassung gewährleisteten kirchlichen Ämterautonomie nicht in Einklang.“18 Ob diese vergleichsweise lapidare, undifferenzierte sowie nicht entscheidungserhebliche Aussage auch mit der den Kirchen verfassungsrechtlich garantierten Dienstherrenfähigkeit einerseits und den sich daraus ergebenden Bindungen und Verpflichtungen andererseits zu vereinbaren ist, steht dahin.

Ergebnis: Für die Ausgestaltung des Pfarrdienstverhältnisses der EKD gibt es de jure und insbesondere wohl auch „von Verfassung wegen“ jedenfalls keinen starren Typenzwang in Anlehnung an das staatliche Beamtenrecht. De facto erfüllt das Pfarrdienstgesetz der EKD grundsätzlich aber alle Anforderungen, die gemeinhin unter dem Gesichtspunkt des Typenzwangs aus dem Berufsbeamtentum des Staates hergeleitet werden und zugleich den Ausschluss des staatlichen Arbeit- und Sozialrechts auch und gerade für die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis befindlichen Pfarrerinnen und Pfarrer der EKD rechtfertigen.

 

III. Problemstellungen und Perspektiven des Pfarrdienstverhältnisses

Die Begründung öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse für Pfarrerinnen und Pfarrer, wie sie dem Pfarrdienstgesetz der EKD zugrunde liegt, wird im einschlägigen Schrifttum und darüber hinaus grundsätzlich weiterhin als vorzugswürdig eingestuft. Um erneut statt vieler Rainer Mainusch, den leitenden Kirchenjuristen der Hannoverschen Landeskirche, zu zitieren:

„… der öffentlich-rechtliche Charakter von Pfarrdienstverhältnissen [ist] zwar nicht bekenntnismäßig notwendig, aber die Begründung eines lebenslangen Dienst- und Treueverhältnisses entspricht strukturell der auf eine lebenslange Dauer angelegten Bindung durch die Ordination. Öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse sind auch am ehesten geeignet, die für die Ausübung des Verkündigungsdienstes notwendige und nur dem staatlichen Richterdienst vergleichbare Freiheit und Unabhängigkeit von Pfarrpersonen zu sichern.“19

Ungeachtet der Vorzüge, die darüber hinaus in puncto Besoldung, Beihilfe und Versorgung für die Pfarrerinnen und Pfarrer der EKD mit einem unkündbaren öffentlich-rechtlichen Pfarrdienstverhältnis verbunden sind, haben der Wandel der Anschauungen vom Pfarrberuf einerseits und der Wunsch nach Selbstverwirklichung nicht nur der Pfarrerinnen und Pfarrer selbst, sondern auch ihrer Partnerinnen und Partner, in jüngerer Zeit zu Diskussionen über eine Flexibilisierung des Dienstes und zugleich über die Grenzen der dienstlichen Beanspruchung geführt.

Von Regelungen zur Arbeitszeit, die das Pfarrdienstgesetz der EKD bisher erklärtermaßen ausklammert, war bereits die Rede; immerhin soll diese Problematik jetzt zum Gegenstand der Verhandlungen der Dienstrechtskommission der EKD gemacht werden. Das ist auch dringend geboten, vor allem auch zur Klärung der Frage, ob das sog. „beredte Schweigen des Gesetzgebers“ die in § 54 Abs. 1 PfDG.EKD vorgesehene Bezugnahme auf die beamtenrechtlichen Arbeitszeitregelungen ausschließt, sowie im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben.20 Für diejenigen „Hüter der reinen Lehre“ in der Pfarrerschaft und in den Kirchenleitungen, für die der Pfarrer, an seiner Seite die treusorgende Pfarrfrau, „immer im Dienst“ ist, sind Arbeitszeitregelungen demgegenüber ein Gräuel oder, wie man heutzutage sagt, ein „no go“. Es gibt in einigen Landeskirchen aber auch inzwischen Ansätze zu einer Reglementierung21 oder zumindest Beobachtung der Arbeitszeiten von Pfarrerinnen und Pfarrern;22 und ich glaube im Übrigen, um entsprechenden Fragen zuvorzukommen, dass auch auf der Ebene des Pfarrdienstgesetzes der EKD ohne Gesetzesänderung oder -ergänzung Einigkeit über eine Arbeitszeitgestaltung in Anlehnung an das staatliche Beamtenrecht erzielt werden könnte.23

Diskutiert wird, zumindest perspektivisch, auch über den Verzicht auf die Begründung öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse für Pfarrerinnen und Pfarrer und, damit verbunden, über die Umwandlung oder, pro futuro, über die ausschließliche Begründung privatrechtlicher Beschäftigungsverhältnisse. Wie immer, wenn es um Privatisierung geht, werden hierfür, vornehmlich seitens der Kirchenleitungen, Gründe der Kostenersparnis ins Feld geführt oder, um im Bilde zu bleiben, Aspekte finanzieller Art zumindest in den Raum gestellt,24 namentlich im Hinblick auf die Versorgungslasten der Babyboomer-Jahrgänge.25 Über das Ob und Wie der Kostenersparnis im Falle der Privatisierung der Pfarrdienstverhältnisse besteht m.W. allerdings noch keine Klarheit. Jedenfalls die Einsparung von Personal dürfte, anders als sonst, nicht das Ziel einer solchen Privatisierung, könnte aber ihre ungewollte Folge sein: Denn nach meinem vorläufigen Eindruck bestehen in der Pfarrerschaft erhebliche Reserven gegenüber der Umwandlung oder ausschließlichen Begründung der sicheren, öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse in privatrechtliche Beschäftigungsverhältnisse, selbst wenn damit unter Umständen eine größere Freiheit bei der Gestaltung des Dienstes, unterstützt durch die insoweit grundsätzlich geltenden (staatlichen) arbeitsrechtlichen Regelungen anstelle der zuweilen rigiden bzw. defizitären dienstrechtlichen Vorgaben, verbunden sein könnte. M.a.W.: Wenn die insoweit sehr reservierte, um nicht zu sagen: die Privatisierung ihrer Beschäftigungsverhältnisse grundsätzlich ablehnende Sichtweise der Pfarrerschaft auch auf den Pfarrernachwuchs, sprich: die Theologiestudentinnen und -studenten durchschlägt, würde man sich mit der Umwandlung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses in ein privatrechtliches Beschäftigungsverhältnis einen Bärendienst erweisen. Die Einzelheiten einer etwaigen Privatisierung skizziere ich in einem weiteren Abschnitt.

Eines jedoch vorab: Die Umgestaltung des öffentlich-rechtlichen Pfarrdienstverhältnisses in ein privatrechtliches Beschäftigungsverhältnis, zumindest pro futuro, würde nicht zu einem Verlust der den Kirchen verfassungsrechtlich garantierten Dienstherrenfähigkeit führen, die im Übrigen nach wie vor hinsichtlich der Kirchenbeamten gelten würde. Es wäre vielmehr Ausdruck der Gestaltungsfreiheit der Kirchen, wenn sie von der Dienstherrenfähigkeit hinsichtlich der Pfarrerschaft und von der damit verbundenen Möglichkeit, Pfarrdienstverhältnis öffentlich-rechtlich auszugestalten, keinen Gebrauch machen würde. Oder, noch einmal anders formuliert: „Die Dienstherrnfähigkeit ist ein Gestaltungsangebot, zu dessen Nutzung die Kirchen nicht verpflichtet sind.26

(Teil II folgt im nächsten Heft)

 

Anmerkungen

* Um einige Hinweise/Nachweise sowie Erkenntnisse aufgrund der nachfolgenden Diskussion ergänzte Fassung eines Vortrags, den der Verfasser bei der „Fuldaer Runde 2023“ des Verbandes Evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland e.V., die am 20./21 Januar 2023 unter dem Generalthema „Öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis versus privatrechtliche Anstellung“ in Kassel stattfand, gehalten hat.

1 Kirchengesetz zur Regelung der Dienstverhältnisse der Pfarrerinnen und Pfarrer in der Evangelischen Kirche in Deutschland (PfDG.EKD der EKD – PfDG.EKD.) in der Bekanntmachungs-Fassung vom 15.02.2021, ABl. EKD 2021, S. 34); s. Dazu auch die Nichtamtliche Begründung vom 10.11.2010, ABl. EKD 2010 S. 307 = https://www.kirchenrecht-ekd.de/document/14992#.

2 Zu den Voraussetzungen hierfür s. §§ 117, 118 PfDG.EKD.

3 Grethlein, Evangelisches Kirchenrecht. Eine Einführung, 2015, 212.

4 Vgl. beispielhaft VGH.EKD, Beschl. v. 02.07.2013 – 0135/1-2013, https://www.kirchenrecht-ekd.de/list/rechtsprechung/aktenzeichen, Abfrage: 21.01.2023 (zur Frage der erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis nach Wiederherstellung der Dienstfähigkeit entsprechend § 46 Abs. 5 BBG einerseits und nach § 95 Abs. 1 S. 1 PfDG.EKD.EKD andererseits).

5 Jacobs, Analogie und Divergenz – evangelische und staatliche Gerichtsbarkeit im Vergleich, DÖV 2022, 118.

6 In diesem Sinne unlängst das Verfassungs- und Verwaltungsgericht der VELKD, Beschl. v. 17.03.2020 – RVG 4/2019, https://www.hotstegs-recht.de/?p=7804, Abfrage: 21.01.2023 (zur Übernahme der „einhelligen Strukturprinzipien des Beamtenrechts“ sowohl in das kirchliche Beamten- wie auch in das Pfarrerdienstrecht).

7 Vgl. Amtliche Begründung (o. Anm. 1) zu § 52 PfDG.EKD. („Dienstfreier Tag“), wo es wörtlich wie folgt heißt: „Die Bestimmung enthält keine Regelung der Arbeitszeit für den Pfarrdienst“. Das gilt nicht nur für diese Bestimmung, sondern für das Pfarrdienstgesetz der EKD als solches insgesamt.

8 BVerfG, Urt. v. 19.12.2000, BVerfGE 102, 370/388 m.w.Nw.

9 So ausdrücklich Mainusch, Der rechtliche Rahmen einer Kirche im Transformationsprozess, ZevKR 65 (2020), 349/381 m.w.Nw.

10 BVerfG, Beschl. v. 04.06.1985, BVerfGE 70, 138/164 f., sowie Beschl. v. 22.10.2014, BVerfGE 137, 273 Rn. 95f.

11 Amtliche Begründung (o. Anm. 1) zu § 108 PfDG.EKD.EKD.

12 Aus Teilnehmerkreisen der Tagung vom 20./21.01.2021 wurde berichtet, dass hinsichtlich der Zahl privatrechtlich ausgestalteter Pfarrdienstverhältnisse in den Landeskirchen eine leicht ansteigende Tendenz festzustellen sei; in der Evang.-Luth. Kirche in Bayern soll es beispielsweise inzwischen ca. 150 solcher Dienstverhältnisse (von ca. 2300 Pfarrdienstverhältnissen) geben.

13 BVerfG, Beschl. v. 04.06.1985, BVerfGE 70, 138/165.

14 BVerfG a.a.O.

15 BAG, Urt. v. 08.09.2011, BAGE 139, 144; BVerfG, Beschl. v. 22.10.2014, BVerfGE 137, 273; EuGH, Urt. v. 11.09.2018, NJW 2018, 3086; BAG, Urt. v. 20.02.2019, BAGE 166, 1.

16 BAG, Beschl. v. 17.03.2016, BAGE 154, 285; EuGH, Urt. v. 17.04.2018, NJW 2018, 1869; BAG, Urt. v. 25.10.2018, BAGE 164, 117.

17 Mainusch (Anm. 9), 381 m.w.Nw.; wie weit dieser „Kernbestand“ bzw. der dem Arbeits- und Sozialrecht gleichwertige Mindeststandard an sozialem Schutz und sozialer Fürsorge der in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis befindlichen Pfarrerinnen und Pfarrer „abgespeckt“ werden darf, etwa im Bereich der Beihilfe, deren Rahmenbedingungen aktuell sowohl auf der Ebene des Staates als auch auf der Ebene der evangelischen Kirchen in der Diskussion sind, lässt sich in genereller Hinsicht nicht beantworten, sondern muss der Klärung und Würdigung entsprechender Maßnahmen im Einzelfall vorbehalten bleiben.

18 BVerfG, Beschl. v. 09.12.2008, NJW 2009, 1195.

19 Mainusch (Anm. 9), 382.

20 Einschlägig ist insoweit vor allem die Arbeitszeitgestaltung-RL von 2003 (Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl. L 299 S. 9), die in den Art. 3-6 und 8 Vorschriften über Mindestruhezeiten, wöchentliche Höchstarbeitszeit und Nachtarbeit enthält, von denen die Mitgliedstaaten abweichen können, „... wenn die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und/oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann“, allerdings unter gleichzeitiger Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Schutzes der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer; ausdrücklich und beispielhaft werden insoweit Arbeitnehmer aufgeführt, „… die im liturgischen Bereich von Kirchen oder Religionsgemeinschaften beschäftigt sind“, Art. 17 Abs. 1 Buchst. c RL.

21 So etwa die Pfarrerurlaubsverordnung der Evang.-Luth. Kirche in Bayern vom 21.06.2016 (KABl. S. 213), die ausweislich der dazu erlassenen Verwaltungsvorschrift aus „salutogenetischen Gründen“ grundsätzlich von einer 48-Stunden-Woche der Pfarrerinnen und Pfarrer ausgeht.

22 Die Evang. Kirche von Westfalen hat einen Aufgabenplaner ins Internet eingestellt, in den detailliert die einzelnen Tätigkeitsfelder der Pfarrerinnen und Pfarrer und die dazugehörigen Umfänge zwar noch nicht im Sinne einer Arbeitszeitregelung, aber doch zur Beschreibung eines „schützenden Orientierungsrahmens“ eingegeben werden können (www.aufgabenplaner-ekvw.de; Abfrage: 21 102.020).

23 Dem entspricht bereits seit 2012 die Regelung des § 16 PfDG der Evang. Kirche der Pfalz, wonach abweichend von § 54 Abs. 1 S. 2 PfDG.EKD statt der für Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte geltenden Regelungen die staatlichen Bestimmungen für die Beamtinnen und Beamten des Landes Rheinland-Pfalz – und damit auch die dortigen Regelungen über die Höchstarbeitszeit – offenbar ohne Einschränkungen entsprechende Anwendung finden oder dies jedenfalls so ohne Einschränkungen praktiziert wird.

24 S. erneut Mainusch (Anm. 9), 382. Soweit ersichtlich sind, um auf die Frage eines Teilnehmers der Tagung vom 20./21.01.2021 zurückzukommen, auch die „Staatsleistungen an die Kirchen“ oder ihre Ablösung gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 WRV (s. dazu umfassend https://de.wikipedia.org/wiki/Staatsleistungen#H%C3%B6he_der_Abl%C3%B6sesummen; Abfrage: 21.01.2023) weder nach geltender Staatspraxis noch im Rahmen von gesetzlichen Reformvorschlägen davon abhängig, dass sich Pfarrerinnen und Pfarrer der EKD und ihrer Gliedkirchen bzw. ihrer gliedkirchlichen Zusammenschlüsse in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis befinden.

25 S. Mainusch (Anm. 9, 381f).

26 So ausdrücklich Mainusch (Anm. 9), 382.

 

Über die Autorin / den Autor:

Prof. Dr. Christian Kirchberg, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Karlsruhe.

Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 3/2023

Kommentieren Sie diesen Artikel
Pflichtfelder sind mit * markiert.
Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.
Spamschutz: dieses Feld bitte nicht ausfüllen.