In diesem Jahr ist es wieder soweit: Dann treffen sich Pfarrerinnen und Pfarrer aus ganz Deutschland von Montag, 28., bis Mittwoch, 30. September in Leipzig zum Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrertag. Das Thema Ende der Sicherheit rückt die Debatte um die aktuellen Veränderungen in Kirche und Gesellschaft in den Mittelpunkt.

Veränderungen in Politik und Gesellschaft werden oft als bedrohlich empfunden

Der Pfarrerinnen- und Pfarrertag 2020 in Leipzig wird sich mit der Frage beschäftigen, wie tatsächliche und vermeintliche Veränderungen in der Gesellschaft in Deutschland von der Bevölkerung wahrgenommen werden. Hintergrund des Tagungsthemas sind die anhaltenden Auseinandersetzungen um die Europäische Union, Veränderungen im politischen Gefüge einiger Länder in Europa, aber auch in Teilen der deutschen Gesellschaft über Fragen wie die Bekämpfung von Fluchtursachen, die Rettung und Integration Schutzsuchender oder die Veränderung des Klimas und die Bewegung „Fridays for future“, so Andreas Kahnt, Vorsitzender des Verbandes in seiner Vorstellung der Veranstaltung. Zudem haben zuletzt in drei Bundesländern Landtagswahlen stattgefunden, die zu schwierigen Regierungsbildungen geführt hätten, heißt es weiter. Darüber hinaus drifte die deutsche Gesellschaft hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten zusehends auseinander, und Digitalisierung und künstliche Intelligenz würden zwar als zukunftsweisende Technologien gepriesen, aber vielfach als bedrohlich empfunden.

Haben alte Modelle ausgedient? 

Soziale Marktwirtschaft, Demokratie im Sinne der Mütter und Väter des Grundgesetzes, Sicherheit durch die Einbindung in die Europäische Union und die NATO, eine in sich stabile, von einem starken Mittelstand geprägte Gesellschaft scheinen ausgedient zu haben, schreibt der Vorsitzende. Aufgegeben zugunsten einer Flexibilisierung der Arbeitswelt und eines globalen Kapitalismus, der keine Rücksicht auf klimatische Veränderungen nimmt, erschwert durch Konflikte innerhalb europäischer Staaten und mit Russland, gefährdet durch Demokratiemüdigkeit und mangelnde Bereitschaft zu geordnetem Konflikt und ehrlichem Kompromiss. Die Debatten in Parlamenten, im Fernsehen und im Internet zeugten von einer gewissen Verwahrlosung. „Alternativen Fakten“ werde eher geglaubt als gründlich recherchierter Wirklichkeit. Die Kirchen als lange integrierende und Werte prägende Institutionen hätten ihre Bedeutung teils mutwillig verspielt, teils in einer pluralistischen Gesellschaft verloren, so der Vorsitzende.

Die Bevölkerung reagiere unterschiedlich auf diese Veränderungen, teils besonnen, teils hysterisch, teils mit dem Kopf im Sand, teils aber auch gewaltbereit, schreibt Andreas Kahnt. Manche suchten Lösungen in besserer Bildung, andere wollten die Demokratie westlicher Art abschaffen. Dazwischen gebe es viel Verwirrung und Ratlosigkeit. Das Thema der Tagung Ende der Sicherheit bringe die Beobachtungen auf den Punkt. 

Und was hat das mit Pfarrerinnen und Pfarrern zu tun?

„Pfarrerinnen und Pfarrer sehen sich in Predigt, Seelsorge und Unterricht, aber auch in der politischen Diskussion vor Ort in den Gemeinden mit den beschriebenen tatsächlichen und „gefühlten“ Veränderungen konfrontiert. Sie müssen Stellung beziehen und dabei zugleich den Zusammenhalt in der Gesellschaft im Blick behalten,“ so der Vorsitzende.
Der Pfarrerinnen- und Pfarrertag solle deshalb Analyse der Situation und zugleich Ermutigung sein, nicht aufzugeben im täglichen Bemühen um Verständnis, Einsicht, kluge Entscheidung, tatkräftige Hilfe und Zeichen christlicher Zuversicht und Nächstenliebe. 
„Wenn das Ende der Sicherheit gekommen ist, nützen keine Beschwichtigungen. Stattdessen bedarf es eines nüchternen Blicks und einer erhellenden Analyse“, so Kahnt.

Das Programm

Der 76. Deutsche Pfarrerinnen- und Pfarrertag findet vom 28.-30. September 2020 in Leipzig statt. Er beginnt mit einem Gottesdienst am Nachmittag und einem festlichen Abend und wird mit dem Hauptvortrag zum Tagungsthema am Folgetag fortgesetzt. Am Nachmittag dieses zweiten Tages wird in einer Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener politischer, akademischer und kirchlicher Gruppen unter Einbeziehung des Plenums das Thema vertieft werden. Am Abend ist ein kulturelles Programm vorgesehen. Die Tagung endet mit Besichtigungen und Führungen in Leipzig am 30. September gegen Mittag.

Die Stadt

Leipzig als Stadt bietet aus historischer Sicht wie durch ihre aktuelle politische, akademische und wirtschaftliche Lage einen mehr als geeigneten Ort, das Thema Ende der Sicherheit zu bedenken.

Der Verband evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland und der Sächsische Pfarrverein freuen sich darauf, viele Interessierte in Leipzig willkommen heißen zu dürfen! Anmeldung zum Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrertag sind ab April auf dieser Internetseite und über das Formular im Deutschen Pfarrerblatt möglich. 

Christian Fischer