Kiel, 30.09.2002. In seinem Vorstandsbericht vor der Mitgliederversammlung des Verbandes evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland e.V. stellte der Vorsitzende des Verbandes, Pfarrer Klaus Weber, die wachsende Sorge um den theologischen Nachwuchs und die aktuellen Probleme der Pfarrerinnen und Pfarrer in den Vordergrund.

Sorge über Nachwuchs bei Pfarrerinnen und Pfarrern

Mit Sorge betrachtet Weber die stark zurückgehenden Studierendenzahlen im Fach Evangelische Theologie. Bereits seit Jahren weise der Verband die Kirchenleitungen darauf hin, dass dringender Handlungsbedarf bestehe. So seien nach Angaben des EKD-Kirchenamtes in Hannover in den Anwärterlisten der Landeskirchen im Jahr 2001 bundesweit nur noch 339 Neueintragungen registriert worden gegenüber 738 Eintragungen im Jahr 1995. Insgesamt seien in den Anwärterlisten zur Zeit 3.236 Studierende registriert, gegenüber mehr als 11.000 Studierenden in den 80er Jahren. Alarmierend sei zudem eine aktuelle Studie des Enigma-Instituts für Markt- und Sozialforschung in Zusammenarbeit mit dem Studien- und Planungsreferat des EKD- Kirchenamtes. In der Studie wurden Kirchen-verbundene Studierende gefragt, warum sie nicht Theologie studiert hätten. 47 Prozent antworteten: wegen schlechter Berufs- und Zukunftsperspektiven. Weber dazu wörtlich: „Ich frage mich besorgt: Was haben sich die Kirchen in den letzten Jahren für einen schlechten Ruf als Arbeitgeber zugelegt, weil sie viele junge, gut ausgebildete Theologinnen und Theologen nicht übernommen und keine Perspektive für die Zukunft gegeben haben“.
Aufgrund des Nachwuchsmangels müssten sich Pfarrerinnen und Pfarrer auf Vakanzen und zusätzliche Vertretungsdienste einstellen, so Weber. Um junge Menschen zu motivieren, Theologie zu studieren, seien überzeugte Pfarrerinnen und Pfarrer sowie Religionslehrerinnen und –lehrer vor Ort am besten geeignet, sagte Weber: „Je überzeugender wir selbst unseren Dienst wahrnehmen, desto mehr werden junge Menschen motiviert, sich ebenfalls für diesen Dienst ausbilden zu lassen“.

Pfarrerinnen und Pfarrer oft unzufrieden mit den Kirchenleitungen

Weber wies in diesem Zusammenhang auf die Stimmung unter den Pfarrerinnen und Pfarrern hin, die „momentan nicht gut“ sei. Viele seien unzufrieden mit der Kirchenleitung: „Sie fühlen sich zunehmend reglementiert, hören selten Anerkennung und werden oft nur noch als Kostenfaktor gesehen, sagte der Vorsitzende. Viele hätten nicht mehr Kraft und Willen, junge Leute für den Pfarrberuf anzusprechen, „weil sie entmutigt und frustriert sind“. Weber forderte dazu auf, positive Zeichen gegen diese negative Stimmung zu setzen.

Debatte über „Pflicht im Pfarrhaus zu wohnen“

Zu den aktuellen Problemen von Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland gehörten auch die stetig steigenden Belastungen für das Wohnen im Pfarrhaus, so Weber. Durch erhöhte steuerliche Mietwerte, die von den Steuerbehörden festgelegt werden, sowie die Verpflichtung zur Übernahme von Nebenkosten, „die von den Kirchenleitungen mit viel Phantasie entdeckt und beschlossen wurden“, ergäben sich erhebliche finanzielle Verschlechterungen. Weber forderte dazu auf, die Empfehlungen der Dienstrechtlichen Kommission der EKD rasch umzusetzen. „Die Kirchenleitungen sollten versuchen, steuerliche Belastungen des Pfarrhauses durch frühzeitige, intensive, auch Landeskirchen übergreifende Verhandlungen im politischen Raum und mit der Finanzverwaltung abzuwehren“, zitierte Weber.

Personalgespräche: Kultur der Wertschätzung entwickeln

Erfreut zeigte sich Weber über die Tendenz in einigen Landeskirchen, jährliche Mitarbeitergespräche einzuführen. Gezielte Personalentwicklung fördere „eine Kultur der Wertschätzung und der Kommunikation“.  Wichtig sei, so Weber, dass bei den Personalgesprächen nicht der Eindruck entstehe, als wolle die Kirchenleitung eine stärkere Hierarchisierung und ein „Vorgesetzten-Untergebenen-Denken“ durchsetzen. Auch konstruktive Rückmeldung und Kritik von Seiten der Pfarrerinnen und Pfarrer müssten Raum haben. Die in machen Landeskirchen beschlossenen Gesetze zur Amtszeitbegrenzung von Pfarrerinnen und Pfarrern auf Gemeindepfarrstellen seien dagegen als „erneuter Versuche einer Reglementierung“ anzusehen. Sie würden weder den besonderen gemeindlichen Erfordernissen noch der persönlichen Situation von Pfarrerinnen und Pfarrern gerecht und ständen dem Bestreben zur Einführung von Personalgesprächen entgegen.

Evangelische Partnerhilfe für Minderheitenkirchen erfolgreich

Für die Unterstützung von Pfarrerinnen und Pfarrern in den Minderheitenkirchen in Ost-, Mittel- und Südeuropa konnten im Jahr 2001 6,3 Mio DM an Spendengeldern überwiesen werden. Weber betonte, dass die Mittel den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern direkt zugeleitet werden. Insgesamt wurden seit 1992 ca. 69 Mio DM von Pfarrerinnen und Pfarrer, Witwen und Ruheständlern aus Kirche und Diakonie aufgebracht. Das 10-jährige Bestehen der „Aktion Evangelische Partnerhilfe“ werde im November 2002 mit einem Festakt in Berlin gefeiert.

Flutkatastrophe: Weiteres Engagement erforderlich

Angesichts der Flutkatastrophe rief Weber die evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland dazu auf, in der Fürbitte für die Menschen in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten nicht nachzulassen. Er dankte den Helferinnen und Helfern und würdige den Einsatz der Notfallseelsorgerinnen und –seelsorger. „Wir danken allen, die bisher bereit waren zu helfen. Jede Hilfe ist ein Lob Gottes“, sagte Weber. (Christian Fischer, Pressereferat)