Augsburg, 17.9.2018 (cf). In seinem Vorstandsbericht vor der Mitgliederversammlung des Verbandes evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland e.V. am 17.9.2018 in Augsburg stellte der Vorsitzende des Ver¬bandes, Pfarrer Andreas Kahnt (Westerstede), die Diskussionen um das Kreuz und das Kirchenasyl in den Mittelpunkt. Auch zu aktuellen Herausforderungen für die Pfarrerinnen und Pfarrerin in Deutschland nahm er Stellung.
Die Idee, im Eingangsbereich bayerischer Landesbehörden ein Kreuz aufzuhängen, habe unterschiedliche Resonanz hervorgerufen, so Kahnt. Von großer Zustimmung bis zu eindeutiger Ablehnung sei alles dabei, und zwar quer durch die Konfessionen. Ähnlich unter Politikern: Von einigen würde die Angelegenheit als bayerisches Phänomen abgetan, von anderen als Angriff auf den säkularen Staat kritisiert. Pfarrerinnen und Pfarrer müssten sich dazu verhalten, und vermutlich gebe es auch unter ihnen die ganze Bandbreite von Meinungen, sagte der Vorsitzende. Positiv merkte Kahnt an: „Die Debatte hat das Zeug, sich über die Relevanz religiöser Symbole in der Öffentlichkeit klarzuwerden. Oder, grundsätzlicher, über öffentliche Religion.“

Kreuz gehört zur Kirche / Kirche auf der Seite der Verfolgten

„Das Kreuz gehört zur Kirche. An und in Kirchgebäuden und in der Verkündigung, unabhängig von Ort und Zeit“, stellte Kahnt klar. „Und zum Kreuz gehört der Gekreuzigte. Da aber der Gekreuzigte universal ist, kann das Kreuz kein Symbol des sogenannten christlichen Abendlandes, einer bestimmten Kultur oder eines Bundeslandes sein“, so der Vorsitzende. Es trage keinerlei folkloristische, nationale oder gar nationalistische Züge, vielmehr stehe es für die vollständige Hingabe an den Gekreuzigten. Insofern wisse sich die Kirche auf Seiten der Verfolgten. Kirchengemeinden, Pfarrerinnen und Pfarrer stellten sich mutig in die Öffentlichkeit, um gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus Flagge zu zeigen, unterstrich Kahnt vor den Delegierten. Wie notwendig das ist, hätten zuletzt die Ereignisse in Chemnitz gezeigt. „Wer jetzt immer noch meint, Predigerinnen und Prediger hätten in ihrer Verkündigung auf politische Themen zu verzichten, der muss sich fragen lassen, ob er irgendetwas von der Radikalität des Kreuzes verstanden hat“, unterstrich Kahnt.

Kirchenasyl: Jedes Einknicken verbietet sich

Auch um das Kirchenasyl sei der Streit erneut aufgeflammt. „Von den einen als Angriff auf den Rechtsstaat kritisiert, von anderen verteidigt als ultima ratio zum Schutz von Menschen, für die eine nochmalige gründliche Prüfung ihres Asylantrags Rechtssicherheit und Bleiberecht zur Folge haben könnten.“ Auch hier stellten sich Kirchengemeinden, Pfarrerinnen und Pfarrer mutig vor Menschen. Jedoch nicht um den Rechtsstaat auszuhebeln, so Kahnt, sondern um dem Recht Geltung zu verschaffen. „Sie tun das im Zeichen des Kreuzes oder besser: in der Nachfolge des Gekreuzigten“, betonte er vor den Delegierten aus ganz Deutschland. „Jegliches Einknicken beim Kirchenasyl verbietet sich!“, so Kahnt weiter. Traurig sehe er, dass auch Christinnen und Christen das Kirchenasyl angreifen und beseitigen wollten. Denn sie griffen damit ihre eigenen Grundlagen an: Grundlagen des christlichen Glaubens und daraus folgende Einsichten für den Dienst am Menschen, so der Vorsitzende.

Geistliche Relevanz des christlichen Glaubens in Staat und Gesellschaft bedeutsam

Sowohl in der Debatte um das Kreuz, als auch bei der Haltung zum Kirchenasyl gehe es um die „geistliche Relevanz des christlichen Glaubens im Staat und in der Gesellschaft“, so Kahnt. Auftrag der Kirche sei es, die Voraussetzungen für geistliche Relevanz zu schaffen, wozu zu allererst ein geordneter Verkündigungsdienst zähle. Der säkulare Staat wiederum müsse ein enormes Interesse daran haben, die Kirchen als unabhängiges, kritisches Gegenüber zu pflegen, die Kirchen zu hören und sein politisches Handeln geistlich hinterfragen zu lassen. Dabei komme es nicht auf die Größe der Kirchen an, sondern auf die geistliche Relevanz ihrer Verkündigung und ihres Wirkens. Der Kirche wiederum müsste daran gelegen sein, möglichst vielen Menschen den Glauben nahezubringen und ihnen zu helfen, den Glauben zu pflegen und im öffentlichen Leben hörbar und sichtbar werden zu lassen. „Wer um den christlichen Glauben weiß, über ihn Auskunft geben kann und ihn bewusst öffentlich lebt, wird positiv in Staat und Gesellschaft wirken“, betonte Kahnt in Augsburg.

„Hilfe mein Pfarrer ist jetzt 90!“ / Über Vorbereitungen zu Regelungen zur Flexibilisierung des Ruhestandes

Noch sei die Zahl 90 öffentlich bisher nicht gefallen, sagte Kahnt in Augsburg, aber Überlegungen zu längerer Lebensarbeitszeit würden allerorten angestellt. So gebe es im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Vorbereitungen zu Regelungen zur Flexibilisierung des Ruhestandes. Hintergrund sei der heraufziehende Mangel an Pfarrerinnen und Pfarrern durch die Pensionierung der Generation der Babyboomer. Der theologische Nachwuchs werde die freiwerdenden Pfarrstellen nicht füllen können. Die Aufgaben im Pfarrdienst würden so schnell nicht weniger, sie verteilten sich nur auf weniger Schultern, betonte der Vorsitzende.

„Was liegt da näher, als die Versetzung in den Ruhestand nach hinten zu verschieben? Oder bereits pensionierte Pfarrerinnen und Pfarrer zu reaktivieren? Oder Pfarrpersonen im Ehrenamt über die Altersgrenze hinaus zu beschäftigen?“ referierte Kahnt die Maßnahmen, um die es in den Entwürfen zur Flexibilisierung des Ruhestands gehe.

Die Gesetzesinitiative der EKD ziele auf eine Angleichung der Regelungen in den Gliedkirchen und auf Rechtssicherheit für Pfarrerinnen und Pfarrer und für die Verwaltung. Dagegen sei nichts einzuwenden, so Kahnt. Wichtige Fragen seien: „Wie soll der Dienst über die Altersgrenze hinaus besoldet werden? Gibt es reguläres Gehalt oder einen Zuschlag zur Pension? Sind zusätzliche Dienstjahre ruhegehaltsfähig? Wie steht es mit der Dienstwohnungspflicht?
Sind Versetzungen möglich? Können sich an längerer Lebensarbeitszeit interessierte Pfarrpersonen oder solche, die sich aus dem Ruhestand heraus reaktivieren lassen wollen, bewerben? Oder steht das kirchliche Interesse im Vordergrund, sodass nur „ausgesuchte“ Pfarrpersonen für längeren Dienst infrage kommen?“ - Nicht wenige Pfarrpersonen seien spät in den Dienst gegangen oder hätten längere Zeit in Teilzeit gearbeitet, so Kahnt. Diesem Personenkreis könnten flexiblere Ruhestandsregelungen helfen, die Jahre bis zum Erreichen der vollen Versorgung zu nutzen. Ausdrücklich ausgenommen davon müssten jedoch diejenigen Pfarrerinnen und Pfarrer sein, die unfreiwillig in Teildienst waren: „Hier fordert der Verband in Solidarität mit den Betroffenen von allen Kirchen die Umsetzung eines Rechts auf vollständige Anrechnung der fraglichen Jahre für die Versorgung im Ruhestand!“ - so Kahnt vor der Versammlung.
Das Gesetz zur Flexibilisierung des Ruhestandes solle im November 2019 auf der EKD-Synode beschlossen werden. Im Rahmen der Dienstrechtlichen Kommission begleite der Verband den Weg dorthin, berichtete Kahnt, der die Anstrengungen auch positiv würdigte: „Es ist zu begrüßen, dass allgemein gültige Regelungen geschaffen werden.“

Notwendige Maßnahmen für Gesundheitsschutz und altersgerechtes Arbeiten sowie uneingeschränkte Freiwilligkeit bei Ruhestandsflexibilisierung gefordert

Grundsätzlich bleibe festzuhalten, dass bei der Ausgestaltung der Gesetzesinitiative der EKD zur Flexibilisierung des Ruhestandes die uneingeschränkte Freiwilligkeit gewahrt werden müsse. In diesem Zusammenhang erinnerte Kahnt daran, dass die Kirchen sich inmitten der Umsetzung der Regelaltersgrenze von 67 Jahren befänden. Notwendige Maßnahmen für Gesundheitsschutz und altersgerechtes Arbeiten seien weithin nicht sichtbar, obwohl der Verband über seine Gremien und über das Netzwerk „Pfarramt und Gesundheit“ eine breite Diskussion angestoßen habe. Insofern sei damit zu rechnen, dass vermehrt Pfarrpersonen aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in den Ruhestand gehen würden. Nun über die Ermöglichung eines Dienstes bis längstens zum 75. Lebensjahr nachzudenken, scheine voreilig. Geradezu fragwürdig seien solche Überlegungen vor dem Hintergrund einer Debatte über die Absenkung des Versorgungsniveaus, wie sie derzeit vehement in der Bayerischen Kirche geführt werde. Vernünftiger sei es abzuwarten, wie die Bundesregierung das Rentenrecht ausgestalte und das Beamtenrecht entsprechend anpasse. Sonst scheine am Ende die Vision „Hilfe, mein Pfarrer ist jetzt 90!“ tatsächlich gar nicht so unrealistisch. „Obwohl es sich dann vermutlich eher um eine Pfarrerin handelt“, sagte Kahnt in Augsburg.

Zur Attraktivität des Pfarrberufs

Der heraufziehende Pfarrermangel scheine dem Berufsbild der jüngeren Generation entgegenzustehen, so Kahnt in Augsburg. Die jüngere Generation zeichne der Wunsch nach persönlicher Entfaltung und Entwicklung inklusive der Vereinbarkeit, wenn nicht gar Trennung von Beruf und Familie aus. Demgegenüber „werden Pfarrerinnen und Pfarrer (…) bei gleichbleibenden Erwartungen an den Beruf mehr arbeiten. Das allerdings geht gar nicht. Das zeigen die Erfahrungen der Babyboomer, von denen die meisten permanent an der Grenze der Leistungsfähigkeit und auf Kosten von Gesundheit und Familie arbeiten“, sagte der Vorsitzende wörtlich. Das Berufsbild der jüngeren Generation zwinge die Kirchen, Veränderungen zuzulassen und sowohl dienstrechtlich als auch fürsorglich zu begleiten. Der Pfarrberuf brauche Begeisterung und Motivation, und es wäre sträflich, die Bedingungen im Pfarrdienst nicht dahingehend zu entwickeln, dass die Begeisterung bleibt und Pfarrerinnen und Pfarrer auch unter sich verändernden Bedingungen motiviert ihren Dienst tun, so Kahnt. Kirche dürfe sich nicht als Verwaltung mit angehängter Verkündigung verstehen sondern müsse ausschließlich der Verkündigung verpflichtet und mit dem unbedingt Notwendigen an Verwaltung ausgestattet sein.

Der Reformationstag als allgemeiner Feiertag - Anregungen

Ausführlich würdigte Kahnt die Diskussion, ob der Reformationstag allgemeiner Feiertag werden soll. Dass die Frage überhaupt in Länderparlamente gefunden habe, sei dem Reformationsjubiläum 2017 zu verdanken. Die damalige Ausnahme sei nun die Regel in den Bundeländern Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein geworden. Kahnt sprach von einer nicht unumstrittenen Entscheidung. Von Seiten vieler Arbeitgeber sei die Einführung eines weiteren Feiertags grundsätzlich abgelehnt worden. Der Reformationstag als solcher habe die Kritik zum Beispiel der römisch-katholischen Kirche und der jüdischen Gemeinde hervorgerufen. Die Befürworter eines Feiertags am 31. Oktober hätten vor allem die bedeutenden Errungenschaften der Reformation für die Entwicklung des modernen Staates, der Bildung, der deutschen Sprache und der Kultur ins Feld geführt. Kirchlicherseits gesellten sich die Emanzipation von einem bischöflichen Primat und die Rückbesinnung auf die Bibel, auf Christus, auf die Gnade, auf den Glauben hinzu, so der Vorsitzende.

Kahnt plädierte dafür, den Feiertag inhaltlich und rituell zu füllen und zeigte sich optimistisch, dass sich die Repräsentanten der Länder, denen der Reformationstag als allgemeiner Feiertag wichtig ist, an der inhaltlichen Füllung gern beteiligen werden. Er regte gegenseitige Einladungen von Politik und Kirche ebenso an wie gemeinsamen Kirchgang am Reformationstag sowie Feierstunden in Parlamenten. Öffentliche Veranstaltungen, Vorträge, Diskussionen müssten folgen, in denen die politischen, kulturellen und emanzipatorischen Errungenschaften aus der Reformation erinnert und in ihrer Bedeutung für das Gemeinwesen gewürdigt werden könnten, so der Vorsitzende. „Die Sorge um das, was gemeinhin das christliche Abendland genannt wird, hätte hier einen angemessenen Ort. Ziel solcher Veranstaltungen zum Reformationstag müsste sein, die Bevölkerung zunehmend sensibel zu machen für den Wert eines christlich geprägten Gemeinwesens und für die Notwendigkeit, sich dafür einzusetzen und es zu schützen, indem es täglich bewusst gelebt wird“, sagte Kahnt vor den Delegierten.

(Christian Fischer, Pressesprecher)