Kassel, 20.1.2007. Der Vorstand des Verbandes der Vereine evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland hat auf seiner Sitzung am 12. Januar 2007 in Kassel eine Stellungnahme zum Impulspapier des Rates der EKD „Kirche der Freiheit“ verabschiedet.

Leuchtfeuer sollen im EKD-Perspektivpapier den Weg in die Zukunft weisen. An ihnen entzündet sich aber auch Kritik. (Foto: pixelquelle.de, Montage: medio.tv / Küster)

In der Stellungnahme wird ausdrücklich begrüßt, dass "auch der Rat der EKD Impulse für die Entwicklung der Evangelischen Kirche in Deutschland bis zum Jahr 2017/2030 vorlegt und zur Diskussion stellt." Der Verband unterstütze das Anliegen des Rates der EKD, die vorgelegten Thesen in einem breiten Diskurs innerhalb und außerhalb der Kirche zu behandeln und leiste mit seiner Stellungnahme seinen Beitrag, heißt es in dem Papier weiter. Neben einer positiven Würdigung übte der Verbandsvorstand an einzelnen Punkten deutliche Kritik. Wir dokumentieren die Stellungnahme auf pfarrerverband.de im Wortlaut:

Stellungnahme des Vorstandes des Verbandes der Vereine evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland zum Impulspapier des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) „Kirche der Freiheit“

Bei seiner Sitzung am 12. Januar 2007 in Kassel hat der Vorstand des Verbandes der Vereine evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland eine Stellungnahme zum Impulspapier des Rates der EKD „Kirche der Freiheit“ verabschiedet. Die Vorlage hierzu wurde von einer Arbeitsgruppe, bestehend aus Pastor Herbert Dieckmann, Pastor Günter Faßbender, Pfarrer Thomas Jakubowski und dem Verbandsvorsitzenden Pfarrer Klaus Weber, in Abstimmung mit Vertretern der Fuldaer Runde bei deren Klausurtagung am 11. Januar 2007 in Kassel entwickelt.

Nachdem in einzelnen Landeskirchen sowie auch in unserem Verband bereits in der Vergangenheit Perspektiven für die Zukunft der Kirche erarbeitet wurden, begrüßen wir es, dass auch der Rat der EKD Impulse für die Entwicklung der Evangelischen Kirche in Deutschland bis zum Jahr 2017/2030 vorlegt und zur Diskussion stellt. Es wird Mut gemacht zu Veränderungen. Der Verband unterstützt das Anliegen des Rates der EKD, die vorgelegten Thesen in einem breiten Diskurs innerhalb und außerhalb der Kirche zu behandeln und leistet mit dieser Stellungnahme seinen Beitrag.

Schwerpunktmäßig nehmen wir zu folgenden Punkten („Leuchtfeuern“) Stellung:

„Beheimatung durch volkskirchliche Kernangebote“ (zu Leuchtfeuer 1)

Wir begrüßen, dass im Impulspapier die Kernaufgaben (Gottesdienste und Kasualien) in den Mittelpunkt kirchlicher Aufmerksamkeit gerückt werden. Das entspricht dem Mehrheitswillen der Kirchenmitglieder (vgl. die verschiedenen Mitgliedschaftsuntersuchungen der EKD). Deshalb sollte das Qualitätsniveau gelingender pastoraler Arbeit gesichert werden durch qualifizierte Aus- und Fortbildung, überschaubare Pfarramtsbezirke, kollegiale Beratung und wertschätzende Anerkennung und Begleitung durch eine pastoral-kompetente Kirchenleitung (Visitation und Personalgespräche).

„Menschen suchen Heimat“ (zu Leuchtfeuer 2)

Wir begrüßen, dass verschiedene Beteiligungsformen neben der klassischen Ortsgemeinde wahrgenommen werden. Dies darf jedoch nicht auf Kosten der Menschen geschehen, die hier ihre Heimat gefunden haben. Unterschiedliche Beteiligungsformen müssen aufeinander bezogen sein und dürfen nicht in Wettbewerb gegeneinander treten. Wir fürchten eine Milieuverengung bei einer deutlichen Zunahme der Profilgemeinden. Generell sehen wir im Impulspapier ein ungeklärtes Verhältnis zwischen volkskirchlichen Betreuungs- und freikirchlichen Beteiligungsstrukturen. In diesem Zusammenhang kritisieren wir im Rückblick auf Leuchtfeuer 1 die Widersprüchlichkeit, einerseits volkskirchliche Beheimatung durch „kirchliche Kernvollzüge“ anzustreben und andererseits die Orte dieser Kernvollzüge, die Parochialgemeinden, auf 50 Prozent zurückzudrängen.

„Begegnungsorte des Glaubens auf breiter Basis stärken“ (zu Leuchtfeuer 3)

Wir begrüßen die Vision der „evangelischen Zentren“, fragen allerdings, ob in diesem Konzept ausreichend regionale, historisch-gewachsene und konfessionelle Strukturen berücksichtigt sind. Kirche muss in ihrer Breitenwirkung erhalten bleiben und stets auch „Kirche für andere“ sein.

„Qualitätssicherung“ (zu Leuchtfeuer 4)

Wir begrüßen, dass das Impulspapier sich nachdrücklich für die Qualitätssicherung der gesamten kirchlichen Mitarbeiterschaft (einschließlich der Kirchenleitungen!) einsetzt. Wir verweisen auf das im Leuchtfeuer 1 Gesagte, meinen allerdings, dass Qualitätsinhalte und
-standards noch definiert und beschrieben werden müssen. Die Grundqualifikation aller kirchlichen Mitarbeiterschaft muss die Liebe zu den Menschen sein.

„Gemeinsamer Verkündigungsauftrag“ (zu Leuchtfeuer 5)

Wir begrüßen, dass Verkündigung als zentrale Aufgabe von Kirche herausgestellt wird. Haupt-, neben- und ehrenamtliche Zusammenarbeit geschieht, auch im Verkündigungsdienst, im Rahmen einer Dienstgemeinschaft. Das Ehrenamt lässt sich aber nicht aus dem allgemeinen Priestertum aller Glaubenden begründen.

„Schlüsselberuf innerhalb der Dienstgemeinschaft“ (zu Leuchtfeuer 6)

Wir begrüßen, dass der oft in Frage gestellte Schlüsselberuf der Pfarrerinnen und Pfarrer mit seiner klaren Leitungsaufgabe nun für die kirchliche Zukunftsgestaltung vorbehaltlos anerkannt wird. Daraus folgen die Notwendigkeit einer akademischen Ausbildung, die Besoldung nach den Grundsätzen des höheren Dienstes und der Erhalt einer möglichst hohen Pfarrstellenzahl bis 2030.

Dabei ist uns bewusst, dass Pfarrerinnen und Pfarrer nur in der kirchlichen Dienstgemeinschaft mit anderen haupt-, neben- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den kirchlichen Auftrag erfüllen können.
Darum bedauern wir, dass das Impulspapier den kirchlichen Dienst anderer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht eingehender gewürdigt hat.

Sehr verwundert hat uns jedoch, wie negativ das EKD-Papier neben der auch angeführten Wertschätzung Pfarrerinnen und Pfarrer als desorientiert, unterqualifiziert, separatistisch und umstritten beschreibt. Dabei wird das sehr positive Pfarrerinnen- und Pfarrerbild der überwiegenden Mehrheit der Kirchenmitglieder ausgeblendet, für die Pfarrerinnen und Pfarrer wesentliche Garanten kirchlich-religiöser Sozialisation und anerkannte Repräsentanten der Gemeinden sind, wie dies die EKD-Mitgliederuntersuchung von 2002 belegt.

Kritisch fragen wir, warum das Impulspapier immer wieder den Anstieg der Zahl der Pfarrerinnen und Pfarrer in den letzten Jahrzehnten mit dem Rückgang der Kirchenmitgliederzahl in Zusammenhang bringt. Das ist – vorsichtig ausgedrückt - eine einseitige Sichtweise. Der Rückgang hat vielfältige Gründe. Außerdem wird in diesem Zusammenhang weder auf den starken Anstieg der Zahl der weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hingewiesen noch wird dargestellt, dass die Personalkosten für alle Pfarrerinnen und Pfarrer in den Landeskirchen der EKD im Verhältnis zu den Gesamteinnahmen lediglich 15 Prozent ausmachen.
Insgesamt sehen wir mit Sorge, dass die Bemühungen um den qualifizierten Nachwuchs für den Pfarrdienst nicht die notwendige Aufmerksamkeit gefunden haben.