Kassel, 26.8.2019 (Andreas Rohnke). In Folge der Tagung „Pfarramt und Gesundheit“, die 2015 von der Akademie der Versicherer im Raum der Kirchen (VRK) veranstaltet wurde, entstand das Netzwerk „Pfarramt und Gesundheit“. Ziel des Netzwerks ist es, Fragen des Gesundheits- und Arbeitsschutzes für den Pfarrberuf in Kirchenleitungen und Pfarrvertretungen gleichermaßen voranzubringen.

Im Netzwerk „Pfarramt und Gesundheit“ sind Vertreter der Akademie der VRK, des Deutschen Pfarrerverbands, der Evangelischen Fachstelle für Arbeits- und Gesundheitsschutz (EFAS) sowie einzelnen landeskirchliche Einrichtungen vertreten.
Einmal pro Jahr lädt das Netzwerk Vertreterinnen und Vertreter der Personaldezernate in den Gliedkirchen der EKD zu einem Studientag mit einem thematischen Schwerpunkt ein. Nachdem in den Vorjahren zunächst die Forschungslage zu Arbeitszufriedenheit und Gesundheit im Pfarrdienst sowie die theologische Einordnung des Themas Gesundheit und Pfarramt im Mittelpunkt standen, lag der Fokus des diesjährigen Forums auf Fragen des Dienstrechts und der Geltung und Übertragbarkeit der staatlichen Gesetze zum Arbeits- und Gesundheitsschutz auf den Bereich der Kirchen insbesondere des Pfarramtes. 

Arbeits-, Gesundheits-, Mutterschutz, Inklusion u.a. - Bindung der Kirche an staatliche Schutzvorschriften

Die Kirchen genießen ausgehend vom Artikel 140 Grundgesetz (137 WRV) einen Sonderstatus in vielen Fragen. Dort wird festgelegt, dass die Religionsgemeinschaften ihre Angelegenheiten „selbständig in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ regeln. In ihrem Impulsvortrag setzte sich Tanja Niessen, Kirchenrechtsdirektorin im Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern mit der Frage auseinander, welche dieser gesetzlichen „Schranken“ die Ämterautonomie der Kirchen in Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes begrenzen.

In relativ wenigen staatlichen Gesetzen werden Ausnahmeregelungen für die Kirchen ausdrücklich formuliert. So gilt das Arbeitszeitgesetz ausdrücklich nicht für den Pfarrberuf – immerhin wird die Sonntagsarbeit durch die Regelungen zum dienstfreien Tag (§ 52 PfDG.EKD) ausgeglichen. Auch im Bundes-Teilhabe-Gesetz (SGB IX) wird ein Ausnahmetatbestand definiert, wenn es im § 156 heißt „Als Arbeitsplätze gelten nicht die Stellen auf denen beschäftigt werden: (…) Geistliche öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften.“ Dieser Paragraph bezieht sich jedoch ausschließlich auf die Beschäftigungspflicht von Mitarbeitenden mit einer Behinderung. Für alle anderen Fragen, die im SGB IX geregelt werden hat sich die Evangelische Kirche im Pfarrdienstgesetz der EKD selbst an die „allgemeinen Vorschriften über Mutterschutz, Elternzeit, Arbeitsschutz, Rehabilitation und teilhabe behinderter Menschen“ (§ 54, Abs. 1 PfDG.EKD) gebunden. Als Rechtsnorm gelten die Bestimmungen für die Beamtinnen und Beamten des Bundes, „soweit sie nicht der Wahrnehmung gottesdienstlicher Aufgaben entgegenstehen“ und soweit die EKD oder die Gliedkirchen keine eigenen Regelungen treffen (§ 54, Abs. 2 PfDG.EKD). Mit dieser rechtlichen Klarstellung leitete Frau Niessen zu Überlegungen über, welche Besonderheiten des Dienstes ein Abweichen von den für alle gültigen Rechtnormen rechtfertigen könnten und welche staatlichen Regelungen der Wahrnehmung gottesdienstlicher Aufgaben entgegenstehen. Wenn sich Abweichungen vom staatlichen Recht mit diesem Argument nicht begründen lassen, sind sie nicht zulässig. Folglich sind die staatlichen Bestimmungen auch für den Pfarrdienst anzuwenden.

Für die Praxis des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie der Inklusion von Menschen mit Behinderung ergeben sich bspw. folgende Konsequenzen:

  • entsprechend § 164, Abs. 4 SGB IX unterliegt die Kirche auch bei Pfarrerinnen und Pfarrern den gleichen Pflichten wie jeder andere Arbeitgeber, wenn es um die Ausstattung des Arbeitsplatzes geht;
  • unproblematisch ist die Gewährung von Zusatzurlaub aufgrund von § 207 SGB IX;
  • aber auch die Einführung einer Schwerbehindertenvertretung zählt zu den Pflichten des kirchlichen Dienstgebers (§ 177 ff SGB IX);
  • auch weitere Bestimmungen zur Inklusion müssen dementsprechend für den Pfarrdienst Anwendung finden;
  • in Bezug auf den Arbeitsschutz sind auch für den Pfarrdienst bspw. Gefährdungsbeurteilungen gem. § 5 Arbeitsschutzgesetz zu erstellen und Bildschirmarbeitsplätze sind entsprechend den Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung auch für Pfarrerinnen und Pfarrer so zu gestalten und auszustatten, dass sie ergonomischen Standards entsprechen;
  • darüber hinaus gelten weitere Bestimmungen und Verordnungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz ohne Einschränkung für den Pfarrdienst.

Prävention, Umgang mit Krankheit und Behinderung in der Ev. Kirche der Pfalz

In bereits bewährter Praxis der ersten beiden Foren schloss sich als weiterer Impuls ein Bericht über ein Praxisbeispiel an. Thomas Jakubowski, Vorsitzender der Pfarrvertretung und landeskirchlicher Behinderten-Beauftragter berichtete über die Einführung von Gesundheitsförderung, Gesundheitsmanagement (BGM), Betrieblichem Eingliederungsmanagement (BEM) und Behinderung im Pfarrdienst der Evangelischen Kirche der Pfalz.

Schon früh gab es laut Jakubowski in der Pfälzischen Kirche Bemühungen, auch für den Pfarrdienst Maßnahmen der Gesundheitsförderung umzusetzen. Ein Arbeitskreis Gesundheitsförderung, in den neben der Pfarrvertretung auch Mitglieder des Arbeitsschutzausschusses und der Landessynode und verschiedener kirchlicher Einrichtungen eingebunden waren, erarbeitete Vorschläge für verschiedene landeskirchliche Regelungen. So wurde eine Dienstvereinbarung „Umgang mit Suchgefährdung“ bereits 2002 entwickelt und abgeschlossen bzw. den kirchlichen Dienstgebern zur Umsetzung empfohlen. Gesundheitstage und Gesundheitsmessen sorgten für die Schaffung eines Bewusstseins für die Notwendigkeit von Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement auch in der Kirche.

Im Rahmen von Gesundheitszirkeln für Pfarrerinnen und Pfarrer sowie landeskirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden der Bedarf für weitere Maßnahmen erhoben und diese projektiert und umgesetzt. In allen Schritten der Umsetzung waren nicht allein die Geistlichen im Blick, sondern immer alle kirchlichen Beschäftigten.

Die Fuldaer Runde der Pfarrvereine und Pfarrvertretungen hatte aus Anlass des neuen Pfarrdienstgesetzes der EKD, das explizit auch Fragen der Prävention und des Gesundheitsschutzes aufgriff (Selbstbindung der Kirchen an die Bestimmungen des SGB IX im § 54 PfDG.EKD), das Thema Gesundheitsmanagement für die Pfarrberuf aufgegriffen und beschlossen, die Einführung entsprechender Maßnahmen in den Gliedkirchen durch die Pfarrvereine und Pfarrvertretungen zu fordern. Ausgehend von diesem Beschluss der Fuldaer Runde beantragt die Pfarrvertretung in der Evangelischen Kirche der Pfalz die Einführung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Hierzu wurde seitens der Kirchenleitung eine Steuerungsgruppe eingerichtet, in der auch die Pfarrvertretung beteiligt war.

Diese Steuerungsgruppe erarbeitete das BEM-Verfahren für den Pfarrdienst und alle Beschäftigten. Mit der Durchführung wurde der Betriebsärztliche Dienst BAD beauftragt. Das Verfahren wurde inzwischen in einer Rechtsverordnung festgelegt und gilt seit 2017 verbindlich für die gesamte Landeskirche. Angewendet wurde das BEM-Verfahren für alle Pfarrerinnen und Pfarrer sowie die landeskirchlich Beschäftigten. In Informationsveranstaltungen beriet die Steuerungsgruppe weitere kirchliche Einrichtungen und Kirchengemeinden, die sich dem Verfahren anschließen können. Die Kosten für das BEM-Verfahren werden von der Landeskirche getragen.

Inzwischen hat die Landessynode aus Anlass der stufenweisen Anhebung des Renten- und Pensionsalters auf 67 Jahre die Einrichtung eines BGM beschlossen. Seit Jahresbeginn arbeitet eine Referentin für Gesundheitsmanagement in der Landeskirche.
Im Rahmen der Prävention wurden Kooperationsregionen geschaffen; es gibt Standardassistenzen für den Bereich Verwaltung und Zuschüsse für Präventionsmaßnahmen (Fitnesskurse). Außerdem ist es möglich Urlaubstage anzusparen, so dass sie nicht verfallen, wenn sie bei Vakanzvertretungen nicht genommen werden können.

Auch für Pfarrerinnen, Pfarrer und Mitarbeitende mit Behinderung wurden entsprechende Regelungen zur Anwendung des SGB IX geschaffen.

Praxis-Workshops

Im Rahmen von vier Praxis-Workshops konnten die Teilnehmenden des Studientages abschließend konkrete Maßnahmen der Gesundheitsförderung und der Anwendung der staatlichen Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz diskutieren. Hierzu waren von der Vorbereitungsgruppe Fallbeispiele entwickelt worden, die praxisnah bestimmte Problemstellungen in den Mittelpunkt stellten.

Für das 4. Forum Pfarramt und Gesundheit, das am 16. Juni 2020 in Kassel stattfinden wird, legten die Anwesenden das Thema „Gesundbleiben im Veränderungsprozessen“ fest, um die unterschiedlichen landeskirchlichen Reformen im Blick auf Gesundheitsfragen zu reflektieren.