Seit nunmehr zwanzig Monaten beschäftige der Krieg in der Ukraine und die Frage nach Wegen zum Frieden die Pfarrerinnen und Pfarrer „zwischen Flüchtlingshilfe, Friedensethik und Ratlosigkeit“. Im Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt würden die verschiedenen Haltungen diskutiert, am Ende ständen sie aber unvereinbar nebeneinander. Einigkeit herrsche in der Beurteilung, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt. „Darüber aber, wie christlich-theologisch begründet darauf reagiert werden kann, gehen die Meinungen auseinander“, so der Vorsitzende in Hofgeismar. Für die „Kinder“ der Friedensbewegung bedeutet die Haltung zu Krieg und Frieden eine enorme emotionale und geistliche Herausforderung. Die Beheimatung im Pazifismus sei infrage gestellt.
Kahnt forderte dazu auf, „beständig aufzubrechen und den Frieden zu leben, der mit Jesus Christus in die Welt gekommen ist“. Für Pfarrerinnen und Pfarrer bedeute dies, das eigene Selbstverständnis an der Kommunikation des Evangeliums zu schärfen und weiterzuentwickeln; „mutig und mit guten theologischen und friedensethischen Überlegungen“.
Forderung: Pfarrerinnen und Pfarrern dieselben Vertretungsrechte einräumen wie allen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Kirche
Kahnt beschrieb in seinem Bericht vor der Mitgliederversammlung die Zumutungen, die den Pfarrberuf in den letzten gut dreißig Jahren verändert hätten: „Wir haben den Wandel von den Babyboomern zum Personalmangel, vom „dagobertinischen Zeitalter der Kirche“ zu unaufhörlichen Sparrunden, vom Aufbruch in friedensbewegten Zeiten bis zum Krieg in der Ukraine erlebt“, so Kahnt. Bei allen Veränderungen habe der Verband gemäß seinem Antritt vor inzwischen 131 Jahren für Pflichten und Rechte von Pfarrern und später auch von Pfarrerinnen gekämpft. Immer noch sei die Beharrlichkeit enorm, mit der manche Kirchen und auch die EKD in berufliche Rechte eingreife und dadurch nicht selten Pfarrerinnen und Pfarrer an der Ausübung ihrer Pflichten hindere oder sie doch zumindest einschränke. „Weil die Kirchen sich nachhaltig weigern, ihren Pfarrerinnen und Pfarrern im Rahmen ihrer vom Staat zugestandenen eigenen Gesetzgebungsbefugnis dieselben Vertretungsrechte einzuräumen wie allen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wird der Verband auch in Zukunft daran erinnern müssen, dass Pfarrerinnen und Pfarrer weder Verschiebemasse noch Sparschwein sind, unterstrich Kahnt. „Wenn es denn Aufgabe unseres Berufsstandes ist, das Evangelium von Jesus Christus unter die Leute zu bringen und damit die vornehmste Aufgabe der Kirche mit zu verantworten, dann muss alles darangesetzt werden, den Pfarrberuf zu stärken und zu sichern“.
Regelungen zur Arbeitszeit als Teil des Arbeits- und Gesundheitsschutzes
Bezüglich der Frage des Arbeits- und Gesundheitsschutzes unterstrich Kahnt, die für Personal und Dienstrecht Verantwortlichen in den Kirchen hätten die Pflicht, Arbeits- und Gesundheitsschutz für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, also auch für Pfarrerinnen und Pfarrer zu gewährleisten. Dazu gehörten Gefährdungsbeurteilungen, die in besonderer Weise psychische Gefährdungen einbeziehen, ebenso Fragen zur Arbeitszeit. Ein Votum des Verbandes würde derzeit in der Dienstrechtlichen Kommission der EKD diskutiert. Ziel sei der Eintrag einer Empfehlung ins Pfarrdienstgesetz, mit der die Gliedkirchen aufgefordert werden, Regelungen zur Arbeitszeit, die Beruf und Familie, Dienst und Erholung in ein gutes Verhältnis setzen, zu treffen. „Ob darin bestimmte Stundenzahlen stehen, zumal solche, die sich an den Regeln für Beamtinnen und Beamten orientieren, ist noch nicht ausgemacht. Die Debatte läuft noch“, so Kahnt.
Kahnt würdigte in diesem Zusammenhang, dass sich in vielen Gliedkirchen der EKD die Haltung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz geändert habe. Endlich werde er als für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anerkannt. In der Folge hätten einige Kirchen Dienstvereinbarungen oder Dienstordnungen erlassen, einige sogar in Zusammenarbeit mit den Pfarrvertretungen. „Aber noch immer geht die Bandbreite von 42 bis zu 48 Wochenstunden oder ungeregelt auch darüber hinaus“, sagte Kahnt. Und das, obwohl die Synode der Kirche im Rheinland im Januar 2023 40 Stunden auch für Pfarrerinnen und Pfarrer beschlossen habe.
Kahnt betonte, dass damit keine sklavisch festgelegte Zahl benannt sei. Vielmehr gehe um eine Vertrauensarbeitszeit, die im Jahresschnitt jedoch nicht dauerhaft überschritten werden soll. „Eine so verstandene Arbeitszeit entspricht am ehesten der Freiheit, die der Pfarrberuf braucht, sie lässt die Möglichkeit, nach Situation und Neigung auch mehr zu tun, und sie gibt einen Rahmen, der vor Selbst- und Fremdausbeutung schützt“, unterstrich der Vorsitzende in Hofgeismar. Gerade im Hinblick auf die beruflichen Bedingungen des theologischen Nachwuchses hat der Arbeits- und Gesundheitsschutz eine wichtige Bedeutung, „denn die jüngeren und jungen Leute haben weite Teile ihres Berufslebens noch vor sich und werden voraussichtlich länger als bis zum Alter von 67 Jahren Dienst tun“, unterstrich Kahnt.
Befürchtung: Mit „multiprofessionellen Teams“ nimmt Wert der Theologie in den Kirchen ab
Kritisch setzte sich Kahnt mit dem Konzept von „multiprofessionellen Teams“ in der Kirche auseinander. „Sie werden zwar gern als moderne Form partnerschaftlichen Dienstes verstanden, aber ohne den heraufziehenden Mangel an Pfarrerinnen und Pfarrern würden multiprofessionelle Teams nicht als wesentlicher Teil der Lösung ausbleibenden Nachwuchses im Pfarrdienst etabliert“, so Kahnt, der befürchtet, dass der Wert der Theologie in den Kirchen abnimmt. Die Idee sei zwar, in jedem Team einen Pfarrer oder eine Pfarrerin zu haben. Aber zum einen werde sich das nicht umsetzen lassen, und zum andern drängten gerade Angehörige anderer Berufsgruppen in den Teams gern in den Pfarrdienst, und zwar ohne theologische Ausbildung, so als könnte Pfarrdienst eigentlich jeder und jede, betonte der Vorsitzende. Selbst da, wo eine Pfarrerin oder ein Pfarrer Teil eines Teams seien, könnte die Theologie unter die Räder kommen, betonte Kahnt, denn „bei Abstimmungen kann die Pfarrerin oder der Pfarrer überstimmt werden, auch wenn theologische Gesichtspunkte das verbieten“.
Der Verband werde die mit solchen Teams einhergehenden Probleme anlässlich der Fuldaer Runde im Januar 2024 gründlich untersuchen. Dabei sollen auch die Chancen benannt werden, die durch ein gutes Zusammenwirken der verschiedenen Berufe in der Kirche bestehen oder neu entstehen können, so Kahnt. Lösen werden sie den Mangel an Pfarrerinnen und Pfarrern nicht, prognostizierte er.
Evangelische Partnerhilfe
Ausführlich würdigte Kahnt die Arbeit der Evangelischen Partnerhilfe, deren Gründungsmitglied der Verband ist und die in den Kirchen Mittel- und Osteuropas Pfarrerinnen und Pfarrer, andere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und deren Familien direkt unterstützt. Das sei auch über dreißig Jahre nach den politischen Veränderungen in Mittel- und Osteuropa dringend nötig, denn die finanziellen und personellen Probleme in den Kirchen verschlechterten sich. Das gelte insbesondere für Ruheständler, für die nie eine auskömmliche Altersversorgung aufgebaut wurde. Bei gleichzeitig steigenden Kosten im Gesundheitswesen könne das ganz schnell zur Verarmung führen, so Kahnt. Die Evangelische Partnerhilfe konzentriere sich deshalb in einigen Ländern inzwischen auf die Unterstützung der Alten und Kranken.
Zusätzlich herausgefordert seien die Gemeinden durch Flüchtlinge aus der Ukraine. Sie würden in Pfarrhäusern oder Gemeindehäusern untergebracht. Das wenige, was da sei, werde geteilt. Kahnt berichtete, dass die Partnerhilfe im Jahr 2022 ein Programm speziell für die Aufnahme von Flüchtlingen aus und für Gemeinden in der Ukraine aufgelegt habe. Über die rund 1,5 Millionen Spenden hinaus, die 2022 verteilt werden konnten, kamen mit dem Programm noch einmal rund 150.000 Euro hinzu. Das war ein sehr erfreuliches Ergebnis in einer Zeit, in der das Spendenaufkommen der Partnerhilfe zurückgeht, sagte Kahnt.
Angesichts des allgemeinen Spendenrückgangs sei zu fragen, ob das Spendenaufkommen und der Verteilungsaufwand in einem guten Verhältnis stehen. Dabei werde auch zu bedenken sein, dass die Kenntnis und das persönliche Interesse jüngerer Pfarrerinnen und Pfarrer an den Kirchen in Mittel- und Osteuropa zurückgehe. Die Zahl der potenziellen Spenderinnen und Spender wird ebenfalls sinken, so Kahnt. Vor diesem Hintergrund sei in den nächsten Jahren zu klären, ob die Partnerhilfe selbständig bleibe, sich einem anderen Werk anschließe oder ihre Arbeit aufgeben müsse, so Kahnt, der sich persönlich wünschte, dass der neue Vorstand die Partnerhilfe als wesentliches Kennzeichen seiner Arbeit versteht.
Dank an Mitarbeitende und Mitgliederversammlung
Am Ende seines letzten Vorstandsberichts vor der Mitgliederversammlung dankte Kahnt allen Mitarbeitenden in Vorstand und Geschäftsstelle. „Sie alle haben mich in den Jahren im Verbandsvorsitz in besonderer Weise unterstützt und nicht selten getragen. Das war mir eine besondere Freude, für die ich sehr dankbar bin“, sagte Kahnt.
(Christian Fischer, Pressesprecher)