Die digitalen Medien verändern nicht nur das Zusammenleben der Menschen, sondern auch deren Persönlichkeitsstruktur. Noch nie waren die Kommunikationsmöglichkeiten so vielseitig, so zeit- und kostensparend – und noch nie war die Überforderung des einzelnen so groß. Digitale Medien reformieren und deformieren gleichermaßen die Schnittstelle zwischen Mensch und Mensch wie zwischen Mensch und Artefakten. Das birgt Risiken für ­eine Gesellschaft wie für die individuelle Lebensgestaltung, wie Siegfried Krückeberg in seinem kritischen Essay zeigt.


1. Digitalisierung und Theologie

Das Internet und die sozialen Netzwerke sind zu einem »institutionalisierten Glaubenssystem« geworden, »weil sie das Leben entgegenständlichen, das heißt Zwischenmenschlichkeit in ein gespenstisches Treiben verwandeln, einen virtuellen ‚Asozialraum‘ schaffen, in dem weitgehend verfremdete Bilder und zusammengelogene Biografien zirkulieren.«1 Mit dieser eher pessimistischen Sicht steht der Jugendforscher Bernd Heinzlmaier für viele Kritiker, die die Digitalisierung unserer Gesellschaft und ihre Folgen mit großer Sorge betrachten. Ganz anders sehen das natürlich diejenigen, die die digitale Welt dominieren und weitgehend kontrollieren. Aber auch ihre Worte und ihr Handeln zeigen, dass sie durchaus mit einem moralischen, wenn nicht sogar religiösen Anspruch auftreten. »Don’t be evil – sei nicht böse!« heißt die Anweisung von ­Google-Chef Eric Schmidt für seine Mitarbeiter. Und Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg gibt die Devise aus: »Make the world better – mache die Welt besser.«

Die Voraussetzungen dazu scheinen jetzt gegeben zu sein: Wir können unendlich große Datenmengen erheben, speichern und auswerten, und wir sind in einer nie da gewesenen Weise miteinander vernetzt, können zu jeder Zeit über große Distanzen hinweg und Sprachgrenzen überwindend kommunizieren. Damit scheinen wir uns von den naturgegebenen Grenzen der Zeit und des Raums befreien zu können.2 Damit könnten Hierarchien abgeschafft werden, die Menschen könnten sich basisdemokratisch organisieren, die Staaten überflüssig werden. Wenn jetzt jeder von uns selbstlos handeln würde, ohne Profitgier, in der Vision eines neuen Menschen, dann können wir das Paradies auf Erden schaffen.3 Oder zumindest wie die christliche Urgemeinde leben, »als ein friedensstiftendes länder- und völkerübergreifendes Friedensnetzwerk«, so der Vergleich von Johanna Haberer, der Leiterin der Abteilung für Christliche Publizistik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.4 Wenn es dann noch gelingt, unsere Gehirne und unser Bewusstsein in Daten zu überführen, dann könnten wir sogar – im Netz – ewig leben. »Sein wie Gott« heißt das »Heilsversprechen«5 oder die Versuchung.

Doch Computertechnologie und Internet haben bisher noch keines der großen Probleme der Menschheit gelöst wie Krieg, Armut, Ungerechtigkeit oder Umweltverschmutzung.6 Im Gegenteil. Laut Peter Schaar, dem ehemaligen Beauftragten der Bundesregierung für den Datenschutz, sind die Einkommensunterschiede sogar größer geworden. Sechs der reichsten 20 Menschen haben ihr Geld mit Internetdiensten gemacht.7 Trotzdem glauben viele Menschen den »Propheten« der digitalen Gesellschaft, wie John Perry Barlow, ein Verfechter des freien Internets, sie nennt.8 Auch Regierungen begegnen diesen Männern mit großem Respekt. Mark Zuckerberg wird bei seinem Besuch in Berlin wie ein Staatsgast empfangen und Familienministerin Manuela Schwesig übernimmt die Schirmherrschaft über einen Google-Förderwettbewerb für gemeinnütziges Engagement, bei dem zum Beispiel eine Smartphone-App Ersthelfer schneller zu einem Notfall bringen soll.


2. Erfolge und Visionen

Die Erfolge der Digitalisierung sind ja auch beeindruckend: ein teilweise Gelähmter kann mit Hilfe der sog. künstlichen Intelligenz seinen Arm bewegen, ein Computer spielt mit künstlicher Intuition ein chinesisches Brettspiel und gewinnt gegen den Weltmeister, oder da gibt es eine neue Barbie-Puppe, die sich mit ihren Besitzern tatsächlich unterhalten kann. Zuerst fragt sie etwas, also »Was ist deine Lieblingsfarbe?« oder »Was isst du gerne?« Und später kann die Puppe auf ihre Gesprächspartner und deren Interessen eingehen. Und das funktioniert so: Wenn man auf den Gürtel drückt, nimmt »Hello Barbie« mit einem Mikrophon in der Kette alles auf, was wir ihr erzählen. Diese Aufnahme schickte sie per WLAN über das Internet an einen Server. Dort werden Gespräche und Geräusche gespeichert und ausgewertet, u.a. mit einem Spracherkennungsprogramm wie SIRI. Und schließlich kommen die passenden Sätze und Antworten zur Puppe zurück, und sie kann sich mit uns weiter unterhalten. Sie lernt, sie kann interaktive Spiele spielen, und sie kann Geschichten und Witze erzählen. – Das Problem ist nur: Alles, was »Hello Barbie« aufzeichnet, bleibt jahrelang gespeichert, und die Daten können weitergeleitet werden. Und das könnte unangenehm sein. Zum einen für das Kind, denn die Daten sind für die Eltern abrufbar. Deshalb sprechen Kritiker auch vom »Lauschangriff« im Kinderzimmer. Aber auch für die Eltern. Vielleicht haben sie sich ja gerade gestritten, als ihr Kind mit »Hello Barbie« gespielt hat, oder es gab Geräusche, die jetzt nicht unbedingt für Dritte bestimmt waren. »Stasi-Barbie« ist deshalb ein anderer Name für die schöne Puppe. Und es kann Hackerangriffe auf die Server geben, auf denen die Daten gespeichert werden.


Wenn Dinge zu Akteuren werden

»Hello Barbie« ist ein einfaches, aber anschauliches Beispiel dafür, wie das sog. »Internet der Dinge« funktioniert. Ob Spielzeug, Fernseher, Kaffeemaschine oder Stromzähler – all diese Alltagsgegenstände sind in der digitalen Welt mit Sensoren ausgestattet – vielleicht auch mit winzigen Computern – und einer Internetschnittstelle. Dadurch können diese Dinge auch unabhängig vom Menschen miteinander kommunizieren und sich gegenseitig steuern. An die Stelle des Computers tritt das intelligente Gerät. Denn die Maschinen steuern sich selbst, konfigurieren, optimieren sich und lernen voneinander, weil es eine ständige, wechselseitige Rückkopplung gibt.9

So werden Dinge zu Akteuren. Sie sammeln Daten, berechnen und entscheiden.10 Ob im »smart home«, wie man das heute nennt oder im »smart office« oder in der »smart ­city«, alles kann genau aufeinander abgestimmt werden, bedarfsgerecht, ökologisch und vor allem wirtschaftlich. Weil Fehler sofort erkannt und behoben werden können, im Konsum, in der Infrastruktur und natürlich in der sog. Industrie 4.0, in der immer mehr Menschen durch kleine Roboter ersetzt werden und wo in Zukunft nicht die Maschinen den Menschen, sondern die Menschen den Maschinen angepasst werden müssen. Das Gleiche passiert auch in der Landwirtschaft, wo sich z.B. der digitale Weinberg meldet, wenn die Pflanzen Durst haben11, oder im Gesundheitswesen. Da gibt es die Selbstoptimierung durch Fitness-Tracker12, Schrittzähler und Gesundheits-Apps und die Vorhersage von Krankheiten auf Grund der Auswertung all unserer digital aufgezeichneten Körperfunktionen.

Eine weitere Visionen, die vielleicht schon in wenigen Jahren Wirklichkeit werden wird, ist das selbst fahrende Auto, das nicht nur von den klassischen Autobauern, also BMW, Daimler oder Audi entwickelt wird, sondern auch von Google und Apple. Denn diese Firmen versuchen, in der Industrie der Zukunft Fuß zu fassen und hier immer mehr Einfluss zu gewinnen; und die Gefahr besteht, dass sie irgendwann alles kontrollieren.


3. Digitalisierung und Medien

Das Gleiche gilt auch für die Medien. Die Verbreitung von professionell recherchierten Meldungen und Berichten durch Suchmaschinen und soziale Netzwerke führt dazu, dass wir nicht mehr die eigentlichen Urheber dieser Inhalte wahrnehmen und kennen, nämlich die Journalisten und ihre Redaktionen, sondern nur noch wissen: Das habe ich bei Facebook oder Google gesehen.13 Hinzu kommt, dass wir als Mediennutzer sozusagen in einer »Echo-Kammer«, »filter bubbel« oder einem »virtuellen Käfig« sitzen,14 weil uns nur geboten wird, was unseren Interessen und Bedürfnissen entgegen kommt. Damit besteht die Gefahr, dass wir uns nur noch um uns selber drehen und mit denen reden, die uns sowieso schon nahe sind. Peter Schaar vergleicht die digitale Welt mit einem riesigen Shoppingcenter. Am Eingang werden alle persönlichen Daten notiert: Name, Adresse, Telefonnummer, Geburtsdatum, Arbeitgeber, Beziehungsstatus, sexuelle Präferenzen. Dann wird man an einem Tisch platziert, an dem Menschen sitzen, die gleichaltrig sind, so ähnlich aussehen, dieselben Hobbys, politische und religiöse Ansichten haben und sexuell gleich gepolt sind.15


Wenn Medien den sozialen Wandel bestimmen

Wie konnte es dazu kommen? Marshall McLuhan, einer der wichtigsten Medientheoretiker unserer Zeit,16 stellt fest: Der Mensch versucht, durch neue Medien die eigene Person gewissermaßen zu erweitern. Es bilden sich neue Wahrnehmungsmuster, und dadurch verändern wir unser Verhalten. Es entstehen neue Öffentlichkeiten und so befördern die veränderten Kommunikationsbedingungen auch den sozialen Wandel.17 Eine einfache Grafik zeigt, wie sich bestimmte Parameter durch den Gebrauch von Medien verändert haben:


Betrachtet man die Entwicklung des letzten Jahrhunderts ein wenig genauer,18 so lassen sich im Blick auf die Wechselwirkungen zwischen Medien und Gesellschaft, Denken und Speicherkapazitäten folgende Aussagen ­treffen:

• Die Weiterentwicklung der elektronischen Medien von der Telegrafie über Fernsehen, Radio und sozialen Netzwerken bis zum Internet der Dinge hat zur Folge, dass sich dauerhafte Strukturen in der Gesellschaft mit weniger dauerhaft strukturierten Mediennutzergemeinschaften wie Zeitungslesern, Radiohörern, Fernsehzuschauern, Communitys im Netz, Netzwerken überschneiden.

• Es hat eine Erweiterung der Sinnesorgane stattgefunden. Alles Denken steht in einem globalen Kontext. Es entsteht das Gefühl der Gleichzeitigkeit. Raum und Zeit verdichten sich (globales Dorf), die Vorstellung von einer linear funktionierenden Welt (Ursache – Wirkung) geht verloren.

• Seit dem Jahr 2002 werden mehr digitale als analoge Inhalte gespeichert.19 Nach dem Mooreschen Gesetz verdoppelt sich regelmäßig alle zwölf bis 24 Monate die Komplexität integrierter Schaltkreise. Es entstehen neue Formen des Transports von Daten.


Wenn Medien nur noch um Aufmerksamkeit konkurrieren

Das Internet und die Ausweitung der Speicherkapazitäten haben zu einer noch nie da gewesenen Konvergenz aller bisherigen Medien geführt: Bücher, Zeitschriften, Radio und Fernsehen lassen sich mit Hilfe des Internets konsumieren. Darüber hinaus sind die Inhalte und ihre verschiedenen Darstellungsformen miteinander vernetzt. Sie lassen sich permanent verändern und verbessern. Dabei bedienen sich die Journalisten auch der Hilfe der Nutzer. Deren Äußerungen bei Facebook, Twitter, Snapchat oder YouTube fließen in die Recherchen ein und ersetzen sie manchmal sogar. Man recherchiert weniger selbst, außerhalb der eigenen Redaktion, sondern setzt auf Suchmaschinen, die sog. »Intermediäre«. Die Leser, Hörer und Zuschauer werden zu Akteuren, mit Folgen, die der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen so beschreibt: »Aus der einst vornehmlich massenmedial geprägten Mediendemokratie entsteht allmählich die Empörungsdemokratie des digitalen Zeitalters.«20 Früher hätten Journalisten die Meldungen und Informationen gewichtet, publiziert oder verschwiegen. Sie waren damit die Gatekeeper. Heute komme es zum permanenten »Gateblowing«. Das bedeutet, dass Hass- und Spottvideos ungehindert zirkulieren, denn »räumliche, zeitliche und kulturelle Grenzen« sind »leicht passierbar geworden«. Ob etwas wirklich wahr ist, werde vorher nicht verifiziert, Und so entstehen im »Schnelligkeitswettbewerb« die Gerüchte.

Im Konkurrenzkampf, gerade auch mit den Nutzern, so Pörksen, geraten die professionell arbeitenden Journalisten in die Gefahr, ihre ethischen Standards zu verlieren. Weil sie um Aufmerksamkeit werben müssen. Denn die Aufmerksamkeit ist begrenzt, und die Vielzahl der Kanäle kann zu Stress und Überforderung führen. Deshalb bedienen Journalisten noch stärker als bisher die Bedürfnisse nach Skandalen, Moral, Einfachheit und Eindeutigkeit. Sie orientieren sich am Konkreten, Punktuellen und Personalisierbaren, am Sofort-Urteil und der Instant-Entlarvung. Mit Folgen, die wir alle kennen: die Wirkung einer Meldung steht in keinem Verhältnis mehr zu ihrer Ursache. Politiker und andere öffentliche Persönlichkeiten haben Angst, sich zu äußern, weil sie Angst vor der Erregung im Netz haben, die allerdings auch schnell wieder verpuffen kann.


Wenn sich Medienkanäle verschränken

Doch es gibt auch positivere Sichtweisen der Entwicklung. So bieten Internet und soziale Netzwerke früher nicht gekannte Möglichkeiten der Verständigung und Organisation, der Gestaltung christlicher Gemeinschaft,21 wenn man sie denn bewusst und mit der nötigen Vorsicht einsetzt, z.B. in der Arbeit mit Konfirmanden, Jugendlichen oder ehrenamtlichen Helfern.

Darüber hinaus dienen soziale Netzwerke der internationalen Verständigung und des Artikulierens politischer Meinungen,22 die totalitäre Regierungen in große Bedrängnis führen und sogar stürzen können. Doch diese Bewegungen im Netz wären weit weniger wirkungsvoll, wenn sie nicht von anderen Medien mit einem großen Publikum aufgegriffen und gespiegelt würden. Große Marken und die darin arbeitenden professionellen Journalisten führen vieles wieder zusammen, was sich sonst nicht mehr gegenseitig wahrnehmen würde. Deshalb ist es so wichtig, die Versorgung der Menschen mit Informationen nicht Facebook oder Google zu überlassen, sondern einen Medienmix zu behalten: aus Zeitungen, Fernsehen, Radio, Online-Magazinen und sozialen Netzwerken – um der Aufsplitterung der Öffentlichkeit in zu viele Öffentlichkeiten entgegen zu wirken, die verschiedenen Publika zusammenzuführen und zu integrieren.

Dieser Medienmix kann zu einer größeren Informationsbreite und -tiefe führen, weil sich die verschiedenen Medien ergänzen, sowohl in ihren Inhalten als auch in ihren Darstellungsformen. So werden Äußerungen auf Twitter und Facebook in Radio- und Fernsehsendungen integriert und umgekehrt werden auf den Internetseiten nicht nur Texte und Bilder präsentiert. Auf der Homepage der Evang. Kirche von Kurhessen-Waldeck (ekkw.de) ergänzt z.B. die Online-Redaktion ihre Textmeldungen mit Beiträgen der Kollegen aus dem Radio. Außerdem begleitet sie die Themen mit Beiträgen auf ihrer Facebook-Seite, die über 2300 Nutzer erreicht. Das bedeutet, dass man bei Recherche, Interview und Produktion immer auch an die anderen Kanäle denkt.

»Crossmediales Arbeiten« nennt man das zurzeit, und kaum ein Journalist wird heutzutage nur noch in einer Sparte ausgebildet, sondern muss möglichst alles beherrschen: Radio, TV, Print, Online und social media. In den Blogs können Themen, die in den tagesaktuellen Medien schnell an Bedeutung verlieren aufgenommen und diskutiert werden, so dass es zu einer längeren Beachtung ­kommen kann.23 Schließlich entstehen neue Formen, in denen sich Journalisten organisieren. Sie gründen Firmen wie »netzpolitik.org« und versuchen sich über crowdfunding zu finanzieren.


4. Gefahren

Schon am Beispiel der Medienentwicklung lässt sich zeigen, welche Chancen und Gefahren die digitale Welt mit sich bringt. Auf der einen Seite fast unbegrenzte Individualität, auf der anderen Seite birgt die Digitalisierung die Gefahr großer Abhängigkeit und Ungleichheit.


Zunehmende Wissenskluft

Die Digitalisierung, so der Medienwissenschaftler Michael Jäckel, führt zu einer zunehmenden Wissenskluft, und zwar auf mehreren Ebenen.24 Da ist der sog. »Global Divide«, also die Unterteilung der Welt hinsichtlich des Internetzugangs. Denn laut Informationen der Weltbank können vier Milliarden Menschen eben nicht online gehen, das sind immerhin 60% der Weltbevölkerung.25 Dazu kommt der »Social Divide« zwischen Armen und Reichen. Menschen die nicht mit den technischen Entwicklungen mithalten können, verlieren ihre Existenzgrundlage.26 Man schätzt, dass fast 50% aller bisherigen Berufe in Zukunft verschwinden. Zwar wird es gleichzeitig ebenso viele neue Berufe geben. Aber die Voraussetzungen, sie zu erlernen, werden wesentlich höher liegen als jetzt. Und schließlich ist da der »Democratic Divide«. Da die neuen Technologien zur Partizipation und der Artikulation politischer Interessen genutzt werden, bleiben auch in diesem Bereich viele Menschen außen vor.


Vom Subjekt zum Objekt

»Totalitarismus ohne Uniform«27 – wir werden permanent überwacht, weil, egal was wir tun, Daten fließen. Ob wir im Internet surfen, telefonieren, ein E-Book lesen oder Auto fahren. Und Alles wird ausgewertet und dazu genutzt, Profile zu erstellen, uns zu bewerten, nicht nur von den Geheimdiensten, sondern vor allem von Unternehmen. Auf Grund unserer Daten entscheiden sie dann z.B., ob wir kreditwürdig sind, ob man uns versichern, befördern oder entlassen sollte. Wer bei Facebook immer wieder auf ein bestimmtes Piktogramm tippt, verrät damit viel über seinen Gemütszustand. Der Mensch wird vom Subjekt zum Objekt.28


Totale Kommerzialisierung

Unsere Daten werden verkauft, damit sie ausgewertet und Profile erstellt werden können, die man wiederum kommerziell nutzen kann. So entstehen auch Angebote für Wünsche, die man selbst noch gar nicht kennt. Ein Beispiel dafür ist die US-amerikanische Ladenkette Target. Ihre Statistiker haben aus dem Einkaufsverhalten der Kundinnen Rückschlüsse über eine mögliche Schwangerschaft gezogen. Diese Frauen wurden dann von Target gezielt mit Werbung für Babykleidung oder Babypflegeprodukte versorgt. Die Daten aus den Kassenbons wurden mit den Daten von Kredit- oder Kundenkarten verknüpft: also Name, Wohnort, Familienstand und geschätztes Jahreseinkommen – all das kann Target mithilfe seiner Datenbank ermitteln und dann gezielt Werbung verschicken.29


Verlust der Selbstbestimmung

Wir verlieren an Selbstbestimmung: über unsere eigentlichen Wünsche wird nicht mehr nachgedacht, die Wertemuster werden vorgegeben durch ökonomische Produktivität. Gut ist, was machbar ist.30 Wir suchen nicht mehr nach der Wahrheit, indem wir nach den Ursachen forschen, nach kausalen Zusammenhängen. Entscheidend sind vielmehr die Korrelation und die Wahrscheinlichkeit. Sinn entsteht auf Grund eines statistischen Zusammenhangs.


Schlagwortwissen

Wenn wir unsere Bildung aus dem Netz beziehen, besteht die Gefahr, dass das Schlagwortwissen die analytische Denkfähigkeit verdrängt. Wir gewinnen zwar Zeit, weil wir nicht mehr Lexika und Bücher wälzen müssen, um etwas nachzuschlagen, aber es fehlt der Dialog mit anderen, in dem wir gezwungen sind, Informationen zu diskutieren, dadurch auch zu überprüfen, einzuordnen und zu vertiefen. Auch eine Gewissensbildung im Dialog findet nicht mehr statt.31


Dauerunterbrechung

Wir leiden unter »Handydaueralarm«, wie der Informatikprofessor Alexander Markowetz es nennt,32 und lassen uns ständig unterbrechen. Durchschnittlich alle 18 Minuten gucken wir auf unser Smartphone, um zu sehen, ob es etwas wichtiges Neues gibt. Allein die Erwartung lässt den Körper Dopamin ausschütten. Das hat Suchtcharakter, so dass viele Menschen bereits professionelle Hilfe brauchen. Darüber hinaus mindert der Umfang mit dem Smartphone unsere Produktivität, so Markowetz.33


360-Grad-Feedback

Wir sind ständiger Kritik und Bewertung ausgesetzt. »360-Grad-Feedback« nennen das manche, also von allen Seiten. Und die Folge ist: wir passen uns den Kriterien der Bewertung an, verhalten uns zunehmend konform und werden gleichförmig und austauschbar. Originale verschwinden.34


Beschleunigung

Wir überfordern uns durch ständiges und immer schnelleres Arbeiten rund um die Uhr. Die Erfahrung, dass wir durch die technischen Möglichkeiten viele Dinge rascher erledigen können, verschafft uns nicht mehr Freiraum, sondern bringt uns dazu, in der gewonnenen Zeit mehr zu tun35 und manches vielleicht sogar gleichzeitig: »Man telefoniert, mailt, liest, isst, trinkt im Gehen, Stehen, Fahren.«36 Hinzu kommt das permanente »Update« in immer kürzeren Intervallen. Das setzt uns unter Druck. Wir haben ständig das Gefühl etwas zu verpassen.37 Und bei vielen Menschen entsteht das Gefühl, nicht(s) zu sein, wenn man nicht durch oder in den Medien ist.38 Manche Firmen und Behörden führen deshalb Regeln ein, die dafür sorgen sollen, dass ihre Mitarbeiter zumindest nachts und an Wochenenden zur Ruhe kommen können.


Virtualisierung

Manche Experten befürchten, dass die Verbindung von Computer und Gehirn irgendwann dazu führt, dass man nicht nur unsere Körperfunktionen, sondern auch unsere Gedanken steuern kann. Und, so lautet eine Befürchtung, nur was vernetzt ist, existiert überhaupt.39 »Das Virtuelle wird zum entscheidenden Referenzbereich des Seins«40 – so der Psychotherapeut Bert Te Wildt, der sich intensiv mit der Medienabhängigkeit beschäftigt.


Verlust des Humanum

In der digitalen Welt gibt es kein Vergessen mehr und kein Vergeben.41 Dadurch kann verloren gehen, was unser Menschsein eigentlich ausmacht: die Endlichkeit und die Fähigkeit, sich mit dieser Endlichkeit auseinanderzusetzen, von der Zeugung über die Geburt, Sexualität, Krankheit und Pflege, das Altwerden, Sterben und Begrabenwerden.42


5. Lösungsansätze

Wie gehen wir mit dieser Entwicklung um? Eine Möglichkeit: Wir verweigern uns der digitalen Welt und schließen uns der »anti-digitalen Elite« an, die Bernhard Heinzlmaier sich so vorstellt: Sie kauft ihre Bücher in kleinen »Szeneläden, Lebensmittel beim Biohändler um die Ecke«, scheut »die Produkte internationaler Modemarken wie der Teufel das Weihwasser«. Auf den Smartphones dieser Leute findet sich »kaum bis keine App«. Viele haben »gar kein Smartphone mehr«, und sie beteiligen sich »auf gar keinen Fall am ›Internet der Dinge‹«. »Trägern von Datenbrillen (gehen sie) aus dem Weg«, oder »reißen« sie ihnen »von der Nase« und »zertreten« sie. Sie werden »am Abend zufrieden dem Knistern ihrer Schallplatten zuhören«. »Und diese gerade neu entstehende Gruppe der Anti-Digitalen«, so Heinzlmaier, »wird nicht ernst, sondern fröhlich, nicht oberflächlich, sondern tiefsinnig, nicht dumpf, sondern hell, nicht unwissend, sondern wissend, nicht starrsinnig, aber bestimmt nicht konsumierend, sondern absorbierend, nicht partizipierend, aber intervenierend, nicht konstruktiv, aber kritisch und gleichzeitig individualistisch und gemeinschaftsorientiert sein.«43

Eine andere Möglichkeit schlägt Rafael Ball, Experte für Wissenschaftskommunikation, vor. Er sagt: Wir können z.B. unseren Stress vermindern, indem wir unser Verständnis von der Zeit verändern. Wir erinnern uns an die Zeitvorstellung des Mittelalters, als die Menschen sich die Zeit nicht linear, sondern als Kreislauf gedacht haben. Denn die ständige Verfügbarkeit von Information und Erleben, schafft Parallelwelten und Parallelzeiten, in denen wir gelassen leben können.44 »Die digitale Präsenz«, so Ball, »hebt die Begrenztheit der Einlinearität der Zeit auf und führt zurück in die Geborgenheit eines Kreislaufs, in dem alles mit allem verwoben ist und das Ende des Einen den Beginn des Neuen meint.«45 Wir können warten, uns wieder mal Langeweile gönnen, wir können achtsamer mit uns und anderen umgehen, auswählen und unser Leben durch Pausen wieder in einen lebensfreundlichen Rhythmus bringen.

Auch der Theologe und Akademiedirektor Thorsten Latzel aus Frankfurt am Main sieht einen Ausweg in einem anderen Zeitverständnis. Um die lineare Zeitvorstellung zu überwinden, greift er auf das biblische Zeitverständnis zurück und bringt den Begriff der »Präsenz« ins Spiel. Für ihn bezeichnet Präsenz die »tiefe, volle, lebendige Gegenwart eines Menschen im Hier und Jetzt – aus der Gegenwart Gottes. Ein unverfügbares Geschehen, in dem ein Mensch ganz aus Gott und gerade so bei sich selbst und seinen Mitmenschen ist.«46 Damit komme gleichzeitig die Dimension der Ewigkeit in den Blick. Um sich für sie zu öffnen, braucht es die »ritualisierte Auszeit im Tages-, Wochen-, Jahresrhythmus«.47 Der bewusste Umgang mit der Zeit befähigt dann auch zu einem angemessenen Umgang mit der Technik. Weil wir dann unsere Freiheit behalten, die Möglichkeiten unserer Kommunikation selbst zu begrenzen und die individuellen und gemeinschaftlichen Zeitrhythmen zu synchronisieren.

Denn es geht ja nicht nur um uns selbst, um unser ganz persönliches Wohlbefinden, sondern darum, dass wir uns mit den Folgen der Digitalisierung gerade auch für andere auseinandersetzen. Das betont Matthias Kettner, Philosophieprofessor an der Universität Witten-Herdecke, m.E. zu Recht.48 Wir müssen gezielt nach Lösungen suchen, die manches zumindest abmildern können.


Global digital players

Was die Macht der großen Internetplayer angeht, so fordert Peter Schaar, Konzerne wie Google, Adobe, Amazon, Apple, Facebook oder Mikrosoft durch die Anwendung von Kartell- und Wettbewerbsrechte zu entflechten49 und es nicht zuzulassen, dass sie ihre Steuern in Niedrigsteuerländern zahlen. Und wir müssten durch entsprechende Gesetze dafür sorgen, dass diejenigen, die die Daten und Informationen produzieren, also Nutzer und Konsumenten, an der Vermarktung ihrer Daten beteiligt werden.50 Es muss also allgemeine Regeln dafür geben, wie unsere Daten erhoben, gespeichert und weiterverwendet werden.

Außerdem plädiert Schaar für eine erhebliche Verbesserung des Datenschutzes durch eine Reihe von Maßnahmen51:

• die Verschlüsselung und Anonymisierung von Daten als Standard

• »Open Data«, also die Offenlegung der Algorithmen, nach denen die Internetfirmen Daten auswerten

• jeder Bürger muss darüber informiert werden, welche Daten von ihm bei staatlichen Stellen gespeichert werden

• Transparenz auch bei Unternehmen: alle Geräte, die Daten übertragen, müssen entsprechend gekennzeichnet sein (und beim Erstellen von Datenprofilen müssen Banken und Versicherungen, auch staatliche Stellen, die Betroffenen mit einbeziehen)

• der Schutz der Privatsphäre muss gewährleistet bleiben, auch durch das Beichtgeheimnis, die ärztliche Schweigepflicht, das Sozial-, Post- und Fernmeldegeheimnis.


Kritik der digitalen Unvernunft

Solche und ähnliche Forderungen finden sich auch bei vielen anderen Autoren, gerade aus dem Bereich der Theologie. Rudolf Ebertshäuser, der das Internet aus christlicher Sicht als »Feindesland« bezeichnet, mahnt zu Vorsicht und Wachsamkeit. Man solle die Dinge schon gebrauchen, aber mit der nötigen Distanz.52 Fundierter und grundsätzlicher argumentieren da schon der Erlanger Professor für Systematische Theologie Werner Thiede und Johanna Haberer. Auch sie plädieren für ein kritisches Bewusstsein gegenüber der digitalen Welt. Sie kritisieren die »innerweltlichen Heilsversprechen«53 und rufen auf der Grundlage des jüdisch-christlichen Gottes- und Menschenbilds zum Widerstand gegen Fehlentwicklungen auf. Zwar gesteht Thiede zu, dass der Glaube an das Reich Gottes und dessen Wirkung auf unsere Gegenwart auch etwas »Virtuelles« an sich hat, gleichzeitig weist er aber darauf hin, dass sich die Wirklichkeit Gottes eben von der seiner Schöpfung grundsätzlich unterscheidet und »christliche Spiritualität … von der Antizipation des angesagten Heils (lebt)«.54

Auch Haberer betont sehr stark den Gegensatz der von Menschen geschaffenen digitalen Welt und der Realität der analogen Beziehung zwischen Gott und Mensch. Sie stellt in ihrem Buch »Digitale Theologie« die Visionen und Ansprüche der digitalen Technologie und neuen Medienwelt den Erkenntnissen der Bibel und bedeutender Philosophen und Theologen wie Thomas von Aquin, Luther, Buber oder Bonhoeffer gegenüber. Ihre Vergleiche wirken teilweise gewollt, etwa wenn sie die »digitale Welt als pfingstliche Idee«55 bezeichnet oder die »Wolke der Zeugen« der »Cloud«56 gegenüberstellt. Doch es gelingt ihr zu zeigen, dass nicht die von McLuhan beschriebene Ich-Erweiterung durch Medien ins »Unermessliche«57 entscheidend ist, sondern dass wir überhaupt erst zu uns selbst finden. Und das ist nur dadurch möglich, dass Gott Mensch geworden ist und von sich aus mit uns kommuniziert.58 In dieser durch Gnade geprägten Ich-Du-Beziehung59 füge Gott unsere »fragmentierte Identität immer wieder neu zu einer geheilten Biografie zusammen«.60 Das allein befreie von der Angst vor der Macht der Digitalisierung61 und vom Zwang zur permanenten Selbstoptimierung, Selbstpräsentation und Erreichbarkeit.62 Vor allem aber befreie es zu etwas: zu einer Kultur der Buße, der Entschuldigung, der Vergebung und des Neuanfangs.63 Diese Kultur freilich lasse sich nur verwirklichen, wenn Gemeinschaft auch außerhalb der digitalen Netzwerke gepflegt wird64, gerade auch durch den Vollzug der Sakramente,65 und wenn die Kirche von der unverfügbaren Gnade Gottes erzähle und ihren Bildungsauftrag wahrnehme.66

Doch dies allein reicht m.E. nicht aus. Hinzukommen muss eine genauere Wahrnehmung dessen, was in der Medienwelt vor sich geht. So bilden sich z.B. auch hier um kirchliche Angebote herum Gemeinschaften von religiös Interessierten, die mit den Gemeinden vor Ort in einer Wechselbeziehung stehen können.67 Daraus folgt, dass die Kirche nicht mehr nur als eine abgeschlossene, homogene Lebenswelt gedacht werden kann, sondern sie konstituiert sich ebenso in den Vorstellungen und Gefühlen der in der Medienwelt interagierenden und miteinander vernetzten Individuen. Deshalb können die verschiedenen kirchlichen Gruppen vor Ort auch diejenigen als potentielle Mitglieder der Kirche betrachten, die von der befreienden Botschaft der geschenkten Gnade gehört haben und sich selbst als Kinder Gottes ­sehen.


Anmerkungen:

1 Bernhard Heinzlmaier (2015): Verleitung zur Unruhe. Zur Hölle mit den Optimisten. Salzburg: Ecowin, 127.

2 Vgl. Bert Te Wild (2015): Medialisation. Von der Medienabhängigkeit des Menschen. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 51ff.

3 Vgl. Kai Schlieter (2015): Die Herrschaftsformel. Wie künstliche Intelligenz uns berechnet, steuert und unser Leben verändert. Frankfurt/M.: Westend Verlag, 251ff.

4 Johanna Haberer (2015): Digitale Theologie. Gott und die Medienrevolution der Gegenwart. München: Kösel, 29.

5 Vgl. den Artikel »Gott online – Gott offline« von ­Johannes Röser in Christ in der Gegenwart 19/2016, 208.

6 Vgl. Peter Schaar (2015): Das digitale Wir. Unser Weg in die transparente Gesellschaft. Hamburg: edition Körber-Stiftung, 193, und Bert Te Wildt (2015): Die doppelte Revolution. Interview. In: zeitzeichen 10/2015, 38.

7 Vgl. Schaar, a.a.O., 18.

8 Vgl. Schaar, a.a.O., 13.

9 Vgl. Mario Martini (2015): Wie werden wir morgen leben? – Ein Blick in die Glaskugel der digitalen Zukunft. In: Hermann Hill/Mario Martini/Edgar Wagner (Hg.), Die digitale Lebenswelt gestalten. Baden-Baden: Nomos, 16.

10 Vgl. Florian Sprenger/Christoph Engemann (2015): Das Internet der Dinge. Über smarte Objekte, intelligente Umgebungen und die technische Durchdringung der Welt. Transcript-Verlag, 8.

11 Vorgestellt auf der CeBIT 2016.

12 Laut einer Umfrage der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) zeichnen 14% der Deutschen zwischen 18 und 50 Jahren ihre Gesundheitsdaten mit Fitness-Trackern auf (Pressemeldung vom 24.2.2016).

13 Volker Lilienthal, Professor für Qualitätsjournalismus an der Universität Hamburg, spricht in diesem Zusammenhang von der Gefahr einer »Kolonisierung« der Medien durch Facebook und Google, vgl. epd-Meldung vom 10.3.2016.

14 Vgl. Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, a.a.O., 18.

15 Vgl. Schaar, a.a.O., 15f. Vgl. auch Heinzlmaier, 251.

16 McLuhan ist mit Aussagen wie »Das Medium ist die Botschaft« oder »Wir leben in einem globalen Dorf« berühmt geworden.

17 Vgl. McLuhan, Marshall (2011): Die Gutenberg Galaxis. Die Entstehung des typographischen Menschen. Hamburg/Berkeley, Calif.: Gingko-Press.

18 Vgl. Jäckel, Michael (2012): Medienwirkungen kompakt. Einführung in ein dynamisches Forschungsfeld. Wiesbaden: Springer.

19 Vgl. Rafael Ball (2014): Die pausenlose Gesellschaft. Fluch und Segen der digitalen Permanenz. Stuttgart: Schattauer, 2.

20 Bernhard Pörksen (2015): Shitstorm ohne Ende. In: zeitzeichen 10/2015, 24-26.

21 Vgl. Christina Ernst (2015): Mein Gesicht zeig ich nicht bei Facebook. Social Media als Herausforderung theologischer Anthropologie. Göttingen: Edition Ruprecht.

22 Z.B. durch Selbsthilfegruppen im Netz, Plattformen wie abgeordnetenwatch.de, Diskussionsforen, Unterschriftensammlungen oder Online-Petitionen; vgl. Schaar, a.a.O., 87 und 116.

23 Vgl. Jäckel, a.a.O., 179.

24 Vgl. Jäckel, a.a.O., 118-120.

25 Vgl. den Artikel »Tiefer digitaler Graben« von Markus Sievers in der Frankfurter Rundschau vom 14. Januar 2016.

26 Vgl. Arno Rolf/Arno Sagawe (2015): Des Googles Kern und andere Spinnennetze. Die Architektur der digitalen Gesellschaft. Konstanz/München: UVK Verlagsgesellschaft, 12.

27 Vgl. Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2013): Kleine Daten, große Wirkung. Big Data einfach auf den Punkt gebracht. Düsseldorf, 18.

28 Vgl. Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, a.a.O., 28.

29 Vgl. Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, a.a.O., 21.

30 Vgl. den Artikel »Was wird von der Freiheit bleiben?« von Matthias Kettner in der Frankfurter Rundschau vom 31. Oktober 2015, 8f.

31 Vgl. Haberer, a.a.O., 143.

32 Vgl. Alexander Markowetz (2015): Digitaler Burnout. Warum unsere permanente Smartphone-Nutzung gefährlich ist. München: Droemer, 17.

33 Vgl. Markowetz, a.a.O., 30ff.

34 Vgl. den Artikel »Vom Verschwinden des Lehrers« von Nils B. Schulz in der Frankfurter Rundschau vom 30. April 2016, 21.

35 Vgl. den Artikel »Die Unfreiheit entsteht im Kopf« von Elena Müller in der Frankfurter Rundschau vom 31. Oktober 2015, 6f.

36 Thorsten Latzel (2016): Kostbare Riten. Wider das tägliche Hamsterrad – Überlegungen zur Zeitkultur. In: zeitzeichen 1/2016, 50.

37 Vgl. Ball, a.a.O., 4-6; 30.

38 Vgl. Te Wildt (2012): Medialisation, 47.

39 Vgl. Sprenger / Engemann, a.a.O., 11.

40 Te Wildt, a.a.O., 14.

41 Vgl. Schaar, 173.

42 Vgl. Bert Te Wildt (2015): Die doppelte Revolution, Interview. In: zeitzeichen 10/2015, 39.

43 Heinzlmaier, a.a.O., 299.

44 Vgl. Ball, a.a.O., 7 und 115.

45 Ball, a.a.O., 119.

46 Ebd.

47 Vgl. Latzel, a.a.O., 52.

48 Vgl. Kettner, a.a.O.

49 Vgl. Schaar, a.a.O., 197.

50 Vgl. Schaar, a.a.O., 199.

51 Vgl. Schaar, a.a.O., 201.

52 Vgl. Rudolf Ebertshäuser (2015): Als Christ in der Welt des Internets. Steffisburg: Edition Nehemia, 16ff.

53 Vgl. Werner Thiede (2014): Die digitalisierte Freiheit. Morgenröte einer technokratischen Ersatzreligion. Münster: Lit., 172.

54 Vgl. Thiede, a.a.O., 140f.

55 Haberer, Digitale Theologie, 117.

56 Haberer, a.a.O., 125.

57 Haberer, a.a.O., 13.

58 Vgl. Haberer, a.a.O., 86ff.

59 Vgl. Haberer, a.a.O., 100ff.

60 Haberer, a.a.O., 138.

61 Vgl. Haberer, a.a.O., 31f.

62 Vgl. Haberer, a.a.O., 166, 171, 173.

63 Vgl. Haberer, a.a.O., 182f.

64 Vgl. Johanna Haberer (2015): Digitale Theologie. In: zeitzeichen 10/2015, 27-29.

65 Vgl. Haberer, a.a.O., 164.

66 Vgl. Haberer, a.a.O., 96ff sowie 143.

67 Vgl. Krückeberg, Siegfried (2014): Mögliche Auswirkungen der Kommunikation des Evangeliums in der Medienwelt auf die Kirchentheorie. In: Birgit Weyel/Peter Bubmann (Hg.), Kirchentheorie. Praktisch-theologische Perspektiven auf die Kirche. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 223-231.

 

Über die Autorin / den Autor:

Prof. Dr. Siegfried Krückeberg, 1983-1989 Pfarrer in Borken/Hess., seit 1990 Rundfunkpfarrer in Frankfurt/M., Prof. an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg; Themenschwerpunkte: Christliche Publizistik, Religion in den Medien, Rundfunkhomiletik.

Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 4/2017

9 Kommentare zu diesem Artikel
19.04.2017 Ein Kommentar von Thomas Die grundsätzliche Medienkritik ist ja nicht neu; leider nimmt sie auch hier einen übergroßen Platz ein während auf Chancen und neue Notwendigkeiten kaum eingegangen wird. Genauso werden längst bekannt Ansätze zu Eindämmung diverser Risiken unterschlagen (z.B. den Zugriff auf Dienst-Mails außerhalb der Arbeitszeiten technisch zu unterbinden). Als Christen sind wir darauf verwiesen, bei den Menschen zu sein. Und wenn diese sich eben in digitalen Welten aufhalten hilft es nichts dies aus der Ferne zu kritisieren - wir müssen eben mitten hinein und sie so ansprechen, wie es in deren Lebenswelt auch aufgenommen wird. Wenn wir Risiken von Automatisierung diskutieren wollen sollten wir diese nicht nur vom Hörensagen kennen sondern auch in unseren kirchlichen Ämtern umsetzen. All das muss man nicht gut finden, aber man muss sich dieser Realität endlich stellen. Gerade wenn es starke Vorbehalte und (berechtigte oder auch nur diffuse) Bedenken gibt muss man diese aktiv mit den Betroffenen diskutieren. Das kann man - der Digitalisierung sei Dank - einfacher als je zuvor. Ganz ohne Dienstreiseantrag, Reisekostenerstattung und tagelanger Terminabstimmung. Statt dessen kann man dann Antworten, wenn Zeit ist und kann sich seine Antwort besser überlegen als im aufgeheizten Streitgespräch. Und Dinge, die man selbst nutzt und tut kann man auch aktiv beeinflussen. Und ein lebendiges Beispiel geben, wie man Vorteile und Probleme in guten Einklang bringen kann.
19.04.2017 Ein Kommentar von Adrian Stimme Thomas zu, denn zu jeder der genannten Gefahren lässt sich ein virtueller Anwendungsbereich finden, der genau das Gegenteil belegt. Beispielsweise kann 1) statt einer "Wissenskluft", mittels einer abnehmenden Hierarchisierung des Wissens, die Möglichkeit direkten Austausches und Quellenvielfalt auch eine "Wissensbrücke" behauptet werden. 2)Dem schleichenden Bedeutungsverlus klassischer Subjektivität kann eine neue "virtuelle Subjektivität" entgegen gehalten werden, die vielleicht fluider zutage tritt, aber auch neue Handlungsfelder eröffnet, wie Online-Petition im politischen Bereich, selbst Bilder, Filme und Geschichten im kulturellen Bereich oder gar einen erfolgreichen Science-Blog im Wissenschaftsbereich zu betreiben. Alte Rollenkonsistenz des Subjektes geht verloren, aber dafür ist eine eindeutige Subjektivierung über Beruf, soziale Klasse oder auch Professorentitel nicht ausschlaggebend. 3) Neuen Techniken der Kommerzialisierung stehen "free your stuff"-Bewegungen, open-licence- Anwendungen und auch eine "Freifunk"-Kultur entgegen, da das Internet selbst Schauplatz eines Kampfes um freien Tausch versus Vermarktung der Daten ist. Der vermeintliche Gegensatz des Herrn Professors zwischen digitaler versus Realpräsenz oder einer Gemeindearbeit "off-" wie "online" erscheint ebenso konstruiert wie redundant und ergibt sich erst aus einem Diskurs, der mehr Kultur- wie Medienkritik betreibt, als auch die eigenen Leistungen der "virtuellen Kirche" anzuerkennen, siehe z.B. Gernot Meier und Simone Heidbrink. Zugegeben, es lässt sich leicht in die Kerbe der Angst vor neuen Kulturpraktiken hauen und oft auch eine Menge Bücher verkaufen, siehe Harald Welzer oder Manfred Spitzer, wenn vermeintlich essenzielle Präsenz, Gnade oder Heil gegenüber abgeleiteter im Digitalen behauptet wird. Nicht übersehen werden sollte jedoch, dass diese Kulturkritik einen solchen Gegensatz meistens selbst (re-)produziert, weil ernsthafte Akteure sich sowohl im digitalen "Himmel" als auch auf analogen "Erden" gegen Verrohung, Dogmatisierung des Digitalen, den Ausverkauf von Gütern und für Mitsprache, Vielfalt und pragmatische Kritik einsetzen. Statt "Krücken" zu setzen, sollten "Brücken" gebaut werden. Das gelingt dem Artikel nicht, auch wenn die ausgewogene Absicht erkennbar und der Problemanalyse durchaus zu schätzen sein können.
20.04.2017 Ein Kommentar von Christoph Breit Der Artikel von Siegfried Krückeberg stellt in Sachen Digitalisierung eine hohe Hürde auf und reißt sie. „Computertechnologie und Internet haben bisher noch keines der großen Probleme der Menschheit gelöst wie Krieg, Armut, Ungerechtigkeit oder Umweltverschmutzung.“ Mit diesem Anspruch könnte man auch die Vereinten Nationen ablehnen. Oder die Erfindung des Schießpulvers. Oder die christliche Religion. „Die großen Probleme der Menschheit“, mit dieser Kanone zu schießen bringt nichts. Auch ein anderer Kunstgriff von Professor Krückeberg macht das Antworten schwer: das Behaupten und Einführen einer Quasireligion. „Ganz anders sehen das natürlich diejenigen, die die digitale Welt dominieren und weitgehend kontrollieren. Aber auch ihre Worte und ihr Handeln zeigen, dass sie durchaus mit einem moralischen, wenn nicht sogar religiösen Anspruch auftreten. »Don’t be evil – sei nicht böse!« heißt die Anweisung von ­Google-Chef Eric Schmidt für seine Mitarbeiter. Und Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg gibt die Devise aus: »Make the world better – mache die Welt besser.« Die Welt besser zu machen und das Gute im Menschen nach vorne kehren sind auch christliche Werte und vielleicht reagieren Digitalkritisierer deswegen so apologetisch, weil ihnen da jemand ihr Lieblingsspielzeug weggenommen hat und – was für eine Blasphemie – damit auch noch erfolgreicher ist. Heruntergebrochen auf den hier versuchten Diskurs werden so aber auch alle, die in und mit der Digitalisierung arbeiten zu Anhängern einer falschen Religion erklärt. Was den Dialog unmöglich macht. Das habe ich schon im Gespräch mit dem auch von Krückeberg zitierten Werner Thiede feststellen müssen. Die Wiedereinführung der Säulenheiligen steht kurz bevor. Das Leben des Brian Wie aber, wenn man es dennoch inhaltlich versucht? Will man die positiven Seiten der digitalen Transformation betrachten kommt man sich oft vor wie die Aufständischen in „Das Leben des Brian“. Was haben die Römer denn schon Gutes für uns gebracht? fragen sie sich. Nichts! Außer Kanalisation, Straßen, Sicherheit … die Reihe ist dann lang. Ein ähnliches Gefühl stellt sich beim Lesen des Artikels ein. Denn da wird einiges benannt um dann schnell in ein einzelnes Gefährliches abzugleiten. Hilfen für Beeinträchtigte ja, aber diese datensammelnde Barbie! Arbeitserleichterungen in der Landwirdschaft ja, aber es darf keine Arbeitsplätze kosten. Selbstfahrende Autos und Sicherheitssysteme ja, aber der Mensch muss die Kontrolle behalten. Das Attentat auf dem Berliner Weihnachtsmarkt wäre vermutlich noch schlimmer ausgefallen, hätte der LKW nicht auf Grund eines Sicherheitssystems automatisch gebremst! Nein, wer Digitalisierung ablehnt muss dann schon so sauber bleiben, dass man nicht ein bisschen digital gut findet, wenig Apps auf dem Smartphone hat und ansonsten diejenigen belächelt, verteufelt oder kritisiert, die ganz gerne und ziemlich erfolgreich damit leben und arbeiten. Es kann aber von jedem Nutzer und jeder Nutzerin auch verlangt werden, dass er und sie nur das Tool anwendet, dessen Sicherheitseinstellungen, Datenspeicher, Möglichkeiten und Gefahren man kennt und einschätzen kann. Ich entdecke bei Digitalkritikern oft eine erschreckende Ahnungslosigkeit mit dem IPhone in der Hand. Irgendwas mit Medien In der Medienkritik beobachtet Krückeberg viel Richtiges, das man bei Johanna Haberer gut nachlesen kann. Wenn man sich aber vor Augen führt, dass Massenmedien ein verhältnismäßig junges Phänomen sind und von Anfang an von Verlegern und deren Macht geprägt waren, dreht sich das Bild ein wenig. Natürlich ist das, was Journalistinnen und Journalisten recherchieren vielfach sorgfältiger, wahrhaftiger und klug ausgewählt und fast immer besser als das, was in Sozialen Medien an „Informationen“ umherschwirrt. Doch auch der Qualitätsjournalismus basierte auf einem mittlerweile zerbrochenen Monopol, das der öffentlichen Meinung, die es nicht mehr gibt. Es haben sich Parallelwelten gebildet mit eigenen Medien, eigenen Wahrheiten und eigenen Gesetzen. Kirche muss einsehen, dass sie in Gefahr ist, zu einer dieser Welten zu werden und damit für viele irrelevant. Weil Christinnen und Christen zur Freiheit berufen sind, sollten sie das auch leben und eben die unterschiedlichen Filterblasen infiltrieren, im Netz aktiv sein und Menschen da erreichen, wo sie sind. In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden! „Setze dich an den Fluß … … und warte bis die Leiche deines Feindes vorbeischwimmt“ ist ein beliebtes kirchliches Schema, wenn es um Kritik an die Digitalisierung geht. Alles wird immer so schnell! Und die Menschen werden dadurch deformiert! Nein, ich weiß nicht wohin die Reise im digitalen Raum hingeht. Aber ich glaube auch, sich als Kirche an den Wegrand zu setzen und zu sagen "Sagt, wenn ihr angekommen seid, dann spielen wir wieder mit" wird nicht funktionieren. Wenn Nachfolge gefragt ist, müssen wir auch mitgehen. Und wenn Menschen mehr und mehr im digitalen Raum unterwegs sind, ist es müßig über den Sinn der Arbeit im Analogen zu reden. Denn viele Menschen kommen ganz gut mit der Datenflut zurecht und nicht wenige nutzen das, um persönlich wirtschaftlich erfolgreich tätig zu sein. Ja, es werden dabei Berufe verschwinden. Und neue entstehen. Als Kirche sich auf die Seite der Verlierer zu schlagen, heißt mit zu verlieren und sich nicht um die zu kümmern, die in der digitalen Welt angekommen sind. Auch die brauchen nämlich Evangelium! Deswegen ist auch der zweite Teil des Artikels deutlich hilfreicher als der erste. Denn die beschriebenen Gefahren sind gut beschrieben. Was fehlt ist die theologische Antwort. Wer eine „zunehmende Wissenskluft“ beschreibt, muss für Kirche ähnlich einer „Option für die Armen“ eine „Option für die Abgehängten“ beschreiben. Wenn – richtig beobachtet - Menschen vom Subjekt zum Objekt degradiert werden, dann können wir auf die Mündigkeit von Christinnen und Christen verweisen und als Gerechtfertigte Widerstand leisten. Eine „Totale Kommerzialisierung“ kann Kirche aufdecken, wenn sie ehrlich Rechenschaft gibt über ihre Finanzen und medienethisch Aufklärung betreibt, was Menschen alles preisgeben um angeblich etwas günstiger oder leichter zu bekommen. Selbstbestimmung und die Entwicklung eigenen Denkens ist Aufgabe für kirchliche Bildung und die heilsame Unterbrechung kennen Kirchen seit Jahrhunderten. Wir müssen sie dann halt auch leben und nicht als Pfarrerinnen und Pfarrer dauergestresst durchs Land fahren, von Stille zu Stille hetzend. Spannend ist auch die Wechselwirkung zwischen Ich und Feedback der anderen. „Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei?“ fragt schon Jesus seine Jünger und die antworten mit dem der Massen. Ist das schon Sündenfall oder nicht nur Leben mit der menschlichen Realität. Auch in Kirchengemeinden werden Menschen ausgerichtet und schlecht über sie getratscht. Sie deswegen abschaffen? Fordert keiner! Deswegen Kirche sein! Digital! Analog! Der Welt zugewandt! Es wird also unsere Aufgabe sein, in einer schnelleren, gestaltbaren und technischer gewordenen Welt als Menschen so zu leben, wie Gott es sich gedacht hat. Oder sich aus der Welt zu verabschieden, weil sie böse geworden ist. Was Krückeberg fordert ist letztlich dann doch ein netzpolitisches Engagement! Wie viele andere auch. Und seine Erkenntnis kommt spät, fast zu spät: „Daraus folgt, dass die Kirche nicht mehr nur als eine abgeschlossene, homogene Lebenswelt gedacht werden kann, sondern sie konstituiert sich ebenso in den Vorstellungen und Gefühlen der in der Medienwelt interagierenden und miteinander vernetzten Individuen. Deshalb können die verschiedenen kirchlichen Gruppen vor Ort auch diejenigen als potentielle Mitglieder der Kirche betrachten, die von der befreienden Botschaft der geschenkten Gnade gehört haben und sich selbst als Kinder Gottes ­sehen.“
21.04.2017 Ein Kommentar von Friederike Erichsen-Wendt Ich trage im Blog ein paar lose Gedanken zusammen, die ich auch hier einstelle: How to deal with information „Hast Du schon gesehen?“ und es folgt ein Linkkürzel. „Nein“, schreibe ich zurück, „ich moderiere noch zwei Stunden eine Sitzung“. Später am Tag folge ich dem Link zum „Leben auf Cloud sieben“, finde Screenshots in meinem Messenger und am Abend auch den vollständigen Text auf der Homepage der Zeitschrift. #digitalfirst denke ich überrascht, wundere mich über die seltsame Uhrzeit und phantasiere, es muss wohl daran liegen, dass die Schriftleitung dies mutmaßlich ehrenamtlich in ihrer Freizeit irgendwann erledigt. Am nächsten Tag wird das Printexemplar in meinem Briefkasten sein. Nachdem es bereits 80 Kommentare dazu gibt. Und ich den Verfasser einen halben Tag lang bei einer Sitzung traf (zu der ein Navigationsgerät mich gewiesen hat) – ohne dass wir über den Artikel sprechen konnten. Weil es um Flyer ging, die leider noch nicht fertig sind und deren Zielgruppe auch unklar ist. Und weil er nicht wissen kann, dass ich den Text schon las, weil er nicht Teil meines Netzwerkes ist. Nachrichten, die mich zum Thema Digitalisierung daraufhin erreichen, lassen mich das Papierheft wieder aus dem Regal holen, ein paar Bücher und Websites auf einer (imaginären) Pinnwand platzieren und jetzt an einem linearen Text schreiben, der gewiss anders aussieht – je nachdem, ob ich ihn mit meiner alten Adlerschreibmaschine zu Papier bringe oder auf einem Computer. Und damit, dass Sie als Leserin das nicht wissen, wie mein Schreibprozess aussieht, müssen Sie umgehen. Leben ist heute gleichzeitig, mixed-cultural, cross-medial und unübersichtlich. Wer demgegenüber einsiedelt, tut dies auf Kosten derer, die es nicht tun. Analoges und digitales Leben sind unauflöslich miteinander verschränkt. Digitalisiert lebt nicht erst, wer einen sprechenden Kühlschrank hat, ein drittes Auge auf der Stirn oder sein Bild der Welt aus Twitternachrichten konfiguriert. Der Digitalisierung können Menschen in Westeuropa sich ebenso wenig entziehen wie der Industrialisierung, der Marktwirtschaft, der Neuzeit, der Aufklärung. Und sei es, durch Negation. Definitorische Diffusion Digitalisierung wird im „Leben auf Wolke sieben“ – und natürlich nicht nur dort – als Angstbegriff gehandelt. Dies könnte in einer begrifflichen Unschärfe begründet sein, die dazu führt, dass Menschen, die von „Digitalisierung“ sprechen, mindestens zwei verschiedene Phänomene damit bezeichnen: Zum einen geht es um die zunehmende Verwendung von Computertechnik in allen Bereichen des Lebens. Zum anderen ist aber auch im Blick, dass sich analoge „Dinge“ in Digitales „verwandeln“. Der erste Horizont ist quantitativer Natur: „immer mehr Computer“. Der zweite Horizont ist primär philosophisch zu beschreiben: In gleichem verbirgt sich etwas Anderes, das möglicherweise nicht-intendierte Nebeneffekte mit sich bringt. Theologiegeschichtlich geschulte Blicke sehen auf die hochmittelalterlich entwickelten Vorstellungen von Konsubstantiation und Transsubstantiation und die damit verbundene Nähe zur Sakramentenlehre. Klar ist: Es „geschieht“ etwas, und im Zweifel weiß keiner, wie. Und davon immer mehr. Und das macht Menschen Angst. Und wie immer gilt: Klarheit klärt auf. Klarheit entmythologisiert. Wer einen diffusen Digitalisierungsbegriff in die Debatte einbringt, setzt sich einem Ideologieverdacht aus. Man wird der Doppelstrategie des Phänomens nicht entkommen können. Aber man sollte sich ihrer bewusst sein. Was zur Debatte motiviert Es ist (zu) mühsam, im Einzelnen zu zeigen, inwiefern die Argumente derer, deren Vorbehalte gegenüber den unaufhaltsamen Entwicklungen unserer Gesellschaft ihnen gewichtig erscheinen, solche sind, die unabhängig von Digitalisierung für jede technische Innovation der Neuzeit gelten. Diese Einwände sind inzwischen populärwissenschaftlich: Dass eine Innvation eben nicht nur das Verhalten von Menschen tangiere, sondern ihre Persönlichkeit. Dass eine flachere Hierarchisierung mit Heilsutopien verknüpft werde. Dass technische Innovation zu Massenarbeitslosigkeit führe – um nur einige Beispiele zu nennen. Mich beschäftigt die Frage, ob uns die Spaltung der (innerkirchlichen) Diskussion in die vehemente Digitalisierungsskeptiker und –befürworter nicht mehr schadet als nutzt. Verhält es sich nicht vielmehr so, dass theologiegeschichtlich mit zuverlässiger Regelmäßigkeit auftretende Dichotomien von kulturpessimistischen Haltungen und Positionen des liberalen Kulturprotestantismus am neuen Beispiel aktualisiert werden? Und natürlich werden manche sagen: Nein, DAS sei ja nun etwas ganz Anderes. Aber das dürfte doch wohl jede Generation von den Innovationen ihrer Zeit gedacht haben. Und ich schreibe ein paar lose Zeilen, weil mir zu denken gibt, dass jemand in der Diskussion darauf verweist, dass die Potentiale der Digitalisierung überwiegend als behauptete Folie der Gegenargumente genannt werden. Interessant ist mir, dass der Artikel selbst genau so rezipiert wird, wie es meinem Erleben des Themas entspricht: Auf der einen Seite gerät er in den Strudel dessen, was er selbst beschreibt. Auf der anderen Seite wird er von denen gelesen, die sich mails ausdrucken lassen, um sie zu bearbeiten und am gleichen Tag im Supermarkt fleißig Paybackpunkte sammeln. Allseitig verfestigen sich Klischees. Ich kann mit diesem Text wenig mehr als den Wunsch adressieren, dass wir konstruktiver mit den Herausforderungen unserer Zeit umgehen. Dazu geht es mir darum, einen Moment innezuhalten und zu klären, welche grundsätzlichen theologischen Fragen in der Debatte aufgeworfen sind und welche offenen Fragen sich beispielsweise für das Handeln der Kirche daraus ergeben. Wer entscheidet was? Wir sind mit der Welt konfrontiert, in der wir leben und wir sind ein Teil von ihr. Das haben wir selbst nicht entschieden. Digitalisierung ist darin ein schleichender Prozess. Das hat in erster Linie technische Gründe – so, wie sich technologisches Know-How entwickelt, schreiten auch die Anwendungen fort. Das bedeutet auch, dass sich die Lebensbereiche, die betroffen sind, ausweiten. Digitalisierung ist pervasiv, durchdringt also (nach und nach) alle Lebensbereiche. Dieses Phänomen weckt offensichtlich allein aufgrund seiner Wirkweise in Menschen die Vorstellung, es sei eine Macht am Werke, die sich Herrschaft sichern wolle, indem sie verborgen, aber stetig expandiere. Das Bild ist: Es gibt einen Plan, den ich nicht kenne und dem ich ausgeliefert bin. Wer das für sich gelten lässt, erlebt sich mit dieser Haltung in steter Konkurrenz zu seinen eigenen Autonomieansprüchen. Mit zunehmender Digitalisierung könnte sich folglich der Verdacht erhärten, dass ich mir selbst gar nicht mehr so sicher bin, das Subjekt der Entscheidungen zu sein, die traditionellerweise mir selbst zugeschrieben werden. Besonders deutlich wird dies etwa bei der Frage, welche Wirkung personalisierte Werbung am Rande von Kontenbereichen von Onlinewarenhäusern oder Pinnwandseiten hat. Freilich gilt dies allein unter den erwähnten Vorannahmen – es ist keineswegs zwangsläufig, dass Menschen ihre Entscheidungshoheit verlieren, wenn ihre Welt sich zunehmend digitalisiert. Mit der Zunahme an Entscheidungsmöglichkeiten und Optionen kann genauso gut auch ein Gewinn an Entscheidungsfreiheit einhergehen. Neben das Bild eines Mechanismus der Durchdringung entwickelt sich eine – mehr oder minder – subtile Koalition von biologischen und maschinellen Prozessen, die ineinandergreifen. Die Digitalisierungsforschung nennt dieses Phänomen „ambient intelligence“. Implantate, Brillen und Herzschrittmacher sind in unserer Gesellschaft als solche völlig akzeptiert. Die Bewertung leistungssteigernder Prothesen, Mikrochips oder zusätzlicher Wahrnehmungsorgane (wie dem „dritten Auge“) ist umstritten. Im erweiterten Personbereich mobiler Endgeräte ist gelegentlich unklar, wer im Blick auf eine Entscheidung auf wen einwirkt. Damit stellt sich die Frage, ob nicht die Unterscheidung von Subjekt und Objekt oder auch: „Ding“ unter heutigen Wahrnehmungsbedingungen unterkomplex ist. Weitergedacht werden sollte (das kann an dieser Stelle nur angedeutet werden, beschäftigt mich aber an vielen Punkten) der sozialphilosophische Ansatz von Bruno Latour, in dessen Akteur-Netzwerk-Theorie der Unterschied von Subjekt und Objekt verschwindet und „Dingen“ konsequenterweise ethische Handlungsfähigkeit zugeschrieben ist. Demnach „werden“ Dinge nicht durch irgendetwas zu Akteuren, sondern sie sind es bereits. Es geht mir hier zunächst weniger um die technikphilosophischen Folgen dieser Annahme, als um die grundlegende Sicht, dass Dinge und Personen sich wechselseitig zueinander instaurativ verhalten können und einander entscheidend beeinflussen können. Die Zunahme an erlebter Komplexität kann insofern zu der Annahme veranlassen, Menschen verlören an Selbstbestimmung, weil sie sich Einflüssen aussetzten, die anders vorgeben zu sein als sie tatsächlich sind. Ein analysierender Schritt zurück in philosophischem Erkenntnisinteresse macht dann deutlich, dass es sich dabei um eine Frage handelt, die nicht spezifisch durch Digitalisierung hervorgerufen ist. Ängste mag dies dadurch auslösen, als Menschen durch eine Zunahme ethischer Handlungssubjekte einen Verlust an individueller Selbststeuerung in einem gesellschaftlichen Milieu erleben, das auf Selbstwirksamkeit wert legt. Hier zeigt sich, dass Digitalisierung primär – so mein Vorschlag – Themen der Anthropologie aufruft. Schließlich ist der Umstand zu bedenken, dass mit zunehmender Digitalisierung ihre Symbole immer mehr verschwinden. In einem vielbeachteten Essay formulierte Mark Weiser bereits 1991, dass der technologische Fortschritt das Computergerät zum Verschwinden bringen würde, weil er allgegenwärtig sein würde. (The Computer for the 21st Century, Scientific American 265, 1991, S. 94–104). Digitalisierung wird perspektivisch ubiquitär und damit eine Größe, der es unmöglich ist, sich zu entziehen. Damit wird sie selbst unsichtbar, weil es keine abgegrenzten Zeichen ihrer selbst gibt. Sie wird zum Gegenstand von „Glauben“. Das primäre Thema der Digitalisierung ist insofern weniger die (alte) Befürchtung, Maschinen nähmen Menschen die Arbeit weg, sondern die unübersichtliche Gemengelage von Entscheidung und Verantwortung in Hybridformen von Mensch und Maschine. Die Verlagerung auf bekannte, aber letztlich ungeklärte Fragestellungen trägt dazu bei, dass anthropologische und ethische Herausforderungen eher unklar werden und schürt damit Ängste. Gleiches gilt für Themen wie Filterbubble, Crossmedialität, Erstellung gezielter Profile oder den vermuteten Verlust an Selbstbestimmung. All dies ist im Grundsatz nicht notwendig mit dem Thema Digitalisierung verbunden, wird dadurch aber teilweise offensichtlicher bzw. entwickelt sich schneller, zum Teil unabsehbarer, als wir dies bislang gewohnt sind. Das gilt auch für Meinungsbildungsprozesse, die unter dem Stichwort „Empörungsdemokratie“ Einfluss auf politische Willensbildung nehmen. Einstellungen, die ohnehin eigenen Dynamiken unterliegen – beispielsweise Hass und Spott – nehmen unkalkulierbar an Fahrt auf. Dass eine leise Mehrheit des Abwägenden weniger gesehen wird, gilt dann um so mehr. Ob man allerdings durch das, was „wirklich wahr“ ist, überzeugen und Haltungen messbar verändern kann, bleibt fraglich. Intuitive Reaktionen wie etwa Daten „mit Verfallsdatum“ wie etwa Snapchat als Reaktion auf das Nie-vergessende-Internet zeigen menschliche Sehnsucht nach Vergebung und unbelastetem Neu-Anfang an. Auch in prädigitalen Zeiten war dies eine Sehnsucht, die nicht jedem vergönnt war, erfüllt zu sein. Es ist eher das Gefühl des fernen, unbestimmten Ortes, an dem Daten sich sammeln, der Menschen ängstigt, als das Phänomen an sich, das sich grundsätzlich „in jedem Tante-Emma-Laden ereignen“ kann. Am Rande: Als Mythos hat der Wissenschaftsjournalist Marcel Hänggi übrigens die verbreitete Rede entlarven können, dass durch technische Innovationen Zeit gespart werde. In in 2015 veröffentlichten Einzelstudien konnte er zeigen, dass sich dies für eine Vielzahl von Erfindungen empirisch nicht verifizieren lässt (Fortschrittsgeschichten. Für einen guten Umgang mit Technik, Frankfurt am Main 2015). Deshalb erscheint mir fraglich, ob eine veränderte Einstellung zur Zeit tatsächlich angemessen auf die Herausforderungen reagiert, die sich uns mit der Digitalisierung stellen (ähnliches ließe sich auch für das Stichwort „Präsenz“ zeigen – wenn damit mehr gemeint ist, als das alltagssprachliche „Ich-bin-mir-bewusst- dass-ich- ‚hier‘- bin“, dann würde es geradezu zur Transzendentalisierung des Ichs oder der digitalen Welt beitragen – auch christlicher Sicht ein dramatischer Kategorienfehler!). Präsenz bezieht sich klassischerweise auf eine transzendentale Größe, die für die Verlässlichkeit einer Ordnung steht, in der jede Veränderung negativ bewertet werden muss. Jede flüchtige, liquide Struktur der Gegenwart bekommt dadurch einen Makel. Der Ruf nach Sicherheit kann im Kontext von Digitalisierungsdebatten folglich nicht mit dem Hinweis auf Zeitverständnis und Präsenz hinreichend beantwortet werden. Ein Beispiel Für die Konkretisierung aller drei Aspekte (Durchdringung, Mensch/ Maschine, Allgegenwart) eignet sich das im Artikel erwähnte Beispiel der “Hello Barbie” gut, weil seine Entwicklung zeigt, welche Aspekte von Smart Toys – also Spielzeug, das sich mit dem Internet verbinden kann – als so kritisch angesehen werden, dass sich die Gesellschaft eine rechtliche Selbstreglementierung auferlegt. Es ist dies keineswegs die Datenaufzeichnung schlechthin, sondern eben ausschließlich jene, die ohne explizite Einwilligung der Spieler/ der Beteiligten geschieht: Im Rechtsverständnis unseres Staates ist das autonome, entscheidungsfähige Subjekt vorausgesetzt. Deshalb sind auch nur all jene Puppen vom Markt genommen worden, die ihre Umwelt schlicht immer und damit ggf. „heimlich“, also ohne Zustimmung des Nutzers datentechnisch verarbeiten. Dieses Argument ist deshalb kritisch, weil man ja genauso gut argumentieren könnte, dass der Nutzer nicht erst mit der Betätigung eines Einschaltsknopfes zustimmt, sondern dies bereits schon mit dem Kauf tut bzw. damit, eine solche Puppe/ ein solches „Ding“ in seinem Nahbereich zu dulden. Offensichtlich wird aber die Zeitnähe von Zustimmung und Ereignis als ethisch relevant und damit ausschlaggebend für die rechtliche Bewertung angesehen. Das bedeutet in einem weiteren Kontext, dass die Digitalisierung – permanent durchdringend, den Menschen konfrontierend und in allen Lebensbereichen präsent – den Einzelnen in ständige Entscheidungssituationen bringt. Damit ist sie im Sinne Latours selbst instaurativ. Mit Recht kann eine Gesellschaft für sich sagen, dass sie dies regulieren möchte (unabhängig davon, ob das faktisch gelingt). Wer sich dem aber völlig entzieht, spielt denen in die Hände, die aus ökonomischen Gründen Angst vor Regulierung des digitalen Marktes haben. Das gilt hier genauso wie auf analogen Märkten. Wer gewinnt? Die vorhergehenden Erläuterungen verdeutlichen: Es gewinnt, wer entscheidungsfähig ist und unter digitalisierten Bedingungen auch bleibt. „Bildung aus dem Netz“ (Krückeberg, 206) ist nicht notwendig „Schlagwortwissen“, die analytisches Denken verdrängt. Wohl aber habe ich zu entscheiden, wie ich mit Wissen umgehe – das gilt digital genauso wie analog. Minimalistische Eliten oder solche mit „Retro-Chic“ bilden sich analog wie digital. Gleichwohl zeigt sich, dass sich bestimmte Wahlmöglichkeiten, digital teilzuhaben oder eben nicht, nur privilegierten Gruppen nahelegen: Ob ich perspektivisch darauf verzichten kann, mein digitales Portfolio so zu pflegen, dass es ökonomisch möglichst vorteilhaft ist, ist eine Frage von Know-How und Wohlstand. Gesellschaftlicher Ausstieg ist immer ein Elitenprivileg. Umgekehrt ermöglicht Digitalisierung Teilhabe, vor allem in analog-infrastrukturell schwachen Gebieten oder dort, wo große geografische Entfernungen zu überbrücken sind. Was sollen wir tun? Die antiken Gelehrten stritten darüber, was sich eigentlich hinter Wolke Sieben befindet. Manche sagten: Dort ist das Paradies. Andere sagten: Dort ist das Nichts. Und über Beides kann man trefflich streiten – bis heute. Und sich an der Grenze von bekannter und unbekannter Welt darin verlieren, was wohl an einem anderen Ort der Fall ist. Digitalisierungsphänomene werden auffällig häufig raummetaphorisch beschrieben. Die Rede vom #neuland der Netzwelt hat sich der Diskussion terminologisch eingebrannt. In fundamentalistischer Perspektive wird vom ‚Feindesland‘ gesprochen. Das erscheint mir im Kontext von Kirche eine problematische Redeweise zu sein, weil es all jene kränkt, die mit den Möglichkeiten der digitalisierten Welt das Evangelium dort - jenseits vieler Komfortzonen und all den Mechanismen der Digitalisierung ausgesetzt - verkündigen, wo es nicht bei rotem Tee und Gummibaumpflanzen gehört wird. Und Mancher, der selbst sehr profitiert, wähnt sich im Gelobten Land. Die Frage ist aber doch, wie wir es gemeinsam dort aushalten, wo wir sind: Auf der Grenze. Wie wir es aushalten zwischen Paradies und Nichts, bestenfalls gemeinsam gestaltend. Wie Menschen instand gesetzt werden, Entscheidungen begründet zu treffen, ohne in Strudel zu geraten oder naiven Vorschlägen zu folgen, die ökonomischen Paradigmen immer mehr Macht geben. Das sind gesellschaftliche Fragen. Es sind aber auch kirchentheoretische Fragen. Denn wie wollen und können wir unter diesen Bedingungen Kirche sein? Angesichts dessen, dass die meisten Menschen nicht nur ihr Wissen über Religion, Theologie und Spiritualität digital erwerben, sondern dort auch religiös leben. Es entstehen völlig neue Netze diakonischen Handelns und kommunitären Lebens. Pfarramtliches Handeln kann stärker themenbezogen kollaborativ stattfinden. Diese Möglichkeit kommt den gegenwärtigen demographischen Entwicklungen ausgesprochen entgegen! Menschen beten, die es nie gelernt haben. Menschen stellen Fragen, für die sie sonst keine Adressaten finden. Sie besuchen Friedhöfe und zünden Kerzen an, obwohl sie das Haus nicht verlassen können. Es entstehen Räume von Seelsorge, die selbstverständlich ihre eigenen Schutzmechanismen definieren. Kirche in der Fläche bekommt ungeahnte Möglichkeiten. Die Reichweite ist häufig groß, größer als gewohnt, und nicht notwendig flacher. Wir können sie nicht übersehen und deshalb trefflich darüber streiten. Wir sollten es nicht tun. Sondern die unübersichtliche Situation zur Grundlagenbesinnung nutzen: Was sagen wir (christlicherseits) über den Menschen in diffusen Lagen? Was wissen wir über Gottes Handeln angesichts der Schöpfung selbst als Subjekt je und je? Wie denken wir heute Redefiguren, die angesichts heutiger Bildwelten völlig neu an Relevanz gewinnen – wie etwa die der Perichorese, der Durchdringung? Was bedeutet Sakramentalität auf dieser Grenze? Wie denken wir die Virtualität, die in der Liturgie traditionell zur Sprache kommt? Wenn es nicht stimmt, dass es eine „abgeschlossene, homogene Lebenswelt“ der Kirche gibt, und die Kirche sich (daneben?) „in Vorstellungen und Gefühlen der … Individuen (konstituiert)“, die Kirche demnach keine Konstruktionsleistung des Einzelnen ist, sondern sich aus transzendental Gegebenem – religiös gesprochen: Gott – ergibt, dann gilt es, diese Grundsatzfragen angesichts digitaler Welten neu sprachlich auseinanderzusetzen. Das ist weit mehr, als christlichen content zu generieren, und zu zeigen und Kontaktflächen zu bieten. Das ist freilich schon viel. Und doch sollte Menschen wohl auch eine Hilfe gegeben angeboten sein zu entscheiden, wie sie – aus Sicht eines christlichen Weltverständnisses und Menschenbildes – wahrnehmen und verstehen, was sie ohnehin erleben.
05.05.2017 Ein Kommentar von Martin Ost Ich finde, die Kommentare werden zu lang - als Artikel würde ich das vielleicht lesen, das nur nebenbei. Ideologiekritik hat immer zum Glaubenden dazugehört - auch die Schöpfungsgeschichten enthalten eine solche. Dass wir alles mitmachen müssen, ehe wir darüber reden können, ist eine unerfüllbare Forderung in unserer vielfältigen Welt. Die Digitalisierung machen wir aber sowieso alle mit, also muss man nicht über 0 oder 1, sondern über wie und was ergibt sich daraus reden - und zwar ohne Etiketten ("Wie alt ist denn der Verfasser?" Oder "MIt dem habe ich schon mal geredet (und es war unterirdisch)") reden oder schreiben. Wie gestalten wir eine Welt, die solche digitalen Möglichkeiten aber eben auch Gefahren hat? Wie behalten wir eine Technik im Griff, die über Menschen auch regieren kann? Wichtig wäre mir auch, auf die Vielfalt der Gesellschaft zu sehen. Was wir führen, ist ein Dialog des KulturprotestantInnen und der gebildeten DigitalkennerInnen. Ich erlebe viel unreflektierte Begeisterung für die neuen Möglichkeiten ohne Nachdenken, was ich einkaufe, wenn ich die Puppe (z.B., kann auch Smart Home sein) einkaufe. Wie kann Kirche reden, dass sie weder einfach nur reaktionär erscheint noch als Verbotsagentur? Wie kann man entzaubern, was manche wie ein magisches Angebot verkaufen und anleiten zu einem nüchternen, vernünftigen Umgang mit den technischen Möglichkeiten. Und, bitte: Nehmt es doch nicht gleich als Blasphemie, wenn jemand nicht einfach gleich begeistert ist!
11.05.2017 Ein Kommentar von Peter Haigis Den Schriftleiter des Deutschen Pfarrerblatts freut es natürlich, wenn Texte online diskutiert werden. Aber so??? Ich hatte es immer für einen Vorteil der "neuen" digitalen Kommunikationsformen gehalten, dass man sich kurz fasst - offenbar ein Vorurteil. Und im Übrigen: Ganz so abgedreht technikphob wie angedeutet ist das Pfarrerblatt und seine LeserInnenschaft nun auch wieder nicht. Es gab da noch andere Stimmen und Veröffentlichungen zum Thema. Lohnt sich durchaus mal zu recherchieren und zur Kenntnis zu nehmen.
16.05.2017 Ein Kommentar von Frau Auge Die Kommentare sind so lang, weil sie Blogartikel sind. Auf den eigenen Blogs der Kolleg*innen. Das lässt sich aber hier nicht verlinken. Auf den Blogs können sie natürlich viel besser gelesen werden, weil sie da gelayoutet sind. Geht hier auch nicht. Ich hatte ja gehofft, dass das Pfarrerblatt sich freut über so viel Resonanz - gerade von welchen, die jetzt Alters- und Sozialisationsmäßig nicht den üblichen Leser*innenbrief-Schreibenden entsprechen.
16.05.2017 Ein Kommentar von Friederike Erichsen-Wendt Liebe Herr Kollege Haigis, leider gibt es ja nicht die Möglichkeit, zu verlinken. Deshalb ist der Lesefluss meines Beitrags zugegebenermaßen unkomfortabel. Mein Anliegen war, eine breite, sehr fundierte und differenzierte Diskussion in den Sozialen Medien eben auch hier in Ansätzen transparent zu machen. Möglicherweise ist die Frage der Schnittstellenperformance zwischen Analogem und Digitalem, zwischen verschiedenen Lebensstilen, Gestalten von Kirche etc. eine der größten Herausforderungen der kommenden Jahre - für uns alle.
16.05.2017 Ein Kommentar von Christoph Breit Sehr geehrter Kollege Haigis! Auch mein anscheinend zu langer Kommentar zu den recht ausführlichen Ausführung von Prof Krückeberg ist ein Blogartikel, erschienen im Blog meiner Arbeit als Social-Media-Beauftragter der ELKB, zu finden unter "elkb2punkt0". Eine Verlinkung wird allerdings von Ihnen technisch nicht zur Verfügung gestellt. Auch Formatierungen (selbst in HTML) werden von Ihrer Kommentarfunktion gelöscht. Wenn Sie es wünschen kann ich auch kurz. Dann genügt nämlich der erste Satz: "Der Artikel von Siegfried Krückeberg stellt in Sachen Digitalisierung eine hohe Hürde auf und reißt sie." So aber pflege ich das Thema #digitaleKirche nicht zu diskutieren. Das Pfarrerblatt mag sich entscheiden, ob es die breite Diskussion will oder nicht. Bevor es aber Kommentierende zurechtweist, möge es doch bitte technisch nachbessern. Mit freundlichen Grüßen, Christoph Breit, Projektstelle Social Media in der ELKB (Und wahrscheinlich erscheint dieser Text jetzt wieder ohne jeden Absatz)
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